Krankgeschriebene besser schützen

Krankgeschriebene sind dem Patronat ein Dorn im Auge. Eigentlich keine Überraschung, wenn man die Forderungen zahlreicher Unternehmer während der Verhandlungen zur Einführung des Einheitsstatuts noch in Erinnerung hat.
Als »Faulenzer« und »Profiteure« hatten Teile des Patronats Krankgeschriebene damals in aller Öffentlichkeit abgestempelt. Sie forderten, den Druck auf Mitarbeiter, die über gesundheitliche Probleme klagen, verstärken zu dürfen. Und zwar in vielerlei Hinsichten, angefangen beim Ausbau der Kontrollen und schärferen Sanktionen, über die Einführung von Karenztagen und das Streichen von Urlaubstagen bei längeren Krankenscheinen, bis hin zur Kontrolle von »dubiosen« Krankenscheinen patronatsfreundliche, »unabhängige« Mediziner und der Lockerung des Kündigungsschutzes. Mitarbeiter, die nicht zu 100 Prozent fit sind, sollte man sich in den Augen rücksichtsloser Unternehmer problemloser entledigen können.

Es waren schwere Kaliber, mit denen damals auf Krankgeschriebene geschossen wurde. Wenn auch der Großteil dieser Forderungen von den Gewerkschaften abgewendet werden konnten, so hatten wir allerdings von Anfang an davor gewarnt, anzunehmen, das Patronat würde die Gewehre, aus denen die Geschosse abgefeuert wurden, nicht weiter im Anschlag halten.

Schließlich wollen Unternehmer aufgrund der zunehmenden Flexibilisierung und der maximalen Deregulierung der Arbeitszeitorganisation nur Beschäftigte in den Gehaltslisten führen, die jederzeit und allerorts einsatzfähig sind, alle Schikanen erdulden, Stress und Druck gewachsen sind, nicht vor Murks und Hetze einknicken, und auch dann noch Präsenz zeigen, wenn ihre Gesundheit nicht mehr so richtig »mithalten« will. Fehlstunden aus Gesundheitsgründen müssten auf ein absolutes Minimum reduziert werden.

Dass unsere mahnenden Worte damals berechtigt waren, hört man, indem man nicht nur in regelmäßigen Abständen hinter die Betriebsfassaden schaut, sondern dabei auch stets ein offenes Ohr für die zunehmenden Probleme und Ängste der Schaffenden hat.

So klagen zum Beispiel Erwerbstätige in den Bereichen Handel, Reinigung, Sicherheit oder Dienstleistung nicht nur über niedrige Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen, sie beschweren sich auch immer häufiger über die zunehmenden Einschüchterungen an die Adresse von Mitarbeitern, die nicht mehr in der Lage sind, jederzeit 100 Prozent abzuliefern.

Vielfach bleibt es nicht nur bei mündlichen Drohungen, denn seit Jahren werden immer häufiger Arbeitsverträge mit der Begründung aufgelöst, Krankgeschriebene würden den normalen Arbeitsablauf der Firma stören.

Das darf so nicht weiter hingenommen werden. Krankgeschriebene müssen deshalb unbedingt besser geschützt werden. Unter anderem, indem einerseits die Dauer des Kündigungsschutzes von derzeit 26 Wochen im Krankheitsfall verlängert wird, andererseits die Regelung, dass das Anrecht auf Krankengeld nach 78 Wochen krankheitsbedingte Abwesenheiten innerhalb einer Karenzzeit von zwei Jahren erlischt – und damit die automatische Auflösung des Arbeitsvertrags erfolgt –, vollständig gestrichen wird.

Fakt ist, dass sich Arbeitsklima und Arbeitsbedingungen den letzten Jahren massiv verschlechtert haben. Dazu gehört in großem Maße auch die zunehmende Hetzjagd auf Krankgeschriebene, mit der ein für allemal Schluss sein muss.

gilbert simonelli

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek