Übernommen von KOMintern:
Nach dem Fehlstart der Metaller und dem Canossagang des Öffentlichen Diensts hat nun auch der Handel in einem gewerkschaftlichen Offenbarungseid sondergleichen eine offene gewerkschaftliche Bankrotterklärung hingelegt.
Vor dem desaströsen Fehlstart der beiden erstgenannten nahm der KV-Herbst bekanntlich seine weitere Fahrt auf und traten die weiteren Branchen turnusgemäß in ihre Tarifverhandlungen ein. Dabei kam es im Handel, in dem aufgrund der anhaltenden hohen Inflation vereinbarungsgemäß Nachverhandlung des Zweijahresabschluss von 2024 für nächstes Jahr fällig wurden, nun zur nächsten gewerkschaftlichen Bruchlandung.
So schlossen die GPA KV-Verhandler:innen in der ohnehin notorischen Niedriglohnbranche, in der die Gehälter eines erheblichen Teils der Beschäftigten sogar unter der EU-offiziellen Armutsgefährdungsschwelle (EU-SILC) liegen, das dritte Jahr in Folge unter der Inflation ab. Und die in der Branche hier und dort über den kollektivvertraglichen Mindestlöhnen liegenden IST-Lohn-Bestandteile werden gleich gar nicht erhöht.
„Mit dieser nachhaltigen Gehaltserhöhung“, so indes Gewerkschafts-Chefverhandler Mario Ferrari, „kann man sich schon sehen lassen.“ Mehr Realitätsverleugnung geht gewerkschaftlich kaum mehr.
Dazu passt auch das Novum, dass die GPA bereits mit einer Gehaltsforderung unter (!) der rollierenden Inflation in die KV-Verhandlungen ging, der vielbeschworene „sozialpartnerschaftliche Kompromiss“ sich also einzig darum drehte, wie hoch der bereits im Vorfeld von beiderlei „Partnern“ besiegelte Reallohnverlust ausfallen wird. Und so traf man sich schließlich in der Mitte zwischen den beiden präferierten Reallohnverlustoptionen der Gewerkschaft und der Wirtschaftsvertreter.
Die ganze Groteske dieses schmählichen Abschlusses erschließt sich allerdings, wenn man bedenkt, dass die heurigen Tarifverhandlungen nach dem eigentlichen Zweijahresabschluss des Vorjahrs bis 2026 erst fällig wurden, weil die Teuerung unvermindert hoch liegt und man vereinbart hatte, im Falle einer rollierenden Inflation über 3% für 2026 nochmals nachzuverhandeln. Wären die Gehaltserhöhungen bei der seinerzeit erwarteten nominellen Inflation von 2,5% mit 2,9% knapp über dieser gelegen, haben die Nachverhandlungen aufgrund der drückenden hohen Inflation dieses kleine Plus mit nunmehr bloßen 2,55% ins direkte Minus geschraubt und selbst noch ein erkleckliches Maß der eigentlich paktierten Gehaltserhöhung kassiert. Und das auch noch vor dem Hintergrund eines wiedereingesetzten wirtschaftlichen Aufwärtstrend im Handel. Und die GPA-Spitzen labern von einem ‚guten Abschluss‘. Hat man Worte?
Damit liegt es in den weiteren KV-Verhandlungen am zunehmend konfliktbereiteren und klassenkämpferischen Sozialbereich, dass aus den Bankrotterklärungen des heurigen KV-Herbstes kein Präjudiz wird und die Gewerkschaften nicht einen generellen Bauchfleck hinlegen.
Ob und wie weit sich die Gewerkschaften überhaupt noch zu behaupten vermögen, hängt – neben den noch in den KV-Auseinandersetzungen stehenden Branchen und Sektoren – immer maßgeblicher davon ab, ob es gelingt den ÖGB – zumindest partiell – aus dem Stahlgriff seiner „sozialpartnerschaftlichen“ Einbindung und Integration herauszubrechen und die Gewerkschaften wieder in ein Kampfinstrument der Arbeitenden zu verwandeln.
Quelle: KOMintern

