Gesundheitsversorgung: Kurzarbeit trotz Überlastung?

„Während einerseits der Bewältigung der Corona-Krise im Gesundheitswesen höchste Priorität eingeräumt wird, Kapazitäten buchstäblich aus dem Boden gestampft werden, erleben wir an anderer Stelle, dass unsere Betriebsräte mit Anträgen auf Kurzarbeit konfrontiert werden“, so Robert Hinke, Landesfachbereichsleiter für Gesundheit & Soziales in ver.di-Bayern: „Das passt nicht zusammen“. Insbesondere das Know-how von Reha-Einrichtungen wurde in der bestehenden Krise bislang nicht hinreichend berücksichtigt. Einige Reha- und Kureinrichtungen in Unterfranken, der Oberpfalz, Mittelfranken oder auch Oberbayern schließen ihr Pforten oder kündigen Kurzarbeit an, während das Gesundheitssystem und sein Personal in unzähligen Einrichtungen an ihr Limit gefahren werden. Mit der am vergangenen Freitag beschlossene „Allgemeinverfügung“ der beiden verantwortlichen bayerischen Staatsministerien des Inneren sowie für Gesundheit und Pflege sind späte, aber richtige Entscheidungen zur Steuerung der Patientenströme und Belegungskapazitäten getroffen worden. Aber auch die Arbeitgeber sind in die Pflicht zu nehmen und Kurzarbeit im Gesundheitswesen wo immer möglich auszuschließen.

„Alle Beschäftigten in den bayerischen Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen werden derzeit gebraucht, Ärzte, genauso wie Pflegekräfte, Therapeuten, Beschäftigte im Reinigungsdienst oder dem Transport“, mahnt Hinke. Hier müssen über die regulären Akutkrankenhäuser hinaus auch andere Einrichtungen der medizinischen und rehabilitativen Versorgung systematisch einbezogen werden. Erst hierdurch ließen sich die bestehenden medizinischen Kapazitäten flexibel nutzen, die Überlastung von Personal mildern und die Versorgung auf Dauer sichern.

Die seit dem letzten Freitag in allen 26 Leitstellenbereichen einzusetzenden Ärztliche Leiter der Führungsgruppe Katastrophenschutz, die auch formelle Einrichtung von Koordinierungsgruppen der Krankenhausträger sowie die bayernweite Einführung einer einheitlichen Software zur Erfassung der Kapazitäten weisen in die richtige Richtung. Jetzt gehe es darum, Versorgungslücken zu schließen, Überlastungen durch Patientensteuerung entgegenzutreten und das Personal vor anhaltender Überforderung und Ansteckung zu schützen, forderte Hinke.

Aus Sicht der Gewerkschaft muss es aber auch den Arbeitgebern zugemutet werden, dass die Beschäftigten in den Betrieben eingesetzt bleiben, um bei Bedarf sofort unterstützen zu können. „Die durch Verschiebung planbarer Operationen gewonnene Zeit muss für die Einarbeitung und Qualifizierung der Kolleginnen und Kollegen genutzt werden“, erklärt Kathrin Weidenfelder, Fachsekretärin für den Bereich der Krankenhäuser: „Die Corona-Krise trifft alle Bereiche eines Krankenhauses, auch wenn Intensivstationen und Beatmungsgeräte zurecht im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen.“

Unter dem Ökonomisierungsdruck der letzten beiden Jahrzehnte wurden sogenannte Service-Bereiche aus den Mutterhäusern ausgegliedert. Heute zeigt sich, wie wichtig etwa Reinigung und Logistik für die Aufrechterhaltung eines Krankenhauses sind. „Wir hoffen inständig, dass das Outsourcing der vergangenen Jahre nicht zu einem Bumerang einer sicheren Versorgung wird“, so Hinke, der unter anderem auch Tarifverhandlungen für mehrere Servicegesellschaften in Bayern führt. Unfassbar sei, dass Geschäftsführer auf die Idee kommen, ihre Reinigungskräfte und den Patiententransport in Kurzarbeit zu entsenden. „Offenbar meinen einige Arbeitgeber, ihr betriebswirtschaftliches Risiko über die Agentur für Arbeit kostenneutral auf ihre Beschäftigten abwälzen zu können. Die an einem Tag beklatschten Heldinnen und Helden der Hygiene und Logistik werden am nächsten Tag beiseitegeschoben“, kritisierte Hinke: „Wir fordern alle unsere Betriebsräte dazu auf, sich gemeinsam mit ihrer Gewerkschaft gegen übereilte und vielfach unnötige Kurzarbeit zu wehren.“

Quelle:

ver.di Bayern