Außenministerium Russlands zur Situation in Rakka

Frage: In der letzten Zeit wird in verschiedenen Medien immer häufiger über die katastrophale humanitäre Situation in Rakka berichtet. Wie könnten Sie das kommentieren?

Antwort: Am 6. Juni ist es ein Jahr seit Beginn der Operation der US-geführten Koalition zur „Befreiung“ des syrischen Rakka von ISIL.

Ich erinnere daran, dass die Belagerung dieser großen nach dem syrischen Ausmaß Stadt und des Zentrums der gleichnamigen Provinz bis zum 17. Oktober dauerte, als erklärt wurde, dass sie vollständig von ISIL-Extremisten geräumt wurde. In Rakka errang die Koalition de facto ihren größten Sieg in Syrien. Darüber, wie sein Preis für einfache Syrer war, erfährt man in der Welt erst jetzt.

Die dazu kommenden Berichte aus verschiedenen Quellen zerpflücken den offiziellen Mythos über die „Befreiung“ dieser Stadt. Rakka war größtenteils ausradiert, ein bedeutender Teil seiner Bevölkerung – getötet und unter Ruinen untergraben.

In die Medien sickerte eine Mitteilung eines hochrangigen US-Militärs durch, der unter anderem sagte, dass innerhalb vier Monate der Belagerung Rakkas mehr Artillerie-Geschosse als irgendwo noch seit dem Ende des Vietnamkriegs abgefeuert wurden.

Die Ergebnisse der Arbeit der US-Artillerie, amerikanischer, britischer und französischer Fliegerkräfte sind dort buchstäblich auf Schritt und Tritt zu erkennen. Mit der Wiederherstellung des Zerstörten befasst sich niemand – in der besetzten Stadt fehlen Behörden, die nicht gleichgültig zum Schicksal der am Leben gebliebenen Einwohner sein würden.

Es erschüttern die Mitteilungen aus dem vor kurzem veröffentlichten Bericht der internationalen Menschenrechtsorganisation Amnesty International über das Schicksal von vier typischen Familien für diese Stadt – Aswad, Haschisch, Badran und Fayad. Jede von ihnen verlor bei der „Befreiung“ mindestens Dutzend Verwandte, die nicht mit ISIL verbunden waren. Die am Leben gebliebenen Mitglieder dieser Familien behaupten, dass es zum Zeitpunkt der Angriffe nahe ihrer Häuser keine ISIL-Extremisten gab.

In Rakka kamen ums Leben sowohl jene, die zu fliehen versuchten, als auch jene, die geblieben sind. Die Befreier stellten nicht fest, wo die Positionen der Extremisten und wo die Häuser waren, in denen sich die friedlichen Einwohner versteckten.

Bei der Einschätzung der Folgen der unverhältnismäßigen und willkürlichen Anwendung von Gewalt, die nicht mit den Maßnahmen zur Senkung der Risiken des Todes der zivilen Bevölkerung und Minimierung des Schadens verbunden war, macht Amnesty International, die kaum wegen Sympathie gegenüber dem syrischen „Regime“ verdächtigt werden kann, Schlussfolgerung darüber, dass die Handlungen der proamerikanischen Koalition in Rakka vielleicht als Verstöße des Völkerrechts und in einzelnen zu untersuchenden Fällen auch als Kriegsverbrechen betrachtet werden sollen.

Ich hebe hervor – das ist nicht unsere Schlussfolgerung, sondern die der internationalen Menschenrechtler.

Die Situation in Rakka verschlechtert sich auch deswegen, dass innerhalb von neun Monaten nach der Vertreibung der ISIL-Extremisten in der Stadt nichts zur Verbesserung der Lage der am Leben gebliebenen Einwohner gemacht wurde. Internationale Organisationen, die sich mit der Leistung der humanitären Hilfe befassen, beklagen sich darüber, dass sie nicht in Rakka arbeiten können – sie sind nicht imstande, einen sicheren Ort zur Eröffnung der Büros und Aufstellung der Plattformen zur Verteilung der Hilfsgüter für die Bevölkerung zu finden, weil alles herum vermint ist. Jeden Tag kommen mehrere Menschen wegen Minen und nicht explodierter Geschosse ums Leben.

Man möchte diesen Kommentar über das Schicksal der vernichteten syrischen Stadt mit der Frage beenden – haben jene, die auf solche Weise Rakka von Terroristen „befreiten“, das moralische Recht, Syrer zu belehren, wie sie das Schicksal ihres Landes aufbauen sollen? Können jene die Rolle der Garanten des „inhaltsvollen“ Prozesses der zwischensyrischen politischen Regelung beanspruchen, die einen Teil des Gebiets des souveränen Staates – UN-Mitgliedsstaates, besetzen, indem den legitimen Behörden die Möglichkeit weggenommen wird, die Kontrolle über diese Gebiete wiederherzustellen, um ein normales Leben für jene zurückzubringen, die die Grausamkeiten des „Kalifats“ auf ISIL-Art und „Befreiung“ auf US-Art erlebten?

Quelle:

Außenministerium der Russischen Föderation