Startseite / Deutschland / Medien / UZ - Unsere Zeit / Trotz Waffenstillstand: Völkermord geht weiter

Trotz Waffenstillstand: Völkermord geht weiter

Übernommen von Unsere Zeit:

Seit dem 10. Oktober gilt in Gaza offiziell ein „Waffenstillstand“ – doch Israel hat ihn bereits mehr als 700 Mal gebrochen. Zu diesen Verstößen zählt die Einschränkung humanitärer Hilfe: Essen, Medizin, Kleidung, Zelte und Decken sind nach wie vor Mangelware.

Zudem kommt es weiterhin zu Plünderungen von Hilfslieferungen durch von Israel unterstützte bewaffnete Gangs. Die bekannteste von ihnen verlor letzte Woche ihren Anführer, Yasser Abu Shabab. Der Warlord befand sich in von Israel kontrolliertem Gebiet, als er tödlich verletzt wurde. Gerüchte reichen von einer Liquidierung durch die Qassam-Brigaden bis zu einem Duell mit seinem Stellvertreter.

Entführungen und systematische Folter

Ein weiterer Verstoß Israels besteht in der willkürlichen Verschleppung von dutzenden Menschen aus Gaza. Teilweise werden die Gefangenen nach einigen Stunden der Misshandlung wieder entlassen. Andere landen als Geiseln in den Folterknästen. Wieder andere „verschwinden“.

Immer wieder wurden in Gaza nach dem Rückzug der israelischen Armee (IDF) Massengräber entdeckt. Die Leichen haben nicht selten gefesselte Hände. Wie ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Physicians for Human Rights – Israel (PHRI) von November (PDF) feststellt, wurden in israelischen Gefängnissen seit Oktober 2023 mindestens 94 Palästinenser ermordet. Das Palestinian Centre for Human Rights (PCHR) veröffentlichte ebenfalls im November einen neuen Bericht über systematische Folter durch die IDF. Dazu gehören Gruppenvergewaltigungen und Vergewaltigungen durch Hunde.

Neue Morde und weitere Annexionen

Wie wenig die Waffen in Gaza still stehen, wird am deutlichsten an der Tatsache, dass Israel in den letzten beiden Monaten mindestens 377 Palästinenser ermordet hat (Stand 9. Dezember 2025). Das Gesundheitsministerium (PGM) in Gaza zählt allerdings nur von ihm registrierte Tote. Viele der Opfer wurden erschossen, weil sie die „gelbe Linie“ überschritten haben, die die Waffenstillstandsgrenze markiert. Sie ist allerdings an vielen Stellen nicht gekennzeichnet, so dass Menschen sie häufig unwissentlich überschreiten. Andere riskieren bewusst ihr Leben, weil nur wenige Meter hinter ihr ihr Haus liegt.

Laut Trump-Plan soll die „gelbe Linie“ nur vorübergehend gelten, offizielles Ziel ist der Abzug der IDF aus Gaza. Am Sonntag erklärte IDF-Chef Eyal Zamir sie jedoch zur „neuen Grenze“. Da Israel seine Staatsgrenzen bis heute nicht definiert, sie aber immer wieder mittels Aggression und Annexion ausgeweitet hat, muss Zamirs Aussage als Ankündigung der dauerhaften Besetzung von 54 Prozent des Gaza-Streifens interpretiert werden.

Nicht vom PGM erfasst wurden auch die Dutzenden Widerstandskämpfer, die Israel in den letzten zwei Monaten in Rafah getötet haben soll. In dem von der IDF kontrollierten Gebiet halten sich noch bis zu 200 Brigadisten in Tunneln auf. Anstatt ihnen den Rückzug hinter die „gelbe Linie“ zu gewähren, macht die IDF erbarmungslos Jagd auf sie. Die Israelis wollen offenbar die Chance nutzen, hunderte weitere Palästinenser und noch dazu eine ganze bewaffnete Kompanie zu vernichten – trotz Waffenstillstands und des Anspruchs der Kämpfer auf Kriegsgefangenenstatus.

100.000 Tote und kein Ende in Sicht

Es ist derselbe Vernichtungswille, der den gesamten Genozid seit Oktober 2023 kennzeichnet. Zu dessen Ausmaß liegen seit kurzem neue Zahlen vor. Das PGM spricht von 70.366 Toten (Stand 9. Dezember 2025). Eine Studie der Max-Planck-Gesellschaft kam allerdings zu dem Schluss, „dass die Zahl der gewaltsamen Todesfälle derzeit wahrscheinlich 100.000 übersteigt.“

Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International, warnte kürzlich vor einer „gefährlichen Illusion“ in den Waffenstillstand. „Die Welt darf sich nicht täuschen lassen: Der Völkermord Israels ist noch nicht vorbei.“

Quelle: Unsere Zeit

Markiert: