Rede und Antwort des Ständigen Vertreters Russlands bei der UNO, Wassily Nebensja, bei der Sitzung des UN-Sicherheitsrats zum Schreiben Großbritanniens vom 13. März 2018, New York, 5. April 2018

Herr Vorsitzender,

Der Sicherheitsrat hielt am 14. März eine offene Sitzung zum Schreiben der Regierungschefin Großbritanniens, Theresa May, ab. Dabei wurden gegen Russland schreckliche und nicht mit Beweisen begleiteten Vorwürfe der Anwendung der chemischen Waffen in Großbritannien erhoben.

Vertreter des Vereinigten Königreichs versprachen damals, regelmäßig den Rat über den Verlauf der Untersuchung zu informieren. Allerdings gab es keine Briefings ihrerseits. Dann werden wir selbst ihnen ausführlich darüber berichten.

Also, heute ist ein Monat seit der Entdeckung der Staatsbürger Russlands, Sergej Skripal und seiner Tochter Julia, bewusstlos in der britischen Stadt Salisbury.

Die Anwendung der chemischen Waffen, falls es solche gab, ist eine Bedrohung für Nichtverbreitung. Deswegen soll dieses Thema im Sicherheitsrat behandelt werden. Zumal haben wir, was den britischen Kollegen zu sagen und sie zu fragen.

Also, was wissen wir über das Verbrechen und seine Opfer?

Sergej Skripal, der 2006 wegen Spionage für Großbritannien verurteilt wurde, wohnte nach der Begnadigung 2010 in diesem Land beim Erhalt der russischen Staatsbürgerschaft. Er wurde regelmäßig von der Tochter Julia, Staatsbürgerin Russlands besucht. Nach der von der britischen Seite verbreiteten Version verzieh es nicht den Verrat und beschloss, ihn zu beseitigen. Dabei stellte er selbstverständlich keine Bedrohung für Russland dar.

Da entstehen mehrere Fragen. Vor allem, wenn man das zynisch betrachtet, wozu haben wir acht Jahre gewartet und uns dazu zwei Wochen vor den Präsidentschaftswahlen in Russland und wenige Wochen vor der Fußball-Weltmeisterschaft entschlossen haben? Wozu wurde er überhaupt aus dem Lande gelassen?

Wozu sollte er auf solche merkwürdige, gefährliche für Böswillige Art beseitigt werden?

Allen, die Krimis kennen (z.B. eine seit 20 Jahren laufende populäre TV-Reihe Midsomer Murders), sind hunderte relativ nicht schwere Wege bekannt, einen Menschen zu töten. Dennoch jene, die einen Anschlag auf Skripal und seine Tochter verübten, wählten angeblich einen äußerst giftigen Stoff, also den riskantesten und gefährlichsten Weg. Dabei wurde die Sache auch nicht bis zum Ende gebracht – alle Verletzten sind am Leben, und der Zustand Julias verbessert sich Gott sei Dank schnell.

In diesem unklaren Fall gibt es viele Fragen. Je weiter, desto mehr.

Die britische Seite erklärte von Anfang an via solche erfahrene Chemiker wie die Regierungschefin Theresa May und der Außenminister Boris Johnson, dass es sich im Fall Skripals um einen Giftstoff Nowitschiok handelt und dass dieser Stoff mit hoher Wahrscheinlichkeit („highly likely“) russischer Herkunft ist.

Falls dieser extrastarker Stoff im Haus Skripals bzw. an der Türklinke (dazu neigt anscheinend die Ermittlung) zerstäubt wurde, wie konnten dann Sergej und Julia in einem normalen Zustand weitere einige Stunden sein? Dabei wurde der Polizist Nick Bailey, der als erster zur Hilfe kam, gleich bewusstlos? Wie konnten sie alle danach überlebt haben? Die einzige Erklärung ist wohl, dass ihnen allen das Gegengift eingeführt wurde. Um das zu machen, sollte man ein Muster desselben Stoffs (nicht einfach ähnlichen) parat haben.

Wenige Kilometer vom Anschlagsort befindet sich das britische Forschungszentrum Porton Down, das mit seinen Entwicklungen von C-Waffen bekannt ist. Zu seiner Tätigkeit gibt es auch mehrere Fragen.

Solche Situation: Der Chef des Labors Porton Down, Gary Aitkenhead, verkündete am Dienstag, dass sein Labor festgestellt hat, dass es „ein Kampf-Nervenstoff war, konnte aber seine Herkunft nicht bestätigen“. Das ist ein Zitat. Zudem sagte er, dass Skripals kein Gegengift eingeführt wurde. Er äußerte Vermutung, dass die britische Regierung im Unterschied von ihm über weitere Informationen verfügen kann. Man muss Aitkenhead zu Gute halten – er opferte nicht seinen beruflichen Ruf zur Unterstützung der Behauptungen der britischen Behörden. Zugleich sicherte er zu, dass nichts Ähnliches seine Anstalt hätte verlassen können. Die Frage besteht darin – was ist das? Was konnte die Anstalt nicht verlassen? Weiß die OPCW darüber?

Das alles bedeutet, dass vor unseren Augen das Hauptargument der britischen Seite über eine „zweifellos russische Herkunft des Stoffs“ zerfällt, auf dessen Grundlage das ganze System der so genannten Beweise über „hohe Wahrscheinlichkeit“ der Beteiligung Russlands ruhte. Doch diese Erklärung Aitkenheads bringt nur mehr Rätsel in die von uns behandelnde Sache.

Wir wollen nochmals „urbi et orbi“ mitteilen: „Nowitschok“ ist kein russisches Copyright trotz einer offensichtlich russischen Bezeichnung. Diese Bezeichnung wurde im Westen für eine Palette der Giftstoffe eingeführt, die, was keine Neuheit für Experten- und Wissenschaftskreise ist, in mehreren Ländern entwickelt wurden, darunter in den USA und Großbritannien. Boris Johnson sagte auf eine direkte Frage des Korrespondenten der Deutschen Welle, dass Großbritannien seine Muster in Porton Down hat. Von der Webseite des britischen Außenministeriums wurde gestern ein Tweet über „russische Herkunft des Stoffs“ gelöscht. Das löste bereits Skandale aus. Doch Boris Johnson und das britische Außenministerium wurde wie Chip und Dale von britischen Sicherheitsdiensten geholfen, die via die Zeitung „Times“ gestern mitteilten, dass sie mithilfe einer Wissenschaftsanalyse und Aufklärungsdaten geschafft haben, eine wahrscheinliche Quelle der Herkunft des Giftstoffs bereits einige Tage nach dem chemischen Angriff in Salisbury festzustellen. Es wird behauptet, dass der Ministerkabinett am 7. März wusste, dass das Gift mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in Russland hergestellt worden war. Britische Sicherheitsdienste meinen, dass sie den Aufenthaltsort eines geheimen russischen Labors feststellten, wo der Nervenstoff produziert wurde. Und weiter. Achtung! Quellen in britischen Sicherheitsdiensten können nicht absolut eindeutig vom Aufenthaltsort des Labors sprechen, doch ihre Zuversicht ist hoch (!), heißt es im Artikel. Sie meinen ebenfalls, dass die russische Seite Tests absolvierte, um zu klären, ob Nowitschok zur Ermordung aus politischen Motiven anzuwenden ist.

Weiter kommt noch mehr! „Daily Mail“ berichtete ebenfalls gestern, dass die britische Aufklärung „extrageheime Informationen“ von Quellen hat, dass Russland kurz vor dem Anschlag in Salisbury den Nervenstoff Nowitschok auf Alltagsobjekten wie Türklinken getestet haben soll. Herren! Ich weiß sogar nicht, wie man das kommentieren soll. Das ist doch Wahnsinn! Hatten sie kein Fake, das mehr der Wahrheit ähneln würde? Allerdings wissen wir bereits den Preis für die britischen Aufklärungsinformationen von Tony Blair.

Wir sagten unseren britischen Kollegen, dass sie sich ins Spiel vertieften. Deswegen ist eine Sache, unbegründete Vorwürfe vorzulegen und eine andere Sache, zum Gespräch in der professionellen Sprache zu übergehen, die keine Megaphon-Diplomatie, sondern klare Antworten auf begründete Fragen vorsieht. Ich denke nicht, dass britische Ermittlungsorgane der britischen Regierung für ihre hastig gemachten Schlüsse dankbar sind.

Ihre Politiker wussten das natürlich nicht. Sie ahnten nicht, dass ihre sensationellen Erklärungen als Bumerang sie selbst erreichen können. Sie feuerten ein für sie bequemes antirussisches Thema ab – „russischer chemischer Angriff“, ohne zu begreifen, dass man später für eigene Worte antworten soll.

Inzwischen begann London damit, unsere Beziehungen mit ausländischen Ländern zu vergiften. „Als Zeichen der Solidarität“ werden aus mehreren Verbündeten-Ländern Großbritanniens 150 russische Diplomaten ausgewiesen. Wie wissen, dass ihre Botschafter in der ganzen Welt souveräne Länder dazu zwingen, ihrem bösen Beispiel zu folgen. Sie lösten eine Welle aus, die auch New York erreichte. Ihre Verbündeten aus den USA organisierten eine präzedenzlose Ausweisung 60 russischer Diplomaten, darunter zwölf Mitarbeiter der Ständigen Vertretung Russlands in der UNO, ohne jegliche Begründung vorzulegen und Konsultationen mit uns durchzuführen, wie das das Abkommen über Aufenthaltsbedingungen des Hauptquartiers vorsieht, und dabei empörende Vernachlässigung eigener Verpflichtungen als Landes, wo sich das Hauptquartier der Vereinten Nationen befindet, gezeigt wurde. Leider ist es nicht der erste Fall, wenn die USA seine Verpflichtungen nicht erfüllen. Die USA ergriffen bei Russland sein diplomatisches Eigentum, darunter russisches Eigentum der Ständigen Vertretung bei der UNO hier in New York, stellten eine 25 Meilen-Zone der Einschränkung der Bewegung unserer Diplomaten auf, verlängern nicht und stellen auch keine US-Visa ihnen aus. Wir rufen die USA dazu auf, sich verantwortungsvoll zu ihren Verpflichtungen des Empfangsstaates zu verhalten, dass sie uns alles zurückgeben sollen, was sie uns illegal wegnahmen und sich solcher Schritte in der Zukunft zu enthalten.

Herr Vorsitzender,

Wir sind Augenzeugen der erstaunlichen Ereignisse. Über „ein neues Wort“ im Rechtssystem – Vorwürfe ohne Beweise habe ich bereits bei der Sitzung am 14. März gesprochen. Doch nicht weniger erstaunlich ist was anderes. Wenn ich die Debatten, Interviews und Erklärungen britischer Politiker sehe, bin ich empört. O tempora, O mores! Wo ist das alte gute England? Was ist das – das Fehlen von Professionalismus oder der Verfall der politischen Kultur? Oder ist es eben eine neue politische Kultur? Ich weiß nicht. Ich denke, die hier Anwesenden sollen selbst Schlüsse ziehen.

Die britischen Behörden versuchen Russland wegen 30 Versionen des Geschehenen zu verspotten. Das sind nicht die Versionen der russischen Behörden, sondern Meinungen der Experten und Journalisten. Ja, es gibt viele Versionen wegen der fehlenden Fakten und Beweise, und bei uns wollen alle die trübe Geschichte klären. Dafür aber haben die britischen Behörden nicht viele Versionen. Genauer gesagt, nur eine, die sie als Verdikt darstellen. Dabei können sie nicht die Quelle der Vergiftung bestimmen – Skripals Haus, Türklinke, Blumen, Buchweizen oder Lorbeer? Man muss zugeben, dass die Staatsbürger und Experten Großbritanniens und anderer Länder, die auch denken können, auch verschiedene Versionen haben. Sowie auch viele Fragen, auf die es keine Antworten gibt.

Hier sind nur wenige davon:

Wo waren die Skripals vier Stunden lang mit ausgeschalteten Handys? Wie wurden die Proben genommen? Wer wird ihre Glaubwürdigkeit bestätigen? Warum haben sie keine Zustimmung der Verwandten zur Blutabnahme gefragt? Woher kam so schnell das Gegengift für einen unbekannten chemischen Stoff? Und von wem wurde er eingeführt? Womit befasste sich Skripal? Mit wem war er verbunden? Wohin fuhr er? Mit wem kommunizierte er? Trafen sie sich mit jemandem an diesem Tag bzw. am Tag zuvor? Wo sind Angaben von Überwachungskameras? Wie stimmen die eilig gemachten Vorwürfe mit der Erklärung von Scotland Yard überein, dass Ermittler mehrere Wochen bzw. Monate Arbeit brauchen werden? Warum wird uns der konsularische Zugang zu den Staatsbürgern Russlands verweigert, gegen die in Großbritannien möglicherweise ein Terroranschlag verübt wurde?

Britische Behörden beschlossen leichtsinnig, dass sie mit ihren unbegründeten Insinuationen davon kommen werden. Glauben sie mir, meine Freunde, dass diese Geschichte und diese Untersuchung nicht nur nicht abgeschlossen ist, sondern auch dass sie de facto noch nicht begonnen hat.

Am 12. März schickten wir an das Außenministerium Großbritanniens eine Note mit der Bitte, uns den Zugang zu den Angaben der Untersuchung bereitzustellen, darunter zu den Mustern des chemischen Stoffs, auf die sich die britische Ermittlung beruft, damit Spezialisten sie im Rahmen einer gemeinsamen Untersuchung analysieren. Damit gingen wir im Rahmen des Punktes 2 des Artikels IX der Chemiewaffenkonvention vor. Darin wird den Mitgliedsstaaten vorgeschlagen, jede Frage via Austausch von Informationen und Konsultationen auf bilateraler Ebene zu regeln, die Zweifel in Bezug auf die Einhaltung dieses internationalen Vertrags auslösen kann. Auf Grundlage der Bestimmungen dieses Artikels wäre Russland bereit, ein Ersuchen Großbritanniens innerhalb zehn Tage zu beantworten.

Stattdessen stellte London an uns ein absurdes 24-stündiges Ultimatum. Natürlich lehnten wir es ab – niemand darf unter keinen Umständen mit Russland in solchem Ton sprechen. In diesem Ultimatum, das von Boris Johnson mündlich dem russischen Botschafter in London übergeben wurde, stand „The Foreign Secretary made clear… that there are only two possible scenarios. Either the Russian State has attempted murder on the British soil using a chemical weapon or Russia lost control of its stockpile of nerve agents. The Foreign Secretary asked the Russian Ambassador to explain which of the two possibilities was true and to account for how this Russian-produced nerve agent could have been deployed in Salisbury.“

24 Stunden! Das sind wohl die ganzen vielen Fragen, die uns unsere britische Seite stellten. Andere Fragen gab es nicht. Aus der Position des heutigen Tages und der aufgetauchten weiteren Informationen und Erklärungen sehen sie noch absurder aus.

Am 14. März überreichte Frau May dem Generaldirektor des Technischen Sekretariats der OPCW, Ahmet Üzümcü, den Vorschlag zur Durchführung einer „unabhängigen Analyse der Ergebnisse der britischen Untersuchung“ des Zwischenfalls in Salisbury. Dabei vergessen unsere britischen Kollegen, dass sie im Rahmen Arbeit in der OPCW, was unseres Erachtens der einzig richtige Weg ist, nicht nur Rechte, sondern auch Verpflichtungen haben, unter anderem uns als vollberechtigtem OPCW-Mitglied gegenüber. Und darauf machten wir sie in der gestrigen außerordentlichen Sitzung des OPCW-Exekutivsekretariats aufmerksam, die auf unsere Initiative einberufen wurde. Wir plädierten für die Entscheidung für eine gemeinsame Ermittlung, doch unser Entwurf wurde von Großbritannien und dessen Verbündeten blockiert, was sie sofort als ihren „Sieg“ bewerteten, obwohl die Zahl der Länder, die „dafür“ stimmten und sich der Stimme enthielten, größer als die Zahl der Länder ist, die „dagegen“ stimmten. Das ist auch klar: Wozu bräuchte Großbritannien eine gemeinsame Ermittlung, wenn es den Schuldigen noch vor seiner Ermittlung bestimmt hat? Denn eine solche Ermittlung könnte seine Version zerstören, die sich auf solche „starken“ Argumente wie “highly likely”, “overwhelmingly likely”, “highly plausible”, “there is almost no doubt”, „there is no other plausible explanation“, “Russia was almost certainly to blame”, „high likelihood of Russian responsibility“, „Russia is the likely perpetrator“ stützt.

Boris Johnson bemüht sich nach wie vor darum, alle zu überzeugen, dass die britische Seite an Russland eine Liste von Fragen geschickt und darauf keine Antworten bekommen hätte. Aber in Wahrheit ist die Situation umgekehrt. Wie ich schon sagte, haben wir keine Liste von Fragen erhalten. Ich wende mich an die britische Seite: Wenn es solche Fragen gibt, dann schicken Sie sie uns. Aber stellen Sie nicht die ultimativ formulierte Beschuldigung und Forderung, „alles zuzugeben“, als Fragen dar.

Gleichzeitig haben wir etliche Fragen sowohl an London als auch an die OPCW und an Frankreich, das plötzlich – und unklar, anhand welcher Bestimmungen der Chemiewaffenkonvention – beschloss, den Briten bei ihrer „Express-Ermittlung“ zu helfen. Auf unsere Anfrage antwortete die französische Seite, Großbritannien hätte Frankreich über seine Ermittlung ausführlich informiert. Aber da London uns keine solchen Informationen zur Verfügung gestellt hat, könnte das vielleicht Paris tun?

Wir haben heute einen entsprechenden Merkzettel verbreitet, den Sie gerne kennen lernen können. Noch werden wir einige Kommentare der offiziellen Sprecherin des Außenministeriums Russlands verbreiten. Da gibt es sehr interessante Informationen. Ich denke, es wird für Sie alle interessant sein, sie kennen zu lernen. Diesen Auftritt (samt Übersetzung) werden wir Ihnen ebenfalls zur Verfügung stellen.

Herr Vorsitzender,

das intellektuelle Niveau der Begründung der gegen Russland geäußerten Beschuldigungen und der angeblichen Motive Russlands ist noch schlimmer als „nur“ lächerlich.

Boris Johnson, der ständig schwört, ein Russland-Bewunderer zu sein, äußerte die, gelinde ausgedrückt, absurde Vermutung, Moskau bräuchte diesen Zwischenfall für die Förderung des Zusammenhalt der Russen im Vorfeld der Präsidentschaftswahl. Und absolut unmoralisch war von ihm, die in Russland auszutragende Fußball-Weltmeisterschaft mit den Olympischen Spielen 1936 in Berlin zu vergleichen, an denen übrigens eine große britische Delegation (insbesondere britische Offizielle) teilnahm – im Unterschied zur Sowjetunion.

Boris Johnson berief sich auf den Roman „Schuld und Sühne“ von Fjodor Dostojewski, wo der Schlüsselmoment darin bestünde, dass der Verbrecher entweder selbst aufgeben würde oder man ihn fassen würde. Aber eigentlich geht es in diesem Roman gar nicht darum. Das ist kein Krimi, wie offenbar der britische Premier glaubt, sondern ein Literaturwerk mit einem tiefen weltanschaulichen Sinn. Wir hatten übrigens bereits ein englisches Sprichwort bezüglich von 100 Kaninchen aus diesem Roman angeführt, die nie ein Pferd werden können. Ich würde Mr. Johnson raten, auch andere Romane Dostojewskis zu lesen – oder wenigstens ihre Titel kennen zu lernen. Ich werde sie jetzt nicht anführen.

Als „argumentierten“ Beweis der russischen Schuld zeigte der britische Botschafter in Moskau seinen Kollegen diese sechsseitige „Slide-Show“ inklusive der Titelseite. Und diese „Comics“ werden als Beweislage dargestellt! Sie enthalten doch gar nichts außer „highly likely“! Ich vermute, dass auch Theresa May dieses „unwiderlegbare Dokument“ ihren EU-Kollegen präsentierte, von denen viele (aber nicht alle) es als „überzeugende Beweise der Schuld Russlands“ einschätzten. Aber sehen Sie sich diese Schande nur an! Wir werden es Ihnen gleich überreichen. Die Polemik mit diesen „Sechsflächnern“ ist beleidigend für die Vernunft. Das ist doch respektlos gegenüber den Menschen, die man mit solchen „Argumenten“ überzeugen will! Und wird sich damit überzeugen lässt, sollte begreifen, dass er quasi zombifiziert werden und sich an einer wahren Massenpsychose beteiligt!

Die Aussagen Boris Johnsons über die „tote Katze“ auf dem Tisch als Manöver, das von anderen Problemen ablenkt (wer nicht weiß, worüber ich jetzt spreche, kann das gerne in seinem Interview lesen), ist kennzeichnend für seine Methoden im Propaganda-Krieg, in dem es keine Regeln gibt und den Großbritannien gegen Russland führt.

Apropos „tote Katzen“: Im Haus von Sergej und Julia Skripal, das angeblich verseucht wurde, lebten seiner Nichte Viktoria zufolge zwei Katzen und zwei Meerschweinchen. Wo sind sie jetzt? Was ist mit den Tieren passiert? Warum erzählt man nichts darüber? Ihr Zustand ist doch auch ein wichtiges Argument.

Herr Vorsitzender,

wir leben in den Zeiten einer massenhaften Bewusstseinseintrübung. Ich weiß nicht, mit welchen Psychopharmaka das Publikum zombifiziert wird. Ich kenne da nur ein Mittel, nämlich die Massenmedien. Die Medien sind eine schreckliche Waffe unserer Zeit. Durch die Medien kann man mit dem menschlichen Bewusstsein manipulieren. Und wir sehen, dass es den westlichen Medien gut gelingt. Dabei sind keine hochintellektuellen Schemata nötig: Es genügt ja, an das erste Signalsystem zu appellieren und regelmäßig eine und dieselbe unbeweisbare Lüge zu wiederholen, damit sie sich im Bewusstsein der Menschen befestigt, so dass sie diese Lüge als Wahrheit wahrnehmen. Das stimmt mit der Methode Dr. Goebbels‘ überein: Die Lüge, die tausend Mal wiederholt wird, wird zur Wahrheit.

Wir werden darauf bestehen, dass Sie unsere Fragen beantworten. Und falls Sie sie nicht beantworten, werden wir das als Einräumung betrachten, dass Sie uns verleumden, ohne einmal an die Folgen zu denken.

Wir werden darauf bestehen, dass Sie mit uns am „Fall Skripal“ zusammenarbeiten. Und wenn Sie das verweigern, werden wir das als einen Versuch betrachten, die Wahrheit zu verbergen.

Herr Vorsitzender,

was hier vorgeht, überzeugt uns davon, was uns eigentlich von Anfang an klar war. Das ist eine koordinierte und im Voraus vorbereitete Kampagne. Das ist kein Zufall. Das wichtigste Ziel ist klar: Russland zu diskreditieren und sogar „illegitim“ zu machen. Russland zu beschuldigen, es hätte schreckliche, unhumane Waffen eingesetzt, seine Arsenale verborgen, die Chemiewaffenkonvention verletzt. Man versucht, Russlands rolle nicht nur bei der Syrien-Regelung, sondern auch bei der Regelung von anderen Konflikten infrage zu stellen. Man will Russlands Legitimität generell infrage stellen. Und zugleich auch unsere Position zum syrischen „Chemiewaffen-Dossier“ zu diskreditieren. Das wäre also eine „Kombination“ von „angenehmen“ und „nützlichen“ Momenten.

Da unsere britischen Kollegen es wagen, zu behaupten, hinter dem Zwischenfall in Salisbury würde „highly likely“ Russland stehen, vermuten wir auch, dass hinter dieser riesigen Provokation „highly likely“ die Geheimdienste einiger Länder stehen.

Russland, das mit der Skripal-Vergiftung nichts zu tun hat, ist mehr als jemand sonst daran interessiert, dass die Wahrheit herausgefunden wird. Wir werden unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Chemiewaffenübereinkommens darauf bestehen, dass die Wahrheit herausgefunden wird.

Sollte die britische Seite auch weiterhin sich auf Vermutungen stützen, die sie als Beweise darstellt, sollte sie sich weiter auf Vermutungen statt Fakten stützen, würde das unsere Vermutung bestätigen, dass diese ganze „schmutzige Sache“ nichts als Erfindung ist. Genauer gesagt, nichts als eine grobe Provokation.

He who has ears, let him hear.

Wir sehen den einzigen Weg, das objektive Bild zu rekonstruieren – durch die strikte Einhaltung der Mechanismen des Chemiewaffenübereinkommens und durch gemeinsame Ermittlungen. Wir erwarten darüber hinaus die Antworten auf die offenbaren Fragen seitens der britischen Ermittlung. Wir verlangen den konsularischen Zugang zu Julia Skripal.

Lassen Sie mich die Situation zusammenfassen. Die „russische Herkunft“ des Giftstoffs wurde nicht bestätigt. Wir hatten noch früher erklärt, dass wir damit nichts zu tun haben. Aber man verlangt von uns nach wie vor, unsere Schuld einzuräumen. Großbritannien verweigert die Kooperation mit uns unter dem Vorwand, dass das Opfer „nicht mit Verbrechern zusammenwirken kann“. Aber ich muss doch bitten! Dass man uns zu „Verbrechern“ abgestempelt hat, ohne jegliche Fakten und Beweise unserer Schuld vorzulegen, ohne dass jegliche Gerichtsverhandlungen stattfanden, gilt nicht. Aber auf dem Territorium Großbritanniens wurde ein Verbrechen gegen unser Mitbürger begangen – möglicherweise war das sogar ein Terroranschlag! Und sie sind gerade die Opfer. Und das bedeutet, dass wir das Recht haben, auf Kooperation zu bestehen, und Großbritannien sollte mit uns zusammenwirken. Es war übrigens lustig, als uns einige Verbündete Großbritanniens in der gestrigen Sitzung des OPCW-Exekutivsekretariats aufforderten, mit Großbritannien zusammenzuwirken. Man hatte sie offenbar nicht richtig informieren können.

Wir haben einen Entwurf der Presseerklärung des Sicherheitsrats vorbereitet. Das ist ein Lakmustest für Großbritannien und dessen Verbündete, ob sie ehrlich sind. Wenn sie auch diese Erklärung „begraben“, genauso wie sie die erste Erklärung „begraben“ haben, als sie ihren Sinn auf den Kopf stellten, dann wird das ein weiterer Beweis dafür sein, dass sie ein schmutziges Spiel führen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

 

Antwort auf den Auftritt des Ständigen Vertreters Großbritanniens:

 

Herr Vorsitzender,

heute haben wir leider nichts Neues von einigen unseren Kollegen gehört, die weiterhin unverschämt behaupten, Russland wäre schuld, und von uns verlangen, die Wahrheit über diesen Zwischenfall ans Licht zu bringen. Wir wollen ebenfalls, dass die Wahrheit ans Licht kommt.

Wir offen, dass die Sprossen der Wahrheit Schritt für Schritt den Weg ans Licht finden werden. Ich möchte mich bei meinem niederländischen Kollegen für seine Initiative zum Zusammenwirken mit der britischen Seite bedanken. Aber ich halte mich lieber davon zurück, denn der Sinne dieses Kooperationsaufrufs ist ganz anders als wir ihn sehen.

Man ruft uns im Grunde vor, eine Frage zu beantworten: „Gebt zu, dass ihr das getan habt!“ Wir antworten: „Wir haben das nicht gemacht.“ Darauf sagt man uns: „Nein, das genügt nicht! Wie habt Ihr das gemacht?“ Wir sagen: „Legt Beweise vor.“ Und man sagt uns: „Nein, Ihr sollt es zugeben. So wird’s besser sein.“

Aber versteht denn niemand, dass dies schon ein Absurd-Theater ist? Wir verwiesen schon öfter darauf, dass das Vereinigte Königreich den Normen des Chemiewaffenübereinkommens nicht folgte – das können Sie in unserem Merkzettel lesen.

Ich muss aber sagen, dass der britische Botschafter heute die Bereitschaft gezeigt hat, die Mitgliedsländer über den Verlauf der Ermittlung zu informieren. Wir werden darauf warten. Wir rechnen aber, dass diese Informationen sich auf überzeugendere Materialien stützen werden als die, die ich Ihnen heute demonstrierte. Wir fanden übrigens die Erläuterung des verehrten britischen Ständigen Vertreters lustig, als er über die Ursachen und die juristischen Nuancen der Verwendung des Begriffs „highly likely“ als Instrument der britischen Justiz sprach. Das werden wir berücksichtigen.

Herr Vorsitzender,

in dieser Welt gibt es eigentlich nichts Neues. In Großbritannien gab es einen herausragenden Kinderschriftsteller. Er war Mathematiker und zugleich Schriftsteller, der das hervorragende Buch unter dem Namen „Alice im Wunderland“ geschrieben hat. Lassen Sie mich ein Fragment daraus vorlesen. Es geht um den Gerichtsprozess gegen den Buben:

„Bitte, Majestät, es liegt noch ein Beweisstück vor“, sagte das Weiße Kaninchen, indem es in großer Eile aufsprang.

„Dieses Schriftstück ist gerade gefunden worden.“

„Was steht drin?“ fragte die Königin.

„Ich habe es noch nicht geöffnet“, sagte das Weiße Kaninchen, „aber es scheint ein Brief zu sein, geschrieben von dem Gefangenen an – an irgendjemand.“

„Das muss er wohl“, sagte der König, „wenn er nicht an niemand geschrieben wurde, was ja nicht gerade üblich ist.“

„An wen ist er gerichtet?“ sagte einer der Geschworenen.

„Er ist gar nicht gerichtet“, sagte das Weiße Kaninchen, „da ist nämlich nichts außen draufgeschrieben.“

Während es sprach, entfaltete es das Schriftstück und fügte hinzu: „Jetzt ist es doch kein Brief. Es ist eine Reihe von Versen.“

„In der Handschrift des Gefangenen?“ fragte ein anderer Geschworener.

„Nein, eben nicht“, sagte das Weiße Kaninchen, „und das ist das Seltsamste daran.“ (Alle Geschworenen sahen verwirrt aus.)

„Er muss die Handschrift eines anderen nachgemacht haben“, sagte der König.

(Die Miene der Geschworenen hellte sich wieder auf.)

„Bitte, Majestät“, sagte der Bube, „ich habe es nicht geschrieben, und man kann es mir auch nicht nachweisen: Es steht kein Name darunter.“

„Wenn du es nicht unterschrieben hast“, sagte der König, „macht das die Sache nur schlimmer. Du musst irgendetwas im Schilde geführt haben, sonst hättest du mit deinem Namen unterschrieben wie ein ehrlicher Mann.“

Dafür gab es allgemeinen Applaus: es war die erste wirklich kluge Bemerkung, die der König an diesem Tage gemacht hatte.

„Das beweist natürlich seine Schuld“, sagte die Königin, „Also herunter mit –“

Erinnert das nicht an etwas, Herr Vorsitzender? Aber wenn Sie glauben, dass das nur Märchen aus der Vergangenheit betrifft, die übrigens sehr relevant sind, dann zeige ich Ihnen noch etwas. Das ist ein Beitrag aus der heutigen „Independent“-Ausgabe, der “Whether we can prove Moscow involvement in the “Skripal case” or not is irrelevant” heißt. Hier ist ein kleines Zitat: “The Russian response to all of this is to say “Prove it” as if in a court of law even on a legal test such as being beyond reasonable doubt or on the balance of probabilities, the Russians are plainly culpable”.

Herr Vorsitzender,

ich kann nichts mehr hinzufügen.

Quelle:

Außenministerium der Russischen Föderation