Die EU ist Teil des Problems

Wenn es einen Preis für die »besten Worthülsen« gäbe – so eine Art »Dummschwätzer-Oscar«–, die Präsidentin der EU-Kommission wäre eine der ersten Anwärterinnen. Man kennt das ja schon von öffentlichen Äußerungen in ihren drei früheren Minister-Ämtern: Sie steht vor laufenden Kameras, mit sorgendurchtränktem Gesichtsausdruck und Drei-Wetter-Frisur, und dann läßt sie einen Satz los, der alles erklären soll, aber völlig sinnentleert ist.

Am Montag nun bezeichnete Frau von der Leyen »die Herausforderung, der Griechenland jetzt gegenübersteht« doch tatsächlich als »eine europäische Herausforderung«! Eine semantische Höchstleistung, fürwahr.

Zunächst sei festgehalten, daß es keine »europäische Herausforderung« gibt, denn zwischen dem Kontinent Europa und der Lage in Griechenland gibt es absolut keine Zusammenhänge. Tatsächlich handelt es sich um eine Lage, die von einer jahrzehntelangen Politik der Europäischen Union verursacht und durch eine geradezu perverse Politik derselben EU heutzutage noch verschlimmert wird. Sie schafft sich damit selbst eine Herausforderung, mit der sie aber nicht fertig werden kann.

Denn die EU verhält sich zu den Menschen in Ländern, in denen Kriege toben oder in denen durch Unwetter oder durch Dürre die Ernte stark reduziert wird, alles andere als kooperativ. Sie ist immer da an vorderer Stelle mit dabei, wenn sich Aussichten ergeben, aus dem Elend der Menschen noch mehr Profit zu schlagen. Die EU ist stets an der Seite der USA und der NATO, wenn gegen mißliebige oder gar aufmüpfige Regime Sanktionen verhängt werden, vor allem dann, wenn damit gerechnet wird, daß es zu einem »Regimewechsel« kommt und sich dadurch bessere Möglichkeiten eröffnen, in dem Land wirtschaftlich Fuß zu fassen. Daß dadurch Menschen in jenen Ländern massenweise in die Flucht getrieben werden, liegt auf der Hand.

Es ist also durchaus folgerichtig, daß die EU getreu ihrer Linie das Erdogan-Regime in der Türkei unterstützt. Zwar werden die türkischen Bestrebungen, vollwertiges Mitglied des imperialistischen Staatenbündnisses zu werden, seit Jahrzehnten in den Anfängen erstickt, aber es wird auch stets dafür gesorgt, daß die Herrschenden in der Türkei in den Genuß der Wohltaten kommen, die von der EU parat gehalten werden für treue Untertanen aus den oberen Schichten. Das ist der Hauptgrund dafür, daß dem Despoten vom Bosporus mal so eben schlappe sechs Milliarden Euro aus der EU-Kasse zugesagt werden, damit der die Flüchtlinge, die aus aller Welt, vor allem aus dem Nachbarland Syrien, in der Türkei gestrandet sind, bitte schön nicht in Richtung EU ziehen läßt. Daß Erdogan und seine Erfüllungsgehilfen in der Nähe der Grenze zu Griechenland sich nie an diese Abmachung gehalten haben, und nun sogar die Grenzen völlig öffnen, führte bisher nicht zu einem Versiegen des Geldflusses in Richtung Ankara.

Die frühere deutsche Kriegsministerin setzt sogar dem Schmierentheater die Krone auf, indem sie vorgibt, sich um die Flüchtlinge Sorgen zu machen, die an der Grenze der EU stehen und Einlaß verlangen. Daß diese Entwicklung mit einem Angriffskrieg der Türkei gegen Syrien verbunden ist, ficht sie überhaupt nicht an. Im Gegenteil. Weil es ja gegen Syrien und damit auch gegen den Erzfeind Rußland geht, werden auch die Begründungen und die Kriegsberichterstattung im Originalton übernommen. Die Europäische Union und alle ihre Mitgliedstaaten machen damit wieder einmal deutlich, daß sie Teil des Problems sind und daher untauglich, eine Lösung zu finden.

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek