Amaro Drom e.V. kritisiert Äußerungen Gaucks

In seiner Rede anlässlich der Übernahme einer Gastprofessur an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität am 31. Januar äußerte sich der ehemalige Bundespräsident zu gesellschaftlichen Themen und führte aus, dass es nicht hilfreich sei, statt von „Zigeunern“ von „Sinti und Roma“ zu sprechen, weil das die Probleme nicht löse.

„Der Kampf gegen rassistische Diskriminierungen ist entscheidend, um ein gutes Zusammenleben verschiedener Gruppen in Deutschland zu ermöglichen. Wenn die Äußerungen Herrn Gaucks so gemeint sind, dass ein Kampf gegen rassistische Sprache alleine nicht ausreicht, würden wir dem zustimmen. Deshalb kann dem Kampf gegen diskriminierende Begriffe aber nicht die Berechtigung abgesprochen werden“, betont Merdjan Jakupov, Geschäftsführer von Amaro Drom e.V.

„Der Original-Wortlaut der Rede offenbart jedoch ein viel größeres Problem. Gauck sagte wörtlich: ,Lassen Sie mich nur ein Beispiel nennen: Unsere Gesellschaft hat sich darauf verständigt, den Begriff Zigeuner als diskriminierend abzuschaffen und ihn durch Roma und Sinti zu ersetzen. So sehr diese Entscheidung einerseits nachvollziehbar ist, so hat sie doch auch die Illusion begünstigt, allein der Austausch der Begriffe könne die gesellschaftliche Abwertung dieser Gruppe verhindern. Als irgendwann dann auch nicht mehr von Roma aus Rumänien und Bulgarien gesprochen wurde, sondern nur noch von „Rumänen und Bulgaren“ die Rede war, erwies sich der Austausch der Begrifflichkeit sogar als Verschleierung: Denn Nachbarn und Behörden haben keine Probleme mit Rumänen und Bulgaren, wohl aber mit einem Teil der Roma aus Rumänien und Bulgarien.‘

Herr Gauck kann überhaupt nicht wissen, wer da mit wem ein Problem hat, da die Zugehörigkeit zu den Roma nirgends erfasst wird. Vielmehr knüpft er an rassistische Bilder über Roma an, die in Medien und zum Teil auch in politischen Debatten verbreitet werden, ohne diese Bilder kritisch zu hinterfragen. Wir beobachten in unserer täglichen Arbeit, dass Migrant*innen aus Rumänien und Bulgarien offenbar schnell dann als Roma eingeordnet werden, wenn es soziale Probleme in irgendeiner Form gibt. Dies geschieht oft aus Unkenntnis. Es führt jedoch dazu, dass soziale Probleme in Deutschland ethnisiert und als ,Roma-Probleme‘ gelabelt werden. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die sozialen Probleme viele Einwander*innen in Deutschland betreffen. Sie basieren auf struktureller Diskriminierung im Sozialrecht.

Vor diesem Hintergrund mutet es aus unserer Sicht zynisch an, wenn Gauck behauptet, die Vermeidung von Selbstbezeichnungen gesellschaftlicher Minderheiten wie Roma würde zu einer Verschleierung führen. Das kann, konsequent zu Ende gedacht, nichts anderes bedeuten, als dass die Probleme nicht aus bestimmten gesellschaftlichen Gegebenheiten in Deutschland resultieren, sondern aus dem Wesen oder der Kultur einer bestimmten Ethnie. Durch seine Äußerungen setzt Gauck Roma pauschal mit Problemen gleich.

Ein solches Denken ist eindeutig rassistisch und bewegt sich in sehr enger gedanklicher Nachbarschaft zu AfD-Positionen. Wir sind uns sicher, dass Herr Gauck das nicht beabsichtigt hat, dass er bestimmt eher eine aufklärerische Intention hatte. Aber im Ergebnis sind solche Aussagen verheerend für die Angehörigen der Minderheit und scheinen darüber hinaus auch noch rassistischen Sprachgebrauch zu legitimieren. Deshalb würden wir vorschlagen, so was in Zukunft zu bedenken“, erklärt Jakupov.

„Die aktuell aufgeladene Stimmung in Deutschland erfordert unserer Ansicht nach Besonnenheit und die Förderung von gegenseitigem Austausch. Strukturelle Diskriminierungen müssen abgebaut und die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe muss ermöglicht werden. Die Ächtung des Wortes ,Zigeuner‘, die sich heute in weiten Teilen der deutschen Mehrheitsbevölkerung etabliert hat, ist ein wichtiges Verdienst des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Solche zivilgesellschaftlichen Errungenschaften werden in der öffentlichen Wahrnehmung in Frage gestellt, wenn prominente Personen ihnen so widersprechen. Wir wünschen uns politische Repräsentanten, die sich für alle Gruppen in Deutschland gleichermaßen zuständig fühlen“, erklärt Jakupov.