26. März 2025
UZ - Unsere Zeit

„ReArm Europe“ füllt die Kassen der US-Rüstungsindustrie

Übernommen von Unsere Zeit:

Seit Jahrzehnten predigt man uns: „Wir müssen sparen!“ Plötzlich wirft Europa mit den Milliarden um sich, als gäbe es kein Morgen. Wie schon die 100 Milliarden, die die geplatzte Ampel mal eben in die Rüstung steckte, sollen es nun 800 Milliarden Euro sein, die an Rheinmetall und Co., zum allergrößten Teil aber an US-amerikanische Rüstungsriesen fließen. Schulden heißen nun „Sondervermögen“. „ReArm Europe“ soll Deutschland, ganz EUropa „kriegsfähig“ machen. Schuldenbremse und Wahlversprechen hin oder her. Unter der absurden Flagge der europäischen „Kriegsfähigkeit“ betreiben Friedrich Merz (BlackRock), Emmanuel Macron (Rothschild), Keir Starmer und Ursula von der Leyen den finanzpolitischen Ausverkauf Europas an die globale Zockerelite.

Die ethischen Fragen einmal außen vor – schließlich hieß es 1945 einstimmig „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“ –, so sind die militärischen Leistungen der Europäer nicht gerade berauschend. Die Bundeswehr zählte noch nie wirklich, die Franzosen erlebten 1954 in Dien Bien Phu ihr Waterloo, die Briten hatten es, zusammen mit Franzosen und Israelis, 1956 am Suezkanal gegen Ägypten. Seit rund einem Dreivierteljahrhundert hat keine europäische Armee in einem großen Konflikt gegen einen ernstzunehmenden Gegner gewonnen. Europa auf Augenhöhe mit den Top-Streitkräften des Globus bringen zu wollen, wäre, wenn es denn gelänge, eine Sache von mehreren Jahrzehnten. Mit der Ausdehnung eines „französischen atomaren Schutzschirms“ oder dem deutschen Griff zur Bombe stiege zudem das Risiko einer atomaren Vernichtung Europas beträchtlich.

Deutschland sei „von Freunden umzingelt“, klagte CDU-Verteidigungsminister Volker Rühe in den 1990ern. Das änderte sich, als die NATO ostwärts marschierte. Dass es sich dabei nicht um eine Pfadfindererkundung handelte, machte sie 1999 mit dem Krieg gegen Jugoslawien deutlich. Spätestens seit 2008, dem NATO-Gipfel in Bukarest, laufen die Vorbereitungen für die Stationierung atomwaffenfähiger Raketen vor Russlands Haustür. Dazu wurde der „Russe vor der Tür“ gegen das ultimativ Böse, den russischen Präsidenten, kurz „Putin“, ausgetauscht. Der hat selbstredend nichts anderes vor als durch die Ukraine bis zum Atlantik durchzubrechen. Russland ist ein gewaltiges Land von 17 Millionen Quadratkilometern und nur 143 Millionen Menschen. Es gibt praktisch alle wichtigen Naturressourcen, reichlich Energie, eine prosperierende Wirtschaft, nur zu wenig Arbeitskräfte. Wozu sich „Putin“ dieses marode Europa ans Bein binden sollte, versteht niemand.

Angela Merkel, François Hollande und Petro Poroschenko haben erklärtermaßen Minsk II torpediert, Boris Johnson Istanbul. Der „Stellvertreterkrieg“ der NATO, wie nun selbst US-Außenminister Marco Rubio einräumt, konnte starten. Der Krieg ging verloren, wie so viele des „Westens“ seit 1945. Die Ukraine verlor rund eine Million Menschen auf dem Schlachtfeld und viele Millionen durch Flucht und territoriale Verluste. Die Bevölkerungszahl hat sich seit 1991 praktisch halbiert. Die Ökonomie liegt in Trümmern. Die westliche „Rettung“ hat nicht Russland, sondern die Ukraine ruiniert. Noch so viel Geld und noch so viele Waffen werden keine Wende bringen. Wer heute die Ukraine „retten“ will, muss eigene Truppen schicken.

Wie schon aus ähnlichen Situationen in Korea, Vietnam und Afghanistan verabschiedet sich Washington nun umstandslos aus der Ukraine. Es einigt sich mit Moskau, greift nach allem, was noch Wert besitzt und überlässt es Europa, die Trümmer aufzusammeln. Moskau, bislang eher vorsichtig, versucht nun harte Fakten auf dem Schlachtfeld zu schaffen. Die EUropäer, wie üblich meilenweit von der Wirklichkeit entfernt, glauben offenbar tatsächlich, sie allein könnten dort erfolgreich sein, wo sie zusammen mit dem Pentagon gescheitert sind. Dass es sich bei „ReArm Europe“ im Kern um eine PR-Kampagne der US-Rüstungsindustrie handelt, liegt jenseits ihrer Vorstellungskraft.

Manch einem ist es ja egal, womit er seine Brötchen verdient, und sei es mit Panzern, Bomben und Raketen. Hauptsache, der „ReArm-Euro“ rollt. Aber selbst unter der irrealen Annahme, dass das Geld in Europa bleibt, ist diese Form des schuldenfinanzierten Rüstungskeynesianismus die denkbar schlechteste Variante der Konjunkturförderung. Die dadurch geschaffenen Arbeitsplätze sind rar und teuer, die ökonomischen, technologischen und infrastrukturellen Zweitrunden-Effekte für die Zivilwirtschaft gering, den Negativeffekten der signifikant höheren Verschuldung und Verschuldungskosten stehen deutlich geringere Positiveffekte gegenüber. Natürlich wird uns „ReArm Europe“ mit blumigen Versprechungen verkauft. Für all die Baustellen, die seit Jahren, Jahrzehnten im Land brach liegen, soll plötzlich Geld da sein. Als ob man das Geld für die Brücken, Straßen und Züge, das Gesundheitswesen und die Schulen nicht schon längst hätte leihen können. Keine Frage, es wird gebaut werden. Brücken, Straßen und Gleisanlagen für die Panzertransporte. Aufmarschplätze und Kasernen für die Armee und Flugfelder und Hangars für die Luftwaffe, Hafenanlagen, Docks und Tank- und Versorgungsanlagen für die Marine. Alles was kein Zivilist braucht. Kriegsfähigkeit ist nicht billig.

Man braucht nur in die USA zu gucken. Dort haben die Kosten der permanenten Kriegsführung und die Kosten der daraus resultierenden massiven Verschuldung die Zwei-Billionen-Dollar-Grenze durchschlagen und verschlingen zusammen rund 40 Prozent der Steuereinnahmen. Von den USA lernen – das ist dennoch die Devise.

Quelle: Unsere Zeit