Übernommen von Unsere Zeit:
Der vor einem Jahr erklärte Austritt Burkina Fasos, Malis und Nigers aus der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS ist am 29. Januar rechtskräftig geworden. Die drei Sahel-Staaten gehörten 1975 zu den Gründungsmitgliedern der Organisation.
Sie begründeten ihren Austritt damit, ECOWAS habe sich „von den Idealen ihrer Gründungsväter und dem Panafrikanismus“ entfernt. In einer gemeinsamen Erklärung der Regierungen der drei Länder vom 28. Januar 2024 heißt es: „Darüber hinaus ist ECOWAS unter dem Einfluss ausländischer Mächte zu einer Bedrohung für ihre Mitgliedstaaten und Bevölkerungen geworden, deren Glück sie eigentlich gewährleisten sollte.“
Viele Westafrikaner sehen ECOWAS als Instrument insbesondere des französischen Imperialismus, die neokoloniale Kontrolle über Westafrika aufrecht zu erhalten. Nach Militärputschen in Mali 2020 und 2021, Burkina Faso 2022 und Niger 2023 suspendierte ECOWAS jeweils deren Mitgliedschaften und verhängte Wirtschaftssanktionen. Für die drei Binnenländer, die auf funktionierende Warentransporte von und zu den Häfen an der Küste Westafrikas angewiesen sind, war das fatal. Sie bewerteten die Sanktionen als „illegal, illegitim, unmenschlich und unverantwortlich“, zudem verstießen sie gegen die Statuten von ECOWAS. Nach dem Putsch in Niger drohte ECOWAS gar mit einer militärischen Intervention.
Das brachte das Fass zum Überlaufen. Die Übergangsregierungen in Bamako, Ouagadougou und Niamey schlossen ihre Länder zur Allianz der Sahel-Staaten (Alliance des États du Sahel, AES) zusammen. Kernstück dieser Allianz ist bislang ein gegenseitiger militärischer Beistandspakt. Auf mehreren Konferenzen haben hochrangige Vertreter der Übergangsregierungen seitdem über den Ausbau der AES hin zu einer Konföderation beraten.
Versuche von ECOWAS, die austrittswilligen Mitgliedstaaten zurückzuholen, scheiterten. Zuletzt hatte der Staatenbund Bassirou Diomaye Faye damit beauftragt. Der Präsident Senegals möchte sein Land ebenfalls unabhängig von Frankreich machen, geht dabei aber zaghafter vor als seine Amtskollegen in Burkina, Mali und Niger. ECOWAS nannte den Austritt eine „entmutigende Entwicklung“.
Die Übergangsregierungen der AES-Länder haben ihre Position relativer Schwäche also in eine der Stärke verwandelt. Die ECOWAS-Kommission kündigte in einer Pressemitteilung an, bis auf Weiteres blieben die Rechte, die mit einer Mitgliedschaft einhergingen, trotz des Austritts in Kraft. Dazu gehört die Freizügigkeit zwischen den Ländern, die für viele Menschen in der Region überlebenswichtig ist, aber auch das Freihandelsabkommen ECOWAS Trade Liberalization Scheme (ETLS).
Das ist Rückenwind für die Malier, Burkiner und Nigrer, die für die Unabhängigkeit ihrer Länder und wirtschaftliche Entwicklung kämpfen – und für all diejenigen in den verbliebenen ECOWAS-Mitgliedstaaten, die deren Beispiel folgen wollen. Der Druck auf die Regierungen in der Region, die die Interessen ausländischer Konzerne willfährig bedienen, steigt. So kündigte selbst der ivorische Präsident Alassane Ouattara, einst Stellvertretender geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds und heute „zuverlässiger Partner“ des Wertewestens, kürzlich an, die Präsenz französischer Soldaten in Côte d’Ivoire reduzieren zu wollen. Der Wahlsieg Bassirou Diomaye Fayes im April vergangenen Jahres dürfte ohne die Erfolge der AES-Länder kaum möglich gewesen sein.
In Bamako, Ouagadougou und Niamey feierten viele Menschen den ECOWAS-Austritt ausgelassen auf den Straßen.
Quelle: Unsere Zeit

