Der 150-jährige Zeitgenosse Lenin

Den nachstehenden Beitrag haben wir aus der deutschsprachigen Online-Ausgabe der kubanischen Tageszeitung Granma übernommen.

Vor einigen Jahren an diesem Tag, als nicht wenige auf der Welt anlässlich seines Geburtstages an Lenin erinnerten, stellte mich einer von jenen Menschen, die sich in den sozialen Netzwerken des Internets der Verfolgung jeglicher vom vorherrschenden Diskurs abweichenden Meinungsäußerung widmen, mit dem „Argument“ infrage, dass der russische Revolutionär veraltet und nicht mehr in Mode sei.

Kurz danach führten der „arabische Frühling“ und die Mobilisierungen der „Empörten“ in der westlichen Welt mehr als einen versierten Verleger dazu, sein Buch Was tun neu aufzulegen und der einflussreiche slowenische Philosoph Slavoj Zizek, der bereits sein Lenin nochmals durchgehen veröffentlicht hatte, sprach unverblümt von der verfluchten „Diktatur des Proletariats“.

In jüngerer Zeit griffen viele von uns auf der Suche nach einer Erklärung für den Sturz der Evo Morales Regierung und der Unfähigkeit der Volkskräfte, sich effektiv zu ihrer Verteidigung zu organisieren, seine Worte in Staat und Revolution auf: „(…) dass die Demokratie auf einer bestimmten Entwicklungsstufe erstens die dem Kapitalismus gegenüber revolutionäre Klasse, das Proletariat, zusammenschließt und ihr die Möglichkeit gibt, die bürgerliche, und sei es auch eine bürgerlich-republikanische, Staatsmaschine – stehendes Heer, Polizei, Beamtentum – zu zerbrechen, in Scherben zu schlagen, aus der Welt zu schaffen, sie durch eine DEMOKRATISCHERE Staatsmaschine, aber immerhin noch durch eine Staatsmaschine zu ersetzen, bestehend aus bewaffneten Arbeitermassen, die dazu übergehen, das gesamte Volk zur Beteiligung an der Miliz heranzuziehen.“

Die Dämonisierung Lenins, vielleicht eine der längsten in der Geschichte, konnte nicht verhindern, dass die Originalität und Brillanz seiner Ideen nicht nur weiterhin Bewunderung erregen, sondern auch weiterhin Licht in das kritische Herangehen an die Realität bringen. Aber Lenin ist viel mehr als ein Theoretiker, er war ein energischer revolutionärer Kämpfer, der sich nicht hinsetzen konnte, um dogmatisch auf „objektive und subjektive Bedingungen“ für die Revolution zu warten; vielmehr trotzte er mit enormem Vertrauen in die Arbeiter und mit einer außergewöhnlichen politischen Intelligenz, um die Fehler seiner Gegner auszunutzen, nach der Errichtung der Sowjetmacht erfolgreich dem Krieg, der Armut und der wirtschaftlichen Blockade der imperialistischen Mächte gegen den neuen Staat, den er auf den Ruinen des Zarismus gegründet hatte.

Als hochgebildete Person, die immer offen für Diskussionen unter Genossen war, erkannte er die Beschränkungen eines Mannes wie Stalin, die Position des Generalsekretärs der Partei auszuüben, und die Gefahren der Bürokratisierung des Sozialismus. Er widmete die letzten Momente, in denen sein Gesundheitszustand ihm das Schreiben erlaubte, darauf, auf die Organisation der Kontrolle der Arbeiter über den Apparat der Partei und des Staates zu dringen. Er kämpfte hart gegen das, was er den „großrussischen Chauvinismus“, unter einigen bolschewistischen Führern nannte, die, wie Stalin selbst, keine geborenen Russen waren, und arbeitete hart daran, Gleichheit und Selbstbestimmung für die vom Zarismus unterdrückten Völker festzulegen.

Der außergewöhnliche Polemiker Lenin hatte so wie Fidel und wie zuvor Marx und Engels nie Angst, den Autor der Ideen zu benennen, gegen die er in seinen Schriften kämpfte. Seine Antwort an den „Renegaten Kautsky“, den er mit unerbittlicher Ironie und Sarkasmus anspricht, würde diejenigen entsetzen, die heute die bürgerliche Demokratie als Lösung für die Probleme der Mehrheit verteidigen: «Die derzeitige „Versammlungs- und Druckfreiheit“ in der „demokratischen“ (bürgerlich-demokratischen) deutschen Republik ist eine Lüge und eine Heuchelei, denn in der Tat ist es die Freiheit der Reichen, die Presse zu kaufen und zu bestechen, die Freiheit der Reichen, die Menschen mit dem stinkenden Brandy der Lügen der bürgerlichen Presse zu berauschen, die Freiheit der Reichen, die stattlichen Villen, die besten Gebäude usw. zu „besitzen“».

Von Natur aus antidogmatisch und tiefgreifender Kritiker seines eigenen Werkes, ist Lenin nicht der Extremist, den die Propaganda normalerweise schildert. Angesichts der zyklopischen Aufgabe, erstmalig einen sozialistischen Staat aufzubauen, in dem „alle Agronomen, Ingenieure und Lehrer aus der besitzenden Klasse kamen“, forderte er, „die gesamte Kultur, die der Kapitalismus hinterlassen hat, zu übernehmen und damit den Sozialismus aufzubauen. Die ganze Wissenschaft, die Technik, das ganze Wissen, die Kunst müssen übernommen werden. Ohne dem können wir das Leben der kommunistischen Gesellschaft nicht aufbauen.“

Als leidenschaftlicher Kämpfer für den Frieden, Verteidiger der Gerechtigkeit und praktischer Mann, um das Beste aus jeder Situation herauszuholen, ist Lenin eine unausweichliche Referenz für die antikapitalistischen und antiimperialistischen Kämpfe unserer Zeit und des sozialistischen Aufbaus. Aber überdies wird dieser 150-jährige Zeitgenosse, statt zu veralten, aufgrund seiner Intelligenz, seiner Ethik, seiner umfangreichen Kultur und seines uneingeschränkten Engagements für die Sache der einfachen Menschen zum Paradigma des Führers, den die Völker in den schwierigen Stunden, die die Welt durchlebt, brauchen.

Quelle:

Granma Internacional