Pompeos Kreuzzug

Der US-Außenminister hat Großes vor. Mike Pompeo hielt eine als historisch inszenierte Rede vor der Nixon-Bibliothek: „Das kommunistische China und die Zukunft der Freien Welt.“ Er dürfte sich an große Vorbilder erinnert haben, seinen Amtsvorgänger John Foster Dulles etwa oder Winston Churchill oder auch Harry Truman. Berühmte, fanatisch antikommunistische Kriegstreiber zu Beginn des Kalten Krieges gegen die Sowjetunion. An diese „großartige“ Tradition der blinden antikommunistischen Hysterie des „Westens“ möchte auch Donald Trumps Mann fürs Grobe gern anknüpfen: „Wir sollten in Erinnerung behalten, dass das Regime der KP Chinas ein marxistisch-leninistisches Regime ist“, so Pompeo, „Generalsekretär Xi Jinping ist ein wahrer Glaubender an diese bankrotte totalitäre Ideologie. Es ist diese Ideologie, welche das jahrzehntelange Streben nach globaler Hegemonie des chinesischen Kommunismus inspiriert. Amerika kann nicht länger diese fundamentalen politischen und ideologischen Unterschiede ignorieren.“

Richard Nixon habe sich verkalkuliert, so der Ex-CIA-Chef, „die Art und Weise unseres Engagements, das wir verfolgt haben, hat nicht die Veränderungen in China erbracht, die Präsident Nixon erhofft hatte herbeiführen zu können.“ China stehle „unser wertvolles intellektuelles Eigentum und unsere Geschäftsgeheimnisse, es bewirkte den Verlust von Millionen Jobs überall in Amerika. Es saugte die Versorgungslinien von Amerika ab und lieferte stattdessen irgendwelches Zeug, produziert durch Sklavenarbeit.“ Schon Nixon habe befürchtet, einen „Frankenstein“ zu erschaffen, als er die Welt für die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) öffnete, und da seien wir nun. „Die KPCh ist die zentrale Bedrohung unserer Zeit“, verkündete Pompeo an anderer Stelle.

Nun ist es natürlich grober Unfug, dass der alte Kommunistenhasser Richard Nixon aus der KPCh so etwas wie die chinesische Heilsarmee machen wollte. Nixon wollte die Spaltung der internationalen kommunistischen Bewegung vorantreiben und das ist ihm auch – leider – geglückt. Nach dem erfolgreichen Zugrunderichten der UdSSR wurde China zum Hotspot der Globalisierung. Das US-Finanzkapital verdiente hier Unsummen. Allerdings kontrollierte die KPCh weiterhin das Land und sorgte dafür, dass viel Know-how und ein Teil der erzeugten Profite im Land blieben. China schaffte einen industriellen Aufstieg wie zuvor nur die UdSSR. Heute ist China dem US-Imperium in vielen Industriesektoren überlegen. Es schickt sich an, zum führenden Technologieland aufzusteigen. Und nun in der Corona-Krise beklagt das Imperium nicht nur die mit Abstand meisten Erkrankten und Toten, es steckt auch in einer der schlimmsten Krisen seit der Existenz des Kapitalismus. Gleichzeitig hat die Volksrepublik nicht nur die Pandemie weitgehend im Griff, sondern kann auch wieder Wachstumszahlen verkünden. Das ist es, was Pompeo und der Trump-Mannschaft im Magen liegt.

Was also tun? Es sei die Zeit für eine „Sammlung gleichgesinnter Mächte“ gekommen, für eine „neue Allianz für Demokratie“. Der chinesischen Herausforderung könne man nicht allein begegnen, „die Vereinten Nationen, die Nato, die G7-Staaten, die G20, unsere gemeinsame ökonomische, diplomatische und militärische Macht“, da ist sich Pompeo sicher, „wird sicher reichen, um diese Herausforderung zu meistern“.

Einmal beiseite gelassen, was von „Freedom & Democracy“ in „Gods own Country“ zu halten ist, wie sieht es heute aus mit dieser neuen Armee antikommunistischer Kreuzritter, die dem selbsternannten Drachentöter im Weißen Haus da so vorzuschweben scheint? Wer wird es sein, mit dem Big Mike gegen den chinesischen „Frankenstein“ zu Felde zieht?

Die Welt ist eine andere als 1950. Damals waren die USA der weltgrößte Gläubiger und standen für 50 Prozent der globalen Wirtschaftskraft. Die antikommunistische Kampffront konnte durch einen Marshallplan komfortabel ausgepolstert werden. Heute ist das Imperium nicht nur der weltgrößte Schuldner, es ist Pleite. Seine Macht gründet sich nur noch darauf, die Welt durch den Dollar und die US-Kriegsmaschine erpressen zu können. Washington ist immer mehr zu einer Art internationaler Mafia-Zentrale verkommen. Mit ihren „America First“-Erpressermethoden schreckt es auch vor den engsten Verbünden nicht zurück. Die Kündigung des Iran-Atom-Deals und die Blockade von Nordstream 2 sind klare Botschaften. „America“ hat außer Bomben und Sanktionen nicht mehr viel zu bieten.

Selbst bei den „Five Eyes“, dem globalen Spionagenetz von Australien, Britannien, Kanada, Neuseeland und den USA, gelang es dem Weißen Haus nur mühsam, die Blockade von Huawei durchzudrücken. Absurderweise mit dem Argument der Spionage. Bei den Five Eyes kein schlechter Scherz. Aber ein Boris Johnson weiß nur zu gut, was ihn, besser: Britannien, diese Entscheidung kosten kann. Ähnlich sieht es für Aus­tralien aus. Nun, in der Krise, sind solvente Märkte rar. China hat nicht nur den Weltmarktführer für 5G an Bord, sondern auch den in vieler Hinsicht größten Markt der Welt. Um sich ausgerechnet jetzt mit China anlegen zu wollen bedarf es schon eines gewissen suizidalen Ehrgeizes.

Quelle:

UZ – Unsere Zeit