Andere Arbeitszeiten gegen Stau?

Im Interview mit dem radio 100,7 erklärte der Direktor des »Cluster for Logistics«, Malik Zeniti am Donnerstag, daß, um dem Verkehrschaos Herr zu werden, auch an Veränderungen von Arbeitszeiten gedacht werden könnte, um den morgendlichen und abendlichen Stoßverkehr auf den völlig überlasteten Autobahnen des Landes zu entzerren.Wenn es gelänge, die Spitzenverkehrszeiten von aktuell rund 1,5 Stunden auf zwei bis drei Stunden zu strecken, würde die derzeitige Straßeninfrastruktur durchaus ausreichen, heißt es. Zusätzlich sollten die Autobahnen an den Grenzen zu den Nachbarländern dreispurig ausgebaut werden.

In der Tat ist ein Ausbau der Autobahninfrastruktur hierzulande viel zu lange versäumt worden und die Staus morgens ins Land hinein und abends wieder hinaus sorgen nicht nur dafür, daß Berufstätige zu spät zur Arbeit kommen, sondern auch dafür, daß die Mobilität generell ins Stocken gerät: Freunde unter der Woche besuchen, Fußballspiele anschauen oder selbst spielen an einem Mittwochabend etwa – all dies wird zum Kraftakt angesichts der regelmäßig bis in den mittleren Abend hinein verstopften Straßen. Der öffentliche Transport erfährt unter der aktuellen Regierung einen engagierten Ausbau. Allerdings lediglich auf den Hauptachsen, welche für die »Anlieferung« der täglichen Grenzgänger relevant sind. Der öffentliche Transport ist aktuell keine Alternative zur individuellen Mobilität und wird es auch mit den diversen Plattformen und dem Tram nicht werden. Angesichts der Möglichkeiten, die ein konsequenter, landesweit betriebener Ausbau des öffentlichen Verkehrs auch im Bereich neuer Arbeitsplätze bringen würde, eigentlich unverständlich, daß diese Karte nicht gezogen wird. Die Prioritäten der Verantwortlichen scheinen sich lediglich darauf zu versteifen, der Logistik, dem neuen goldenen Kalb der luxemburgischen Wirtschaft, Tür und Tor zu öffnen. Sie zählt, neben dem Grenzgängerverkehr zu den Prioritäten der Mobilität.

Wer einmal an einem Sonntag, nachts oder an Feiertagen ohne Auto regional oder überregional unterwegs sein möchte, der muß viel Geduld aufbringen. Verständlich, daß mancher lieber zum Auto greift, wenn er dadurch in 15 Minuten einen Ort erreichen kann, wo er ansonsten über eine Stunde benötigen würde.

Diese Idee, die Arbeitszeiten zu ändern, um den Stoßverkehr zu entschärfen, könnte vordergründig zum Lachen sein, zeigt jedoch beim zweiten Hinsehen auch die Unterwürfigkeit von Politik und Planern unter die Interessen der Wirtschaft. Zwischen Bettemburg entsteht einer der gefürchteten »Turbokreisel«. Hier sind nicht wenige Einwohner mittlerweile ziemlich genervt ob des täglichen Lkw-Aufkommens und der nicht enden wollenden Einschränkungen auf der A13.

Gebraucht werden nicht andere Arbeitszeiten, sondern eine Modernisierung jedweder Mobilitäts-Infrastruktur, ob Straße oder Schiene, unabhängig davon, ob sie für die Wirtschaft oder für die Einwohner da sein soll. Abgesehen davon, daß die Arbeitszeiten in vielen Berufen mittlerweile schon derart dereguliert und flexibilisiert sind, daß eine so statische Rechnung gar nicht aufgehen kann.

Wenn aus Luxemburg ein 1-Millionen-Einwohner-Staat werden soll, während die Infrastruktur schon jetzt den Geist aufgibt, dann darf man gespannt sein auf die Zukunft.

Christoph Kühnemund

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek