Die Kunst des Machbaren

Politik wird oft auch als die »Kunst des Machbaren« beschrieben. Das ist keine marxistische Definition, hat aber viel mit den Realitäten und mit deren Umgang bei der Suche nach Lösungen zu tun. Besonders wichtig ist das in den internationalen Beziehungen zwischen Staaten, weil hier nicht »nur« Unterschiede in den politischen Ansichten, sondern zudem auch nationale Besonderheiten und Interessen eine Rolle spielen und zu berücksichtigen sind.

Seit Jahrhunderten haben sich daher für die Beziehungen zwischen Staaten gewisse Gepflogenheiten entwickelt, und es wurden sogar Regeln aufgestellt für das Miteinander auf dem internationalen Parkett. Es gibt nicht nur ein diplomatisches Protokoll, das den Umgang mit staatlichen Repräsentanten und diplomatischen Vertretern regelt, sondern darüber hinaus ist eine Vielzahl von gültigen bi- und multilateralen Vertragswerken entstanden, bis hin zur Charta der Vereinten Nationen, der Gründungsurkunde der UNO. Alle diese Verträge zusammen bilden das Völkerrecht, oder auch Internationales Recht genannt. Eine erfolgreiche Außenpolitik wird nicht nur durch eine möglichst genaue Kenntnis des Verhandlungspartners, sondern auch durch Anwendung aller relevanten Bestandteile des Völkerrechts gestaltet.

Seit der bedingungslosen Kapitulation des damaligen sowjetischen Staatspräsidenten im Kalten Krieg haben sich jedoch die ungeschriebenen Regeln des »Rechts des Stärkeren« immer mehr in den internationalen Beziehungen durchgesetzt. Es wird immer öfter nicht mehr untersucht, welche Umstände zu einer bestimmten Situation geführt haben und wie eine entstandene Lage auch im internationalen Kontext einzuschätzen ist, sondern politische und – noch verhängnisvoller: militärische Maßnahmen werden einseitig nach Interessenlage ergriffen, vor allem seit 1990 also fast ausschließlich nach den Interessen der in den wirtschaftlich mächtigen Vereinigten Staaten von Amerika herrschenden Klasse. Dazu paßt auch die angestrebte Veränderung der Struktur der UNO, also vor allem der Zusammensetzung des Sicherheitsrates.

Nicht erst seit Präsident Trump trifft das zum Beispiel auf das Verhältnis mit der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik zu. Trump treibt es lediglich auf die Spitze, indem er von Pjöngjang einseitige Schritte ohne jede Gegenleistung verlangt, was einer bedingungslosen Kapitulation gleichkäme. Auch schon lange vor Trump behandelt Washington Lateinamerika als seinen Hinterhof, und maßt sich das Recht an, Entscheidungen für die nationale Entwicklung vor allem der Länder zu treffen, die über gewisse natürliche Ressourcen verfügen. Die Installation eines »Übergangspräsidenten«, der noch dazu ein Dilettant ist und buchstäblich nichts außer politischem Chaos zuwege gebracht hat, ist allerdings bisher ohne Beispiel.

Hinzu kommt auch die Anmaßung, anderen Staaten vorzuschreiben, wie sie ihre bilateralen Beziehungen zu gestalten haben, zumindest nach Meinung der Strategen in Washington. Kaum ist der Skandal um die Einmischung des USA-Botschafters in Berlin in die Diskussion über eine Gaspipeline einigermaßen abgeklungen, wird nun bekannt, daß sich die hiesige USA-Botschaft eine Richtlinie für das bevorstehende Gespräch mit dem russischen Regierungschef ausgedacht hat. Premierminister Bettel müsse Rußland mit Nachdruck dazu auffordern, »die illegale Besetzung der Krim zu beenden«, hieß es in einem Schreiben der USA-Botschaft, wie am Montag aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen bekannt wurde. All das hat mit Außenpolitik, Völkerrecht und der »Kunst des Möglichen« nichts mehr zu tun.

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek