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Müntzer, Marx und Mao – 500 Jahre Bauernkriege

Kommunistische Gewerkschaftsinitiative - International

Übernommen von KOMintern:

„Als sich vor 500 Jahren die Bauern Mitteleuropas“ erhoben, markierte dies freilich „nicht den ersten Bauernaufstand der Geschichte“, aber fraglos stellte ihre Erhebung „die größte politische Erschütterung der frühen Neuzeit dar“, so Andreas Pittler in seinem nachfolgend übernommenen Beitrag „Müntzer, Marx und Mao“ aus den „Mitteilungen der Klahr Gesellschaft“ zum Jubiläumsjahr der Bauernkriege. In seinem Beitrag gibt Pittler zugleich einen komprimierten Überflug über die progressive antikapitalistische Rolle der Bauernschaft in Asien, Afrika und Amerika und resümiert kurz ihre gesellschaftlichen resp. Potenzen und die Bedingungen erfolgreicher Erhebungen der Bauernschaft.Während der Autor sich damit in einer ungebrochenen, revolutionstheoretischen Traditionslinie des Marxismus hält, konstatierte Eric Hobsbawm in seiner „Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts“ für dessen zweite Hälfte demgegenüber den „Untergang des Bauerntums“ in seiner bisherigen Rolle für antikapitalistische Bewegungen. Und zwar nicht nur im Metropolenkapitalismus, sondern auch in weiten Teilen der Peripherie resp. „Dritten Welt“. Ein für Hobsbawm ebenso dramatischer wie weitreichender „Wandel, der uns für immer von der Welt der Vergangenheit getrennt hat“. Eine These, der Pittler, ohne explizit auf den großen britischen Historiker einzugehen, im von der Arbeiterbewegung angetretenen Erbe der Großen Bauernkriege und dessen historisch Unabgegoltenem und weiter Wirkmächtigem widerspricht.

Als sich vor 500 Jahren die Bauern Mitteleuropas gegen die Diktatur des Adels und der Kirche stellten, begannen sie damit bei weitem nicht den ersten Bauernaufstand in der Geschichte, aber fraglos stellte ihr Widerstand die größte politische Erschütterung der frühen Neuzeit dar.1

Schon sehr früh in der gesellschaftlichen Entwicklung erkannten die Menschen, dass es ihr Leben (und Überleben) substantiell sicherte, wenn sie sich nicht länger darauf verließen, zufällig auf Wild oder auf Obst und Gemüse zu stoßen. Die Landwirtschaft war geboren und bildet bis heute das Rückgrat fast aller menschlichen Existenz. Doch je nach gesellschaftlicher Entwicklungsstufe gerieten die Bauern früher oder später unter das Joch jener, die sich die Herrschaft über ihre Mitmenschen angeeignet hatten.

Logische Konsequenz aus diesen Prozessen war der Widerstand der so Unterworfenen. Schon die Antike kennt Bauernaufstände, in Griechenland ebenso wie im alten Rom, und jene im fernen China wurden sogar derart legendär, dass sie bis in unsere Tage die Grundlage für mehr oder weniger reißerische TV-Serien abgeben. Ähnlich wie die europäischen Legenden vom „Goldenen Zeitalter“ kennen auch die Chinesen eine solche Epoche, die im „Buch der Riten“ beschrieben wird. Praktisch jede Bauernerhebung bis ins tiefe Mittelalter berief sich auf die darin beschriebene Ordnung, in der Gleichheit und gerade deswegen „große Eintracht“ (da tong) herrschte.2 Dieses Prinzip war derart tief in der Bauernschaft verwurzelt, dass selbst Mao Tse-tung bei der Ausarbeitung seiner sozialistischen Vorstellungen vom Arbeiter- und Bauernstaat darauf Bezug nahm.3 Nicht vergessen werden darf an dieser Stelle das „Neue Testament“ der Bibel, wo es in der Apostelgeschichte (4,32) heißt: „Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam.“ Diese Passage sollte zum Kernpunkt der europäischen Bauernbewegungen am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit werden.

Vorläufer

Die damit einhergehenden gesellschaftlichen Verwerfungen sorgten nämlich dafür, dass der Adel, um seinen Lebensstandard halten zu können, sich an der Bauernschaft schadlos hielt. Immer mehr althergebrachte Rechte wurden widerrufen und den (früh)kapitalistischen Bedürfnissen unterstellt – heute würde man davon sprechen, dass ein dringend erforderlicher Sparkurs die Kürzungen von Sozialleistungen unabdingbar mache. Die Herrschenden eigneten sich freies Gemeindeland ebenso an wie vormals freie Weideflächen, und selbst Jagd- und Fischgründe standen mit einem Mal nicht mehr allen offen, sondern wurden „privatisiert“. Dazu kam, dass die Preise, welche die Bauern für ihre Produkte erhielten, immer mehr gedrückt wurden, sodass eine ganze Klasse bald mit dem Rücken zur Wand stand. Und da diese Entwicklung in Westeuropa schneller verlief als in der Mitte des Kontinents, traten auch dort die ersten Aufstände der Bauernschaft auf.4

Angesichts der völligen wirtschaftlichen Zerrüttung, die der hundertjährige Krieg zwischen England und Frankreich bedingte, waren die Bauern auf beiden Seiten des Ärmelkanals praktisch ihrer Existenzgrundlage gänzlich beraubt.5 Und so erhoben sich die französischen Landwirte 1358 spontan gegen ihre Unterdrücker, ein Aufstand, der den Adel völlig unvorbereitet traf.6

An die Spitze der „Jacquerie“ (benannt nach der traditionellen Bekleidung der französischen Bauern) trat ein gewisser Guillaume Caillet, welcher der Erhebung ein politisches Programm gab.7 Zwischen Bauernschaft und Herrschaft habe es, so Caillet, eine Übereinkunft gegeben. Die Bauern lieferten einen Teil ihres Unterhalts dafür ab, dass die Herrschenden sie im Ernstfall (militärisch) beschützten. Doch Letztere hätten ihren Teil der Vereinbarung nie eingehalten, weshalb sich die Bauern ihrerseits nicht mehr daran gebunden zu fühlen brauchten. Diese sei vielmehr null und nichtig, weshalb die Bauern auch wieder die Wälder und die Flüsse, das Brachland und die Weideflächen als für jedermann nutzbar betrachten dürften.8

An dieser Stelle zeigte sich, wie schnell sich rivalisierende Eliten einigen könnten, wenn sie die Grundpfeiler ihrer Herrschaft bedroht sehen. England und Frankreich schlossen nicht nur einen sofortigen Waffenstillstand, sie stellten auch ein gemeinsames Heer gegen die Bauern auf, für das auch noch flandrische und deutsche Söldner angeworben wurden, das im Juni 1358 ein regelrechtes Gemetzel unter den Bauern veranstaltete. Zigtausende starben schon am Schlachtfeld, andere später unter dem Beil des Henkers.

Ein ähnlich betrübliches Endresultat zeitigte 1381 die Revolte des Wat Tyler in England, dessen Mitstreiter John Ball wir das berühmte „Als Adam grub und Eva spann, wo war da der Edelmann“9 verdanken. Und letztlich scheiterten auch die Hussiten nach dem Tod ihres militärisch gut geschulten Anführers Jan Žižka,10 nachdem es den Herrschenden gelungen war, die Bewegung mit allerlei Winkelzügen zu spalten und zu desorganisieren. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts schien die Widerstandskraft der Bauern erlahmt, wenn nicht gar gebrochen. Doch nur wenige Jahrzehnte später erstand die Bewegung in größerer Form denn je.

Die mitteleuropäischen Bauernkriege

Am Ende des 15. Jahrhunderts erreichten die sozio-ökonomischen Verwerfungen auch Mitteleuropa. Bevölkerungswachstum bei sinkenden Erträgen brachte das Konzept des Feudalismus in eine Krise, die durch daraus erwachsende Verteilungskriege verschärft wurde.11 Mehr und mehr Bauern gerieten durch die verheerenden politischen Rahmenbedingungen in Not und Elend. Sie verloren ihren kärglichen Besitz und mussten nicht selten in die Städte abwandern, um sich dort dem prekarisierten Proletariat anzuschließen. Denn die Städte strebten am Ende des Mittelalters unverkennbar nach oben. Handel und Gewerbe blühten in Süddeutschland und am Rhein auf, damit einher ging steigender Luxus und die Herausbildung einer neuen Klasse, die der Kauf- und Manufakturherren, deren Reichtum bald jenen der Landbesitzer überstrahlte.12 Um mit der urbanen Konkurrenz mithalten zu können, beutete die rurale Aristokratie die Bauernschaft noch rücksichtsloser aus und entzog dieser die wenigen Rechte, die ihr noch geblieben waren. Gemeindeland wurde nunmehr endgültig zu Herrenland, die ehedem noch freien Bauern zu Leibeigenen, ein Konzept, das es schon zu Zeiten Karls des Großen gegeben hatte, das sich aber erst nach 1450 in vollem Umfang durchsetzte. Denn wollte die alte Klasse der Landbesitzer mit den Städtern mithalten, dann musste sie aus ihrem Besitz weit mehr Ertrag herausholen als jemals zuvor, oder, wie es Engels formuliert: „Die kapitalistische Periode kündete sich an auf dem Lande als Periode des landwirtschaftlichen Großbetriebs auf Grundlage der leibeigenen Fronarbeit.“13

Wenig verwunderlich also, dass sich dagegen rasch Widerstand regte. Bereits 1476 war Hans Böhm gegen diese Tendenzen aufgetreten, indem er sie als der Lehre Christi widersprechend angeprangert hatte. Prompt landete er für diese „Ketzerei“ auf dem Scheiterhaufen.14

Die Unterdrückung ging uneingeschränkt weiter, so etwa auch im Bistum Speyer, dessen Bischof kostspielige Bauten durch Erhöhung der Abgaben und Einschränkung der Forst-, Weide- und Fischereirechte seiner Untertanen finanzierte. Diese fanden in dem ehemaligen Leibeigenen und späteren Landsknecht Joß Fritz ein Sprachrohr.15 Dieser entwarf nicht nur ein für Freund und Feind erkennbares Symbol des Widerstandes – die Bundschuhfahne –, er goß den Unwillen der Bauernschaft auch erstmals in ein politisches Programm. 14 Artikel sollten eine Art Verfassung darstellen, auf deren Grundlage das Verhältnis zwischen Obrigkeit und Untertan neu geregelt werden sollte. Im Gegensatz zu den späteren „12 Artikel von Memmingen“ fanden diese jedoch keine weitreichende Verbreitung, da die Möglichkeiten der Vervielfältigung damals noch nicht gegeben waren. Fritz selbst scheiterte mit seinen Aufstandsversuchen sowohl in Speyer als auch später in der Schweiz, doch der „Bundschuh“ als Symbol bäuerlichen Widerstands entfaltete weit über Fritz hinaus politische Wirkung.

1515 brach in Kärnten und der südlichen Steiermark ein Bauernaufstand aus, der als der „windische (altes Wort für slowenisch) Bauernkrieg“ in die Annalen einging. Hintergrund für den dortigen Aufruhr war die zunehmende ökonomische Not der Bauernschaft im Gefolge der stetig zunehmenden Türkeneinfälle in der Region. Nicht nur, dass deren Streifzüge etliche Besitztümer verwüsteten und vernichteten, die gleichzeitig eingetriebenen „Türkensteuern“, aus denen vorgeblich der Schutz vor eben diesen Einfällen finanziert werden sollten, brachten nur noch mehr Landwirte ins Elend.16

Im März 1515 erhoben sich die Bauern in Krain gegen ihre Grundherren, die Grafen Thurn, die seit 1507 die Herrschaft über das Land ausübten. Den Bauern gelang es, sowohl den Grafen Thurn als auch dessen Verwalter zu erschlagen, doch führte dies dazu, dass Kaiser Maximilian I. umgehend ein Söldnerheer in den Süden entsandte, um den Aufstand gewalttätig zu ersticken.17 Die professionellen Truppen wurden der Aufständischen rasch Herr und vernichteten das Bauernheer endgültig im August 1515. Die Anführer des Aufstandes wurden hingerichtet, allein in Graz wurden 161 Menschen exekutiert. Zur Beseitigung der von den Herrschenden behaupteten Schäden wurden den Bauern zusätzliche Steuern und Arbeitspflichten auferlegt. Bis heute wird der „Windische Bauernkrieg“ als mitwirkender Faktor bei der Entwicklung des slowenischen Nationalgefühls bewertet.18

Von der Freiheit eines Christenmenschen

Es war Martin Luther, der 1520 mit seiner Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ eine neue Bewegung in der Bauernschaft anstieß. Dank seiner Ausführungen erkannten sie, dass die Herrschaft des Feudaladels christlichen Prinzipien umfassend widersprach. 50 Vertreter der bäuerlichen Gesellschaft aus Thüringen, Sachsen, Franken, Hessen, aber auch Oberösterreich und Tirol versammelten sich im Frühjahr 1525 in Memmingen, wo sie die berühmten zwölf Artikel beschlossen, die besagten, dass die Herrschaft des Adels unchristlich sei. Gott habe, so statuierten sie, die Natur und das Vieh allen zur gleichen Nutzung gegeben, und der Einzelne sei niemandes Untertan. Dies seien, so hieß es, unverrückbare Wahrheiten, die sie nur dann widerrufen würden, wenn man ihnen anhand der Bibel beweise, dass es anders sei. Und da die Bauern die neuen Möglichkeiten für sich entdeckt hatten, ließen sie ihre zwölf Artikel in gewaltiger Auflage drucken und unters Volk bringen.19

Naturgemäß reagierte die Elite prompt und gnadenlos. Als sie einiger Bauernvertreter habhaft wurde, statuierte sie an diesen ein Exempel, nicht ahnend, damit den Aufstand erst zu initiieren. Binnen weniger Tage waren weite Teile des deutschsprachigen Raums in offenem Aufruhr. Die Bauern hatten das Überraschungsmoment für sich und konnten eine Vielzahl an „befreiten Territorien“ schaffen, in denen sie darangingen, die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen umzugestalten.

Möglich wurde dieser – letztlich nur kurzfristige – Triumph durch ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren, so die innere Spaltung der Feudalherren in Katholiken und Protestanten, die Widersprüche zwischen altem Land- und aufstrebendem Geldadel und schließlich auch durch den Umstand, dass sich einige geschulte Militärs wie etwa Florian Geyer20 an die Seite der Bauern stellten, weshalb sie in den bewaffneten Auseinandersetzungen zunächst das Momentum auf ihrer Seite hatten. Theologen wie Thomas Müntzer oder Andreas Karlstadt gaben der Bewegung zudem ein progressives theoretisches Fundament, sodass die Gegner der Bauern beträchtliche Mühe hatten, aus der Defensive wieder herauszufinden.

Unter Geyers Führung hatten die Bauern im Frühjahr 1525 gewaltige Erfolge errungen. Sie nahmen Stuttgart ein und schufen dort das Zentrum einer, wenn man so will, demokratischen Bauernrepublik. Doch trotz seiner unzweifelhaften Erfolge gelang es Geyer nicht, seine Mitstreiter davon zu überzeugen, dass nur ein Zusammenschluss auf überregionaler Ebene eine Chance bot, der Zentralgewalt zu trotzen. Vor allem sein Vorschlag, sich mit den – zu dieser Zeit ebenfalls rebellierenden – Bergarbeitern und dem entstehenden Stadtproletariat zu verbünden, stieß auf taube Ohren. So konnten die Feudalherren die Bauern der Region in mehreren großen Schlachten getrennt schlagen, nachdem Geyer schon zuvor einem Attentat zum Opfer gefallen war.

Ähnlich erging es der Bauernschaft des Neckartals und des Odenwalds, die zeitweise unter der Führung des berüchtigten Ritters Götz von Berlichingen gestanden war, und auch in Württemberg verloren die Bauern nach der Schlacht bei Böblingen ihren Kampf. In Thüringen, wo sie unter der Anleitung von Thomas Müntzer21 standen, hielten sie sich einige Zeit länger. Müntzer war wahrscheinlich unter den Aufständischen der mit Abstand radikalste, dessen Losung „omnia sint omnes communia“ (allen sei alles gemeinsam), eine Art Vorläufertum marxistischer Ideologie postulierte. Aus dem Wort Gottes, so Müntzer, lasse sich kein Recht auf Privateigentum ableiten, weshalb kein Besitz gottgefällig sein könne. Wahrhaft christlich sei nur völlige Gütergemeinschaft, wobei jedem nach seinem Bedürfnis und nach den objektiven Gegebenheiten gegeben werden solle. Deshalb müsse die alte Herrschaft gestürzt und keine neue Herrschaft errichtet werden als jene Gottes, vor dem alle Menschen gleich seien.22 Mit solchen Aussagen sicherte sich Müntzer nicht nur die Zustimmung der Bauern, sondern auch jene des städtischen Proletariats, das vom Aufstieg der Städte in keiner Weise profitiert hatte.

Im April 1525 hatten sich in Gehren und Langewiesen die Vertreter von zehn Schwarzburger Gemeinden zur Bildung eines Evangelischen Brüderlichen Bundes getroffen. Sie forderten die übrigen Orte der Grafschaft durch Briefe und Gesandte auf, dem Bund beizutreten und sich den Forderungen der in Gehren versammelten „Bauern des Waldhaufens“ anzuschließen. Am 23. April 1525 zogen die Bauern nach Stadtilm, wo die Grundherren abgesetzt wurden. Die Nachricht von diesem Sieg verbreitete sich rasch im Rudolstädter Gebiet, worauf weitere Bauern aus der Schwarzburger Oberherrschaft nach Stadtilm kamen und sich den Aufständischen anschlossen. Die vereinigten Bauernhaufen aus Gehren und Stadtilm zogen vor die Tore Arnstadts und trugen dem dortigen Grafen ihre Forderungen vor. Angesichts der Streitmacht des auf 8.000 Mann angewachsenen Bauernhaufens erkannte der Graf diese an, worauf die Hauptleute der Bauern den Abzug und die vorläufige Auflösung des Bauernhaufens veranlassten. Nach der Niederlage der Bauern bei Frankenhausen nahm Kurfürst Johann der Beständige die Zusagen an die Bauern und Stadtbürger zurück. Arnstadt erhielt eine harte Geldstrafe und verlor seine Privilegien. Die Anführer des vereinigten Bauernheeres wurden gefangen und am 17. Juni bzw. 9. August 1525 in Arnstadt hingerichtet.

Die Schlacht bei Frankenhausen am 15. Mai 1525 war eine der bedeutendsten Schlachten während des Deutschen Bauernkriegs. In ihr wurden die von Müntzer geführten aufständischen Bauern Thüringens von einem Fürstenheer vollständig besiegt. Müntzer selbst wurde gefangen genommen und am 27. Mai in Mühlhausen enthauptet, nachdem er auf die Festung Heldrungen gebracht und gefoltert worden war.23

Die Niederlage der Bauern hatte übrigens Luther maßgeblich mitverschuldet, der flugs die Seiten gewechselt und sich an die Seite der neuen Elite, der protestantischen Landesfürsten, gestellt hatte. In seiner Schrift „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“, die explizit gegen die egalitären und umverteilerischen Absichten der Bauernheere Stellung nahm, ermächtigte er die herrschende Klasse, die Bauern wie „einen tollen Hund“ totzuschlagen.24 Wenig verwunderlich also, dass Müntzer in einer seiner letzten Schriften Luther des Verrats zieh: „Bruder Mastschwein, Gevatter Leisetritt, hast du das Recht um deiner Suppe willen verkauft?“25 An dieser Stelle rückte sogar Philipp Melanchthon zur Verteidigung Luthers aus, indem er darauf verwies, die Bibel fordere im Gleichnis Jesu („Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“) sehr wohl Gehorsam gegenüber der Obrigkeit.26 Das freilich änderte nichts daran, dass Luthers Ruf im Volk dahin war. Wer in jenen Tagen religiös dachte, der suchte Anschluss an diverse Freikirchen wie den Brüdergemeinden, das „Augsburger Bekenntnis“ hingegen wurde zum gesellschaftlichen Kennzeichen einer neuen Oberschicht, die sich überraschend schnell mit ihrem katholisch gebliebenen Klassengenossen einigte.

Die Bauernaufstände endeten für die deutsche Bauernschaft verheerend. Von rund 150.000 Menschen, die sich erhoben hatten, erlebten 100.000 das folgende Jahr 1526 nicht. Einzelne Schergen der Fürstenmacht rühmten sich, eigenhändig über 1.000 Bauern justifiziert zu haben.27 Die Herrschenden schufen eigene Polizeieinheiten, die kontrollierend durch die Lande streiften, sie zahlten Spitzel, um die verbliebene Bevölkerung auszuhorchen, und sie verordneten neue Steuern und Abgaben, um die Werktätigen noch mehr auspressen zu können. Die erste Volksrevolution auf deutschem Boden, sie endete in einer Katastrophe für die unterdrückten Massen.

Die Bauernschaft in Österreich

So waren in Mittel- und Ostdeutschland bereits die meisten Bauern besiegt, als sich deren Genossen in Salzburg und Tirol eben erst erhoben. Hier erhielten sie durch Michael Gaismair ein nachgerade revolutionäres Programm, das weit über die damalige Zeit hinauswies.28 Gaismair schwebte dabei ein Mix aus selbstverwalteten Kommunen einer- und freien Landsgemeinden andererseits vor, eine Ordnung, in der für Feudalherren kein Platz welcher Art auch immer vorgesehen war. Später ging er sogar noch einen Schritt weiter und wurde zum Republikaner. In seiner „Tiroler Landesordnung“ sprach er sich für die Abschaffung von Adel und Klerus aus, an ihre Stelle sollte eine direkt vom Volk gewählte Regierung treten, die jedoch ihre Funktion ehrenamtlich neben ihrem eigentlichen Beruf ausübt. Bergwerke, Banken und Handelsgesellschaften sollten vergesellschaftet, Klöster in Krankenhäuser umgewandelt werden. Die Gesellschaft als ganzes sollte es übernehmen, die Arbeiter für ihr Schaffen zu entlohnen, die so geschaffenen Güter sollten im Gegenzug zum Selbstkostenpreis an die Konsumenten abgegeben werden. Alle öffentlichen Ämter sollten maximal ein Jahr – eben ehrenamtlich – ausgeübt werden, und die Funktionsträger sollten darüber wachen, dass es weder zu einer Überproduktion noch zu einem Mangel kommt, weshalb die ganze Wirtschaft geplant und zentral gelenkt werden solle. In vielem liest sich Gaismairs Entwurf wie eine Vorwegnahme kommunistischer Wirtschaftskonzepte, 29 kein Wunder also, dass auch hier die Heere der Herrschenden rasch in Marsch gesetzt wurden. Nach anfänglichen Siegen in Abtenau und am Pass Lueg wurden die Bauern wie auch in deutschen Landen vernichtend geschlagen, womit die Bewegung ihr Ende fand.

Anmerkungen:

1/ Andreas Pittler/Helena Verdel: Der große Traum von Freiheit. 30 Rebellen gegen Unrecht

und Unterdrückung. Wien 2010, S. 11ff.

2/ Als Beispiel sei der Aufstand der „Gelben Turbane“ angeführt, der Ende des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts als egalitäre Bewegung begann und zum Untergang der Han-Dynastie beitrug. Siehe dazu u.a. Lin Piao: Es lebe der Sieg im Volkskrieg. Peking 1968, S. 59ff.

3/ Mao Tse-tung: Klassen in der chinesischen Gesellschaft, in: Ausgewählte Werke, Bd. 1. Peking 1975, S. 12.

4/ Pittler/Verdel: Traum, S. 12.

5/ Friedrich Engels: Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, in: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke (MEW), Bd. 22, Berlin 1979, S. 291.

6/ Siehe dazu u.a. Maurice Dommanget: La Jacquerie. Paris 1971; Jean Froissart: Chronicles. London 1978.

7/ Vgl. Jonathan Sumption: Trial by Fire. London 1999.

8/ Pittler/Verdel: Traum, S. 15.

9/ Froissart: Chronicles, S. 212.

10/ Pittler/Verdel: Traum, S. 22–31.

11/ Friedrich Engels: Zur Bauernfrage, in: MEW, Bd. 22, S. 19.

12/ Ebd., S. 21.

13/ Ebd., S. 23.

14/ Will Peuckert: Die große Wende. Darmstadt 1976, S. 282ff.

15/ Wilhelm Zimmermann: Der große deutsche Bauernkrieg. Berlin 1989, S. 46ff.

16/ Autorenkollektiv: Slovenski kmečki upor. Ljubljana 1998, S. 45.

17/ Bogo Grafenauer: Boj za staro pravdo. Ljubljana 1974.

18/ Siehe dazu u.a. Edvard Kardelj: Die Entwicklung der slowenischen nationalen Frage. Klagenfurt 1974.

19/ Pittler/Verdel: Traum, S. 42.

20/ Vgl. Christa Dericum: Des Geyers schwarzer Haufen. München 1980.

21/ Gerhard Wehr: Thomas Müntzer. Reinbek bei Hamburg 2002, S. 112–129.

22/ Veit Dieterich: Die Reformatoren. Reinbek bei Hamburg 2001, S. 39.

23/ Wehr: Müntzer, S. 127.

24/ Dieterich: Reformatoren, S. 40.

25/ Arnulf Zitelmann: Ich will donnern über sie. Weinheim 1999, S. 169.

26/ Philipp Melanchthon: Werke, Bd. 1. Leipzig 1997, S. 293.

27/ Dieterich: Reformatoren, S. 42.

28/ Pittler/Verdel: Traum, S. 50.

29/ Ebd., S. 51.

Quelle: KOMintern

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