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PKK-Kongress und die Kurdenfrage

Übernommen von Yeni Hayat / Neues Leben:

Yusuf Karadaş

Seit Abdullah Öcalan am 27. Februar die PKK zur Einberufung eines Auflösungskongresses und zur Niederlegung der Waffen aufgerufen hat – und führende PKK-Kader ihre Bereitschaft erklärt haben, diesem Aufruf zu folgen – wird weiterhin darüber diskutiert, wann, wo und unter welchen Bedingungen ein solcher Kongress stattfinden könnte. Während von Seiten der Regierung und der DEM-Partei „positive“ Signale zum Fortgang des Prozesses kamen, betonte die PKK in ihrer jüngsten Erklärung, dass ein Kongress nur dann einberufen werden könne, wenn Öcalan in der Lage wäre, den Kongress zu leiten. Auch die Begegnung am 24. April zwischen der DEM-Partei und Justizminister Tunç, bei der es um die Verbesserung der Haftbedingungen Öcalans auf Imrali ging, lässt sich im Rahmen der Vorbereitungen auf den Kongress deuten.

Laut DEM-Partei-Abgeordnetem Ömer Öcalan habe ihm sein Onkel Abdullah Öcalan bei einem Besuch zum Zuckerfest erklärt: „Wenn die Bedingungen erfüllt sind, kann ich den Kongress leiten“, dabei aber betont: „Das hier ist der Nahe Osten – jeder muss selbst für seine Sicherheit sorgen“ – ein klarer Hinweis darauf, dass er keine Sicherheitsgarantie geben könne. Zudem sagte Ömer Öcalan, sein Onkel sei entschlossen, den Kongress einberufen zu lassen.

Was bedeutet ein Auflösungskongress der PKK überhaupt?
Wer erhofft sich was davon – und welche politischen Kalkulationen stecken dahinter?

Der Koalitionspartner Bahçeli hatte bereits im Oktober letzten Jahres mit Blick auf regionale Entwicklungen gefordert, Öcalan solle die PKK zu einem Waffenverzicht aufrufen – und im Erfolgsfall solle der Prozess mit einer Verfassungsänderung und einer dauerhaften Präsidentschaft Erdoğans gekrönt werden. Die Ereignisse rund um den 19. März – als gegen CHP-Kandidaten İmamoğlu ermittelt wurde – zeigten deutlich, dass dieser Prozess auch genutzt wird, um den Druck auf die Opposition zu erhöhen und sie zu spalten.

Doch auch wenn die Regierung versucht, regionale Risiken in politische Chancen umzuwandeln und das Ein-Mann-Regime zu festigen, lässt sich ein solcher Prozess nicht allein mit regierungstaktischen Interessen erklären. Denn er birgt auch die Möglichkeit, zur Stärkung der Demokratie im Inland und des Friedens in der Region beizutragen.

Es sei daran erinnert: Die PKK ist als eine von vielen Organisationen infolge der ungelösten Kurdenfrage entstanden – konnte sich jedoch nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 unter „besonderen“ Bedingungen durch breite Unterstützung in der kurdischen Bevölkerung behaupten. Ohne diesen Rückhalt wäre die PKK – wie es der damalige Generalstabschef Başbuğ sagte – mehrfach „eliminiert“ worden.

Ob die PKK heute die Waffen niederlegt und unter welchen Bedingungen, wird sie selbst entscheiden. Doch diese Entscheidung hat tragweite Auswirkungen – nicht nur für die PKK, sondern für die gesamte Türkei und die Region.

Öcalans aktueller Aufruf zum Waffenverzicht und zur Selbstauflösung der PKK kann als Ergebnis eines ideologischen Wandels seit der Bekanntgabe seines Programms für eine „demokratische Republik“ im Jahr 1999 gelesen werden. Die Ideen des öko-anarchistischen Denkers Murray Bookchin – insbesondere das Konzept einer demokratischen Konföderation auf Basis von Selbstverwaltung und basisdemokratischer Kommunalpolitik – haben dabei maßgeblich zu dieser Transformation beigetragen. Öcalan selbst stellt seinen jüngsten Aufruf als Fortsetzung dieser Vorstellungen dar: der Kampf solle mit neuen Mitteln und Formen weitergeführt werden.

Die Tatsache, dass die Regierung den Prozess auf das „Ende der PKK durch Auflösung und Abrüstung“ reduziert, ist ein deutliches Zeichen dafür, wie sie diesen Prozess für eigene Zwecke instrumentalisiert. Die PKK und der bewaffnete Konflikt – mit zehntausenden Toten und enormen sozialen und wirtschaftlichen Schäden – sind schließlich ein Resultat jahrzehntelanger Verweigerungspolitik gegenüber einer Lösung der Kurdenfrage. Das Regime im Präsidentenpalast versucht nun, durch die Formel „Wenn das Ergebnis verschwindet, verschwindet auch das Problem“ die Wurzel des Problems zu ignorieren – weil es für seinen Machterhalt keine Alternative zu Repression und autoritärem Kurs sieht.

In diesem Kontext kommt es entscheidend darauf an, wie die oppositionelle CHP sowie fortschrittliche Kräfte im Land reagieren. Denn die Gespräche mit dem Staat über eine Lösung – die laut Militärdokumenten als „niedrigintensiver Krieg“ geführt wurden – werden immer wieder von nationalistischen Kreisen als Kollaboration mit der Regierung diskreditiert. In jüngster Zeit wird sogar behauptet, Öcalan wolle sich der Regierungsallianz anschließen. Solche Unterstellungen, auch wenn sie im Namen des Widerstands gegen das Regime geäußert werden, spielen in Wahrheit der Regierung in die Hände – weil sie den Weg frei machen für die Instrumentalisierung des Prozesses.

Dabei ist klar: In einem politischen Klima, in dem selbst die CHP – die Gründerpartei des Staates – durch Operationen kriminalisiert wird, kann eine Waffenabgabe der PKK das wichtigste Propagandainstrument der Regierung, nämlich die Angst vor Terrorismus, entkräften – und ein demokratisches Fenster öffnen.

Was nun zählt, ist, dass die CHP und die demokratischen Kräfte im Land diesem Prozess nicht die Bühne überlassen, sondern ihn als Anknüpfungspunkt für die demokratische Lösung der Kurdenfrage nutzen. Schon der Versuch, im Rahmen der Newroz-Feiern und der Operation vom 19. März die DEM-Partei und die CHP gegeneinander auszuspielen, konnte durchkreuzt werden. Wenn die CHP es ernst meint mit der parlamentarischen Lösung der Kurdenfrage, sollte sie diesen Moment aktiv mitgestalten – und die Doppelmoral der Regierung entlarven.

Nicht zu vergessen: Ein demokratischer Umgang mit der Kurdenfrage wäre auch ein wichtiger Schritt gegen Erdoğans Zusammenarbeit mit islamistischen Milizen wie HTŞ und FSA in Syrien – und damit zugunsten eines säkularen und friedlichen Zukunftsmodells für die Region.

Fazit: Während die Regierung gleichzeitig mit Razzien gegen linke Gruppen, dem 1.-Mai-Verbot und einer neuen Angriffswelle auf die Istanbuler Stadtverwaltung vorgeht, zeigt der aktuelle Prozess um die Kurdenfrage, dass Risiken und Chancen eng beieinanderliegen. Wer diese Risiken in Chancen verwandeln will, muss sich gegen die Vereinnahmung durch das Regime stellen – und sich für eine demokratische Lösung einsetzen. Das ist heute – gerade in den Tagen rund um den 1. Mai – die Grundlage für einen gemeinsamen Kampf aller demokratischen und fortschrittlichen Kräfte, die viel zu lange durch das Schreckgespenst „Terror“ voneinander getrennt wurden.

Quelle: Yeni Hayat / Neues Leben