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Parteilicher Wissenschaftler

Übernommen von Unsere Zeit:

Anlässlich des 100. Geburtstags von Robert Steigerwald – Mitbegründer, langjähriger Chefredakteur und Autor der „Marxistischen Blätter“ (MB) – hat der Neue Impulse Verlag eine Sammlung repräsentativer Artikel von ihm herausgebracht, die in den MB erschienen sind. Nicht nur um ihn zu ehren, sondern weil uns der Autor noch viel zu sagen hat, da er die Zeiten des Aufbruchs wie der Niederlage erlebt und mitgestaltet hat. Der Titel der Aufsatzsammlung „Über Lenin, lebendigen Marxismus und die Parteifrage“ kennzeichnet das Auswahlkriterium der Texte. Das Buch ist für alle diejenigen, die sich bei Steigerwald Rat holen und dabei auch erholen wollen, eine echte Fundgrube.

Steigerwald war ein hervorragender Philosoph, Wissenschaftler, Theoretiker und ausgezeichneter DKP-Funktionär. Diese Kombination, die als dialektische Einheit von Wissenschaftlichkeit und Parteilichkeit zu verstehen ist, durchzieht alle seine Texte, bestimmt die Auswahl der Probleme und die Form der Darstellung, die praxiswirksam sein soll. Wir können in der Publikation zwei große Etappen im theoretischen und politischen Schaffen von Steigerwald unterscheiden: vor und nach 1989/90, vor und nach der Konterrevolution. Was man bei ihm – im Unterschied zu manchen anderen Autoren – nicht findet, ist das Aufgeben der marxistischen Grundsätze unter dem Eindruck der Niederlage und damit verbundener Demoralisierung. Er verteidigt diese Grundsätze vom ersten bis zum letzten Artikel, bekämpft den Antikommunismus. Vor allem das „Kommunistische Manifest“ ist der entscheidende Bezugspunkt aller seiner Überlegungen. Steigerwald bezweckt nichts anderes, als den tatsächlichen Prozess wiederzugeben, die Einheit von Theorie und Praxis zu wahren.

Ein durchgehender Grundgedanke aller Texte ist die Verteidigung und Anwendung der materialistischen Dialektik, der materialistischen Geschichtsauffassung und nicht zuletzt der marxistischen Theorie der Partei, die Steigerwald von der Theorie der Organisation der Partei unterscheidet, ohne beide in Gegensatz zu bringen. Ausgehend vom „Manifest“ ist die Kommunistische Partei die Vereinigung von Arbeiterklasse und wissenschaftlichem Kommunismus, ohne mit der Arbeiterklasse identisch zu sein – sie ist ein Teil von ihr. Nach den Kriterien des „Manifests“ bestimmt Steigerwald die Hauptaufgabe der Kommunistischen Partei: Herausbildung von Klassenbewusstsein, ideologisches Ringen um das Bewusstsein von Arbeitermassen. Dazu ist theoretisches Denken erforderlich. Er setzt sich mit dem Linksradikalismus und dessen Angriffen auf die DKP auseinander, erläutert die Grundsätze der Bündnispolitik, wehrt Angriffe auf Lenin, die Oktoberrevolution und den Sozialismus ab, erörtert die Demokratie- und Staatsfrage sowie Probleme der Ausarbeitung, Diskussion und Weiterentwicklung der marxistischen Theorie.

Im Heft 11/1989 der MB setzt sich Robert Steigerwald als Zwischenbilanz mit der Frage auseinander, ob sich die DKP durch das Aufkommen der Neuererströmung im Prozess der Spaltung befinde. Er fragt nach objektiven und subjektiven Ursachen der Meinungsverschiedenheiten, zeigt, dass es um die Grundsätze des Kommunismus geht und erklärt, was nach wie vor aktuell ist, in welcher Beziehung die Epochenbestimmung „weltweiter Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus“ statt „Epoche der Rettung der Menschheit“ – wie es die Neuerer wollten – zur Dialektik von Reform und Revolution steht: „Dieser unterschiedliche Epochenbegriff führt mit Notwendigkeit dazu, dass die sogenannte Neuererströmung nicht mehr, wie wir, den Hauptfaktor des Geschichtsprozesses in der Arbeiterklasse sieht, sondern die Grenzen zwischen der Arbeiterklasse und den umliegenden sozialen Schichten, insbesondere der lohnabhängigen Mittelschicht, unter Zuhilfenahme des an sich richtigen Begriffs von der modernen Arbeiterklasse verwischt.“ Der andersartige Epochenbegriff ließe das Revolutionsproblem verschwinden, mahnt Steigerwald.

Für Steigerwald vertreten die Kommunisten in der Gegenwart der Bewegung die Zukunft der Bewegung nicht zuletzt dadurch, dass sie aufzeigen, wie Misserfolge in der politischen Aktion auch ein Resultat falscher theoretischer Ansichten sind. Vor allem aber lässt er keinen Zweifel an der Befreiungsmission der Arbeiterklasse. Zu ihrem Zustand legt er Analysen vor und kommt zu dem Schluss, dass nicht die Klasse zu kritisieren sei, sondern „das Niveau der politischen Arbeiterbewegung“. Er verteidigt die Notwendigkeit der Revolution und den Bruch mit dem Kapitalismus – Ziel ist und bleibt der Sozialismus.

Im Artikel „Probleme einer revolutionären Partei in nicht-revolutionärer Zeit. Zum 100. Jahrestag von Lenins ‚Was tun?‘“, der in den MB 1/2002 erschienen ist, geht Steigerwald der Frage nach, unter welchen Bedingungen sich die DKP entwickelt. Er betont, die DKP sei eine revolutionäre Partei, die sich bemühe, den Klassenkampf als ideologischen, politischen und ökonomischen Kampf zu führen. „Doch sollten wir uns davor hüten“, warnt er, „die Eigenschaft ‚revolutionär‘ zu laut hervorzukehren. Nicht aus Leisetreterei, sondern mit Blick auf den realen Zustand der Partei.“ Notwendig ist die illusionslose Schilderung der tatsächlichen Lage.

Das Buch vereinigt spannende Texte, die Stand- und Streitpunkte unter Kommunisten betreffen. Mit dem Artikel „Blick nach vorn auf die Herausforderungen“ aus den MB 1/2014 schließt der Band. Steigerwalds wissenschaftliches und politisches Erbe bleibt lebendig in unserem Denken und Handeln. Es sollte uns Aufforderung und Verpflichtung sein.

Robert Steigerwald
Über Lenin, lebendigen Marxismus & die Parteifrage
Neue Impulse Verlag, Essen 2025, 232 Seiten, 19,80 Euro
Erhältlich im uzshop.de

Quelle: Unsere Zeit

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