»Weiter so« mit grünem Anstrich

In den letzten Wochen überschlagen sich die Nachrichten in Sachen Verschärfung der Klimapolitik in der EU geradezu. Regierungspolitiker und Unternehmer wetteifern nach dem größten Fleißkärtchen im Rausposaunen von Maßnahmen zum Klimaschutz als krampfhafter Versuch, sich bei der protestierenden Jugend Sympathien zu verschaffen.

Wer allerdings bisher dachte, daß es sich bei diesen Vorschlägen und Forderungen um Maßnahmen handelt, die sie selbst betreffen, der dürfte mittlerweile enttäuscht worden sein, während die Skeptiker der seltsam plötzlich großen Klimaproteste sich bestätigt fühlen. Am vergangenen 1. Juni sprach VW-Chef Herbert Diess nämlich deutlich aus, was die Industrie von der Politik und den Menschen erwartet: Diess kritisierte die zu wenig entschlossene Politik im Kampf gegen den Klimawandel. Themen wie Energiewende oder Elektromobilität würden zu zaghaft angepackt. Darüber hinaus müsse »an den großen Hebeln« angesetzt werden, um radikalere Einschnitte herbeizuführen, wenn es etwa um Fleisch essen, Fliegen oder Auto fahren ginge. Und Kernkraftwerke sollen länger laufen.

Zwar erntete Diess für die letzte Forderung eine Menge Kritik, nicht aber dafür, durch die Blume zu fordern, woran die herrschende Politik, allen voran die grünen Parteien in Regierungsverantwortung, bereits arbeiten: Nicht die Unternehmen sollen den Gürtel enger schnallen, sondern die Masse der Bürger soll »mit dem großen Hebel« dazu gezwungen werden, den Gürtel enger zu schnallen. Dabei ist es nicht die Bevölkerung, die den Großteil der Umweltverschmutzung verursacht, ganz abgesehen davon, daß die wenig zukunftsweisende Elektromobilität aktuell mit einer sehr auffälligen Vehemenz vorangetrieben wird. Dabei ist die Herstellung alles andere als klimafreundlich und schädigt dort, wo die Baumaterialien für die Batterien gewonnen werden, sogar unmittelbar die Menschen.

In einer rezenten Dokumentation des Westdeutschen Rundfunks wurde aus diesem Grund auch deutlich gemacht, daß E-Mobilität nur im größeren Rahmen rentabel sein kann. Dies kann als Antrieb von Bussen oder Taxen sein. Der Trend zur Entwicklung von Privatautos mit immer größerer Batteriereichweite sei Unsinn, heißt es hier. Der deutsche Wissenschaftler, Professor der Physik und TV-Moderator Harald Lesch hält es insgesamt für »vermessen«, daß E-Mobilität das Klima retten könne und stellt sich laut die Frage, die wohl viele Skeptiker beschäftigt: Warum die Politik so dahinter stehe, die Elektromobilität zu pushen. Wasserstoff etwa, spielt interessanterweise überhaupt keine Rolle bei uns, während Länder wie Norwegen die Anschaffung solcher Brennstoffzellenfahrzeuge massiv subventioniert und sie eine echte Alternative zum E-Auto darstellen.

Es wird offensichtlich, die Industrie interessiert sich, wie es in ihrer Natur liegt, auch in der Klimapolitik nur für ihre eigenen Vorteile und die Politik sorgt dafür, daß sie diese auch trotz Energiewende verlustfrei einsacken können. Dafür werden Gesetze und Verbote geschaffen, welche die Bürger die Zeche zahlen lassen.

Ein weiteres Beispiel für eine pauschale und von der breiten Masse zu tragenden Klima-Maßnahme ist nach der in Deutschland angesprochenen CO2-Steuer die nun von Frankreich angedachte EU-weite Flugsteuer, welche auf die Preise für die Tickets aufgeschlagen werden sollen.

In der Klimapolitik steht es 5 vor 12, nachdem die Industrie jahrzehntelang der Politik die Daumenschrauben angelegt hat. Nun drängt die Zeit und der Druck wächst, ohne Verluste für Renditen und Reichtum eine andere Klimapolitik hinzubekommen. Doch eine nachhaltige Klimapolitik geht nur im Paket mit der sozialen Frage und der des Wachstums, denn wo Gewinne privatisiert und Kosten sozialisiert werden und ansonsten weiter nach Maximalprofiten gestrebt wird, ist alles, was in Richtung Klimarettung geschieht, nichts mehr als ein »Weiter so« mit grünem Anstrich.

Christoph Kühnemund

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek