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Haltung zurückgezogen

Übernommen von Unsere Zeit:

Am vergangenen Samstag diskutierte die Partei „Die Linke“ auf ihrem 10. Landesparteitag in Berlin über mehrere Anträge zum Thema Palästina. Ein Antrag forderte die Partei auf, die Position zu übernehmen, dass die Situation in Gaza einen Völkermord darstellt. Er enthielt auch eine Reihe konkreter Forderungen, darunter für ein Waffenembargo gegen Israel, für den uneingeschränkten humanitären Zugang, ein Ende der Besatzung und den Schutz der demokratischen Rechte derjenigen, die gegen den Völkermord protestieren.

Ein zweiter Antrag befasste sich mit der Entkriminalisierung der Kampagnen „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS) und „Palestinian Campaign for the Academic and Cultural Boycott of Israel“ (PACBI) und thematisierte das historische Versagen der Partei in Bezug auf diese Bewegungen. Zu den Antragstellern gehörten die Landesarbeitsgemeinschaft Palästinasolidarität, „Die Linke“ in Neukölln und Steglitz-Zehlendorf, der Studierendenverband SDS.Berlin sowie die Linksjugend (solid) Berlin.

Beide Anträge wurden zurückgezogen, aber ein weiterer Antrag, der erklärtermaßen darauf abzielte, die „Polarisierung“ zu entschärfen, wurde angenommen: „Berlin verbindet – Solidarität über Grenzen hinweg“. Der verabschiedete Antrag behandelt den Begriff „Völkermord“ quasi als Meinungsfrage und versucht, eine Symmetrie zwischen Kolonisatoren und Kolonisierten herzustellen. Die Linksjugend versuchte, eine explizite Beschreibung der Situation als Völkermord in einen vom Landesvorstand vorbereiteten Antrag aufnehmen zu lassen, wurde jedoch letztendlich überstimmt und unterlag.

„Die Linke“ versäumt es weiterhin, eine klare Haltung zur Solidarität mit Palästina einzunehmen. Trotz des in der „Linken“ umstrittenen Beschlusses zur Annahme der Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus auf dem Bundesparteitag im Mai dieses Jahres tritt die Partei in dieser Frage weiterhin gespalten auf.

Seit 2023 haben Solidaritätsproteste für Palästina Millionen Menschen weltweit auf die Straße gebracht. In dieser Zeit stand „Die Linke“ am Rande der Debatten und war, abgesehen von Minderheitengruppen, nicht an Solidaritätsaktionen beteiligt. Führende Kräfte in der Partei reproduzierten die Narrative der Kolonialherren. Mehrere Mitglieder bezeichneten die Palästina-Solidaritätsbewegung als „antisemitisch“, stellten den Widerstand als Terrorismus dar oder bezeichneten die Hamas sogar als „faschistische Organisation“.

Selbst nach einer leichten Positionsverschiebung und dem Aufruf zu einer Großdemonstration in Berlin weigerte sich die Gesamtpartie weiterhin, den Begriff „Völkermord“ zu verwenden. Kerstin Wolter, die Berliner Landesvorsitzende, sprach in ihrer Rede auf dem Landesparteitag von einem Konflikt zwischen Israel und Palästina und fügte hinzu: „Der Nahostkonflikt wird nicht in Berlin gelöst.“ Offenbar sieht sie die BRD nicht als Mittäterin am Völkermord und arbeitet deshalb darauf hin, den Widerstand zu demobilisieren.

Elif Eralp, die frisch gewählte Spitzenkandidatin für die kommenden Bürgermeisterwahlen in Berlin, versuchte, die Sache rechnerisch abwägend zu lösen – mit einer falschen Gleichung: „Die Verbrechen der einen Seite können nicht die Verbrechen der anderen Seite legitimieren.“ Eine Rhetorik, die Angriffen auf den palästinensischen Widerstand Vorschub leistet. Die Verurteilung Israels durch „Die Linke“ verzichtet, wenn sie überhaupt erfolgt, weitgehend auf politische Inhalte. Stattdessen werden moralische Fragen in den Vordergrund gerückt. Die Nichtanerkennung der Situation als koloniale Besatzung macht die Partei am Ende zum Werkzeug der „Staatsräson“.

Es stimmt zwar, dass politische Positionen nicht spontan entstehen und dass die eingereichten Anträge daher einen Versuch darstellten, diese Position anzufechten. Doch muss man auch berücksichtigen, dass „Die Linke“ nach mehr als zwei Jahren Völkermord und über 77 Jahren Nakba immer noch zögert, elementare Solidaritätspositionen einzunehmen. Fast schon ironisch erschien vor diesem Hintergrund das Motto des Landesparteitags: „Mutig für ein anderes Berlin“.

Quelle: Unsere Zeit

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