Wohltäter auf dem Rücken der Gesellschaft

In den letzten Wochen machte Amazon-Gründer Jeff Bezos erneut und diesmal gleich doppelt auf sich aufmerksam: Zum einen allerdings nicht wirklich aus eigenem Antrieb, denn der Name seines Versandhandels wurde als Übernahmeinteressent für die vom Metro-Konzern sturmreif geschossene Supermarktkette »real,-« gehandelt. Metro hatte bekanntlich in den vergangenen Wochen und Monaten für viel Empörung gesorgt, als den »real,-«-Beschäftigten die Löhne gekürzt wurden und der Ausstieg aus dem Einzelhandelstarifvertrag vollzogen wurde.

Die Beschäftigten, deren Löhne ohnehin hart an der Armutsgrenze liegen, könnten nun vom Regen in die Traufe kommen, sollten sich die Gerüchte um eine Amazon-Übernahme bewahrheiten. Der reichste Mann der Welt gilt nicht als großzügiger Boß – ganz im Gegenteil. Der Multimilliardär gehört zu jenen »Arbeitgebern«, die ihre Angestellten derart schlecht entlohnen, daß diese noch auf Essensmarken und andere staatliche Transferleistungen angewiesen sind.

Bezos läßt sich seinen Profit also quasi vom Steuerzahler mitfinanzieren und spielt dann noch den großen Wohltäter, wobei wir beim zweiten Punkt wären, der in den letzten Wochen mit ihm zu tun hatte: Nachdem er bereits vor einiger Zeit 10 Millionen US-Dollar an eine Veteranengruppe gespendet hatte, verkündete er nun, rund 2 Milliarden US-Dollar in einen Wohltätigkeitsfonds zu spenden, aus welchem ein Netz aus Kindergärten, insbesondere in strukturell schwächeren Regionen, entstehen soll.

Bereits vor einigen Jahren waren es Microsoft-Gründer Bill Gates oder Facebook-Chef Mark Zuckerberg, die einige Krumen ihres Vermögens in Wohltätigkeitsaktionen steckten. Teuer erkaufte Wohltätigkeit aus Sicht der Allgemeinheit, die zudem nur einen Bruchteil von dem darstellt, was die Gesellschaft durch ordentliche Steuerzahlungen bekäme und damit selbst entscheiden dürfe, wie verteilt wird.. Denn zum einen entsteht der Reichtum nicht selten auf dem Rücken unterbezahlter Angestellter, diese Gelder ersetzen in den USA und mittlerweile auch darüber hinaus immer mehr die öffentliche Fürsorge, die in leeren Steuersäckeln kaum noch fündig wird, da große Konzerne und Superreiche kaum noch bis gar keine Steuern mehr bezahlen. Dazu kommt, daß solche Wohltätigkeitsaktionen meist nur sehr punktuell Hilfe leisten, wie etwa Musikinstrumente für ausgewählte Schulen oder Gelder gezielt für religiöse Sozialprojekte.

Wenn der Staat dann beginnt, sich immer mehr auf solche scheinbaren Wohltäter zu verlassen, hat das fatale Folgen für die Gesellschaft. Gleichzeitig wird verbreitet, daß Kritik an den »edlen Spendern« neidisches Querulantentum sei, denn man müsse auch »gönnen können«.

»Wohltätigkeit ist das Ersaufen des Rechts im Mistloch der Gnade.« (Johann Heinrich Pestalozzi).

Christoph Kühnemund

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek