Gedenken auf Abwegen

Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Foto: Ron Porter / Pixabay
Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Foto: Ron Porter / Pixabay

Als der 27. Januar im Jahre 2005 von der UNO zum »Internationalen Gedenktag für die Opfer des Holocaust« deklariert wurde, konnte man bereits ahnen, daß hier eine neue Grundlage für eine Revision der Geschichte gelegt wurde. Die ursprünglich gute Absicht, den 60. Jahrestag der Befreiung des faschistischen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee der Sowjetunion für diesen Gedenktag auszuwählen, hat in der heutigen Berichterstattung über die unterschiedlichen Gedenkveranstaltungen kaum noch eine Bedeutung. Vor allem in Deutschland erinnert man sich in offiziellen Kreisen nicht gern an diese Leistung der Armee und der Menschen des Landes, das am meisten unter der Aggression der deutschen Faschisten zu leiden hatte, die meisten Opfer bringen mußte und zugleich den wichtigsten Anteil an der Zerschlagung des Hitler-Regimes auf seine Fahnen geschrieben hat.

Wer sich die offiziellen Reden dieses Tages anhört, muß zwangsläufig ein anderes Bild bekommen. Denn da ist – wie eigentlich stets in der bundesdeutschen Geschichtsdarstellung – nicht die Rede von Faschismus. Man übernimmt die verlogene Bezeichnung »Nationalsozialismus«, mit der schon Adolf Hitler und seine Kumpane Millionen Deutsche in die Irre, ins Elend und schließlich in den Tod führten.

Und da ist nicht die Rede von ALLEN Opfern dieses menschenverachtenden Regimes. Tatsächlich hatten sich erst die Schlägertrupps der SA, und dann sämtliche Machtorgane des Naziregimes zunächst die Kommunisten als ihre Hauptfeinde auserkoren. Sie waren die ersten, die auf den Straßen und in den Versammlungssälen verprügelt und totgeschlagen und die zu Tausenden in die eilig errichteten ersten Konzentrationslager verschleppt wurden. Dort folgten den Kommunisten sehr bald linke Sozialdemokraten, standhafte Gewerkschafter, aufrechte Christen und viele andere Antifaschisten, die von den Nazis aus dem Weg geräumt werden sollten, damit sie »weiter marschieren« konnten, »bis alles in Scherben fällt«…

Die Ideologen des Hitlerfaschismus hatten auch die Juden zu ihrem Feind deklariert, sogar zum Feind der »deutschen Herrenrasse«. In ihrem Rassenwahn vertrieben sie jüdische Menschen aus ihren Häusern, stahlen deren Eigentum, schickten sie zu Tausenden in ihre neuen Konzentrationslager, zwangen sie zu Sklavenarbeit für de Profit deutscher Konzerne, töteten sie zu Hunderttausenden durch Erschießungskommandos und in den Gaskammern – in vielen Fällen zusammen mit Zehntausenden sowjetischen Kriegsgefangenen und politischen Gegnern aus fast allen Ländern Europas.

Es ist notwendig, der 6 Millionen Juden zu gedenken, die ohne jede Schuld und zumeist ohne jede Gegenwehr dem Vernichtungswahn der deutschen Faschisten geopfert wurden. Es ist jedoch eine grobe Geschichtsfälschung, wenn heute der Staat Israel als Inhaber des Vermächtnisses dieser Opfer des Faschismus dargestellt wird, und wenn die Abermillionen Opfer, die die Sowjetunion und die anderen überfallenen Länder zu beklagen haben, dabei gar nicht oder nur am Rande erwähnt werden.

Noch verwerflicher ist es, wenn so getan wird als sei der Aufstieg des Faschismus eine Art Unfall der Weltgeschichte. Faschismus bedeutet »die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals«. Kapitalisten, Stahl- und Kohlebarone, Rüstungskonzerne und Banken haben die Faschisten finanziert, ihnen zur Macht verholfen und prächtig daran verdient. Ein offizieller Gedenktag darf nicht dazu führen, das vergessen zu machen!

Uli Brockmeyer

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek – Unser Leitartikel: <br/>Gedenken auf Abwegen