Die Sprache des Patronats

Klassen sind Gruppen von Menschen, von denen die eine sich die Arbeit des andern aneignen kann infolge der Verschiedenheit ihres Platzes in einem bestimmten System der gesellschaftlichen Wirtschaft. (Lenin: Die große Initiative, 1919)

Zu den Mitteln der Meinungsmanipulation gehört die Entstellung von Begriffen. Diese verschwimmen entweder durch ihre beliebige Anwendung, wobei nicht mehr klar wird, welche Bedeutung sie in einem bestimmten Zusammenhang haben. Oder sie werden schlichtweg mit falschen Bedeutungen belegt und so lange wiederholt, bis sich die falsche Bedeutung durchgesetzt hat und die richtige nicht mehr verstanden wird.

Das ist beim Wortpaar Arbeitgeber/Arbeitnehmer so, bei dem die Bedeutung schlichtweg verkehrt wird: Sogenannte Arbeitgeber kaufen auf Grundlage ihres Eigentums an den wichtigsten Produktionsmitteln Lohnarbeit und damit Lohnarbeiter ein, deren Arbeitskraft sie also nehmen. Umgekehrt verkaufen, also geben die Lohnarbeiter ihre Arbeitskraft diesen Eigentümern. Sie als »Arbeitnehmer« zu bezeichnen, verkehrt also die Tatsachen in ihr Gegenteil.

Noch fataler ist es, wenn Gewerkschaften sich um »unsere Wettbewerbsfähigkeit« sorgen, wie das der LCGB in der bei der französischen Beratungsfirma Syndex in Auftrag gegebenen Studie mit dem Titel »Les salaires de l’industrie nuisent-ils à la compétitivité luxembourgeoise ?« leider tut.

Von »luxemburgischer Wettbewerbsfähigkeit« zu sprechen, geht geradewegs an des Pudels Kern vorbei, weil Patronat und Salariat entgegengesetzte Interessen haben. Sprechen das Patronat und seine Sachwalter von »Wettbewerbsfähigkeit«, dann meinen sie die Verwertungsbedingungen des Kapitals, die dem Salariat und seinen Gewerkschaften herzlich egal sein können, oder besser: sein sollten.

Die Sachwalter der Schaffenden sollten besser das jedes Frühjahr erscheinende »Sozialpanorama« der Salariatskammer CSL zu Rate ziehen, in dem beispielsweise die Lohnquote in Luxemburg mit der in anderen EU-Staaten und insbesondere in den drei Nachbarländern angegeben wird.

Während die Lohnquote – also der Anteil der Schaffenden am gesamten Volkseinkommen – im letzten Bericht in Luxemburg mit 59,2 Prozent (im Jahr 2017) angegeben wird, hat sie demnach im selben Jahr in Deutschland bei 62,5 und in Frankreich bei 65,2 Prozent gelegen. In Belgien erhielten die Schaffenden laut CSL sogar 66,5 Prozent des von ihnen produzierten Mehrwerts in Form von Löhnen und Gehältern ausbezahlt.

Noch schlechter hat Luxemburg dem aktuellen »Sozialpanorama« zufolge relativ zu seinen Nachbarn beim Anteil der sogenannten »working poor« abgeschnitten. Hierzulande ist mittlerweile (2017) mehr als jeder achte Schaffende (13,2 Prozent) von Armut bedroht, im EU-Durchschnitt sowie in Deutschland, Frankreich und vor allem in Belgien ist der Anteil der »arbeitenden Armen« deutlich kleiner.

Doch davon ist in der LCGB/Syndex-Studie keine Rede. Darin freut man sich vielmehr, daß »der Anteil des Arbeitsentgelts vom Mehrwert gesunken (ist)«, während »der Profit pro Lohnabhängigem 2016 ein Rekordniveau erreicht (hat)«.
Ein Patronat, das solche »Gegner« hat, braucht den Klassenkampf nicht zu scheuen.

Oliver Wagner

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek