Übles Spiel mit Flüchtlingen

Es ist schlimm genug, daß die Europäische Union, dieses grandiose »Friedensprojekt«, nicht in der Lage ist, mit der seit Jahren andauernden Flüchtlingsproblematik umzugehen. Noch schlimmer ist, wenn Politiker aus EU-Staaten angesichts des Skandals um die mutige Kapitänin eines Rettungsschiffes sich nun auch noch auf Kosten der Flüchtlinge politisch zu profilieren versuchen.

Das gilt in erster Linie für den Innenminister und Vizepremier der Regierung Italiens, den Chef der rechtsnationalistischen Lega, Matteo Salvini. Nicht viel weniger gilt das aber auch für deutsche Politiker wie den früheren Außenminister und heutigen Bundespräsidenten Steinmeier und den heutigen Außen- und früheren Justizminister Maas, die meinen, sich mit ermahnenden Worten an Italiens Regierung wenden zu müssen, um damit Punkte zu sammeln. Immerhin haben beide in ihren früheren und auch in ihren jetzigen Positionen ihren Teil dazu beigetragen, daß das Flüchtlingsproblem überhaupt derartig expandieren konnte. Denn es war maßgeblich die deutsche Bundesregierung, die in den vergangenen Jahren mit dafür gesorgt hatte, daß die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer – wie seinerzeit von der damaligen italienischen Regierung angestrebt – durch die EU unterbunden wurde.

Es war ebenfalls maßgeblich die deutsche Bundesregierung, die die politische Linie der EU zur »Flüchtlingsabwehr« durchgesetzt hat, also zur Abschottung der Außengrenzen der Europäischen Union, zum Einsatz von Schiffen der Kriegsmarine im Mittelmeer, und zur Umsetzung der sogenannten Dublin-Regeln, nach denen Flüchtlinge in dem Land verbleiben müssen, in dem sie den Boden der EU erreicht haben. Daß damit die ohnehin durch die Krise schwer getroffenen Mittelmeerstaaten Griechenland, Italien und Spanien den Großteil der Folgen der völlig verfehlten EU-Politik zu tragen haben, ficht die Regierenden in Berlin, Brüssel und anderswo nicht an.

Luxemburgs Außenminister Asselborn hat es mit seinem auf Facebook veröffentlichten Brief an Italiens Außenminister, seinen »Freund Enzo«, sogar in die Nachrichten der Deutschen Presseagentur geschafft. Auch er profiliert sich seit Jahren auf Kosten der Flüchtlinge, wie erst in der vergangenen Woche bei einem Besuch in einem Flüchtlingslager in Griechenland. Herr Asselborn hatte sich nach dem Ende der Luxemburger Ratspräsidentschaft 2015 damit gebrüstet, die »Flüchtlingspolitik« in verantwortlicher Position mit ausgearbeitet zu haben – jene Politik, die bereits völlig gescheitert war, als das Papier veröffentlicht wurde.

Denn entgegen allen Deklarationen richtet sich die »Flüchtlingspolitik« der EU nur gegen die Flüchtlinge selbst, und nicht gegen die Fluchtursachen, nämlich Kriege, Armut, Hunger, Arbeitslosigkeit – allesamt Probleme, die durch die tatsächliche Politik der EU eher noch größer werden.

Ebenso unsinnig ist der Versuch der EU, die Schlepper zu bekämpfen. Schlepper haben die Fluchtursachen nicht geschaffen, sie nutzen sie nur aus und versuchen – ganz im Sinne des kapitalistischen Prinzips von Angebot und Nachfrage – aus dem Flüchtlingselend Profit zu schlagen.

Der Skandal um die Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete zeigt nun überdeutlich das Scheitern der Politik der EU. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob sie juristisch oder moralisch im Recht ist. In jedem Fall ist Carola Rackete mehr im Recht als alle jene Politiker, die sich jetzt zu Wort melden. Auch sie kann das Problem nicht lösen, aber sie verdient unseren Respekt dafür, daß sie sich über unmenschliche Regeln hinwegsetzt, um Menschenleben zu retten.

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek