Rede des russischen Außenministers Sergej Lawrow bei der Sitzung des UN-Sicherheitsrats zum Thema Afghanistan am 19. Januar 2018

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

Sehr geehrter Generalsekretär,

Kollegen,

Vor allem möchte ich die konsequente verantwortungsvolle Herangehensweise Kasachstans an die Förderung der für Zentralasien vorrangigen Fragen sowie die Orientierung auf die Lösung von konkreten Problemen, die vor den Ländern der Region stehen, hervorheben.

Wir begrüßen die Initiative unserer kasachischen Freunde über die Durchführung der heutigen Sitzung zu einem für viele Länder aktuellen Thema.

Es gewinnt besondere Bedeutung vor dem Hintergrund der steigenden Terror- und Drogenbedrohung aus Afghanistan, die einen destabilisierenden Einfluss auf Zentralasien ausübt und sich auch über seine Grenzen hinaus verbreitet.

Der Norden Afghanistans verwandelt sich in den Stützpunkt des internationalen Terrorismus unter Leitung des afghanischen IS-Flügels, der im Geiste der berüchtigten „Kalifat“-Ideologie ein Aufmarschgebiet für die Umsetzung von destruktiven Vorhaben in der Region schafft. Bei der unverhohlenen Duldung und manchmal direkten Unterstützung der externen und heimischen Sponsoren vereinigen sich unter die „Fahnen“ der IS-Kämpfer Tausende Kämpfer verschiedener Nationalitäten, darunter die in Syrien noch am Leben gebliebenen Dschihadisten. Sie erklären offen zu ihrem Ziel den Sturz von legitimen Behörden der zentralasiatischen Staaten sowie die Verbreitung ihres Einflusses auf dem ganzen eurasischen Raum.

Im vergangenen Jahr wurde der präzedenzlose Wachstum afghanischer Drogenproduktion festgestellt, worüber mein polnischer Kollege eben gerade sprach. Es sind Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung dieser Bedrohung vonnöten, die die Stabilität der Staaten, die Gesundheit der jungen Generation unterminiert sowie die Kriminalität und die Korruption provoziert. Der Ausarbeitung einer komplexen Strategie des Kampfes gegen Drogengeschäfte wurde die internationale Konferenz „Parlamentarier gegen die Drogen“, die von der Staatsduma der Föderalen Versammlung der Russischen Föderation im Dezember vergangenen Jahres in Moskau organisiert wurde, gewidmet. Wir begrüßen die Teilnahme der UN-Vertreter neben einer ganzen Reihe der russischen und international NGOs an dieser Konferenz.

Zur Lösung dieser Situation in Afghanistan ist eine komplexe Herangehensweise der regionalen Staaten und Weltgemeinschaft vonnöten. Die Erfahrung der letzten 20 Jahre zeigt die Ineffektivität der Versuche, die Probleme in Afghanistan mittels Gewalt zu lösen. An der Tagesordnung ist die Annahme von praktischen Schritten zum Start des Prozesses der nationalen Versöhnung auf Basis der entsprechenden Resolutionen des UN-Sicherheitsrats.

Auf Grundlage dieser Erwägungen leiteten wir im Zusammenwirken mit den Partnern und Gleichgesinnten einen Dialog im Rahmen des Moskauer Formates ein, nahmen die Arbeit der Kontaktgruppe 
„SOZ-Afghanistan“ wieder, bauen die Partnerschaft Afghanistans mit der OVKS aus.

Wir begrüßen die Initiative Usbekistans, im Frühling dieses Jahres ein Ministertreffen zur afghanischen Regelung zusammenzurufen.

Wir leisten Kabul weiter Unterstützung für die Ausbildung von nationalen zivilen und polizeilichen Fachkräften für die Festigung der Einsatzfähigkeit der Streitkräfte der Islamischen Republik Afghanistans.

Konsequent treten wir für einen schnellstmöglichen Beginn der direkten Verhandlungen zwischen der Regierung Afghanistans und der Taliban-Bewegung auf Grundlage der vom Sicherheitsrat der UNO gebilligten Kriterien und im Interesse der Beilegung des Bruderkrieges ein.

Im Zuge der Lösung von Sicherheitsaufgaben soll die Gewährleistung der nachhaltigen sozialwirtschaftlichen Entwicklung zum wichtigen Faktor der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Stabilität Afghanistans werden. Ihren Beitrag an die gemeinsamen Bemühungen können die Eurasische Wirtschaftsunion und die GUS leisten, indem für Afghanistan ein umfangreicher zukunftsweisender Markt geöffnet wird.

Russland ist offen für eine vielseitige Zusammenarbeit zur Umsetzung von großen Wirtschafts- und Infrastrukturprojekten, darunter die Pipeline „TAPI“ und „CASA-1000“.

Unseren Beziehungen auf verbündeter Basis und der strategischen Partnerschaft mit zentralasiatischen Staaten liegen die gemeinsame Geschichte, der hohe Grad des gegenseitigen Vertrauens, die übereinstimmenden Herangehensweisen an die wichtigsten Probleme der Gegenwart zugrunde.

Das feste Fundament bilden unsere Beziehungen in Handel und Wirtschaft. Die russischen Investitionen in der Region belaufen sich auf 20 Mrd. US-Dollar, dort arbeiten ergiebig mehr als 7500 russische und gemeinsame Unternehmen zusammen. In den letzten zehn Jahren erreichte das kumulative Volumen unserer Unterstützung für die Länder Zentralasiens mehr als sechs Mrd. US-Dollar wie auf bilateraler Grundlage, als auch auf Ebene der internationalen Organisationen, darunter im Rahmen der Umsetzung der UN-Ziele, die in der „Agenda – 2030“ verankert sind.

Wir sind überzeugt, dass die Probleme der Energieversorgung und des Zuganges zu den Wasserressourcen in der Region durch einen konstruktiven Dialog, die gegenseitige Berücksichtigung der Interessen im Bereich der Hydroenergie und Landwirtschaft für das Wohl aller Staaten der Region gelöst werden sollen.

Die Besonderheiten der geographischen Lage der Länder Zentralasiens diktieren die Notwendigkeit einer erhöhten Effektivität der Nutzung verschiedener Verkehrsarten für die Gewährleistung der zuverlässigen handelswirtschaftlichen Beziehungen mit den Staaten der Asien-Pazifik-Region, darunter Südasien und Europa. Russland ist bereit, diesen Prozess mittels Ausbau von internationalen Korridoren in Richtungen wie Osten-Westen sowie Norden-Süden zu unterstützen. Zur erfolgreichen Lösung dieser Aufgabe sollen die Bildung eines einheitlichen EAEU-Transitsystems und ihre Verbindung mit der chinesischen Initiative „Ein Gürtel, eine Straße“ beitragen. Mit dieser Herangehensweise kann die zentralasiatische Region ihre Rolle im kontinentalen Transportsystem festigen.

Heute ist in Eurasien die beiderseitig vorteilhafte Zusammenarbeit nachgefragt, die sich auf das Gleichgewicht der Interessen stützt. Die externen Akteure müssen dazu auf allerlei Art und Weise beitragen. Dabei müssen sie nicht versuchen, die Länder der Region ins Spiel mit Nullergebnis hineinzuziehen, dessen Vorhaben in der Konzeption des sogenannten „Großen Zentralasiens“ zu beobachten ist, über die alle etwa vergessen hätten. In letzter Zeit schien sie jedoch erneut auf.

Man muss die zentralasiatischen Länder nicht vor eine falsche Wahl stellen: entweder nach Süden oder nach Norden. Der Region benötigt eine konstruktive Umgebung und Partnerschaft von allen Seiten. Natürlich müssen alle Verpflichtungen dieser Länder im SOZ-, OVKS-, GUS-, und EAEU-Rahmen respektiert werden.

Alle umfassenden Pläne, die sich im Endeffekt auf die Erhöhung des Wohlstands der Völker Zentralasiens und Afghanistans richten, sind nur unter den Bedingungen des dauerhaften Friedens und der Stabilität auf dem ganzen asiatischen Kontinent umsetzbar. Russland arbeitet konsequent an der Bündelung von Bemühungen im Interesse der Bildung einer modernen Architektur der gleichen und unteilbaren Sicherheit in der Asien-Pazifik-Region, die den modernen Realitäten entsprechen wird.

Die Stabilität, der Frieden und die Prosperität der Staaten der Region sind mit der fortbestehenden Bildung eines gerechten und demokratischen polyzentrischen Weltordnungssystems, das auf dem Völkerrecht und der Achtung der kulturellen und zivilisatorischen Mannigfaltigkeit der modernen Welt basiert, eng verbunden.

Quelle:

Außenministerium der Russischen Föderation