Kletteraktivistin gewinnt gegen Land NRW
Das Landgericht Essen hat am 15.12.2016 der Klage einer Umweltaktivistin gegen das Land NRW statt gegeben und ihr ein Schmerzensgeld in Höhe von 400 Euro für eine zweistündige rechtswidrige Ingewahrsamnahme anlässlich einer Demonstration gegen den Kohle- und Atomkonzern E.ON zugesprochen.
Umweltaktivist*innen hatten im Mai 2012 Protestaktionen anlässlich der Jahreshauptversammlung von E.ON angekündigt und eine Demonstration vor der Gruga-Halle angemeldet. Die als „Eichhörnchen“ bekannte Kletteraktivistin Cécile Lecomte wollte im Rahmen dieser Demonstration ein Transparent gegen den Kohle- und Atomkonzern E.ON aufhängen, um ihre Botschaft für die Gäste der Jahreshauptversammlung sichtbar zu machen. Die Polizei hinderte sie daran und zog sie mit Gewalt aus der Demonstration heraus.
Die Kletteraktivistin wehrte sich verbal gegen den Polizeieinsatz und wies die Beamt*innen auf die Rechtswidrigkeit ihrer Handlung hin. Die Polizeifestigkeit von Versammlungen verbiete es, dass Demonstrant*innen ohne begründeten Anlass und voriger Ausschluss aus einer Versammlung entfernt werden. Die Beamt*innen lenkten jedoch nicht ein und nahmen die Aktivistin in Gewahrsam. Diese wurde ins Polizeipräsidium gebracht und kurz darauf ins Krankenhaus eingeliefert. Sie litt auf Grund der brutalen Festnahme und der schmerzhaften Zwangsanwendung durch die Beamt*innen unter einer Kreislaufstörung.
Es folgte eine jahrelange juristische Auseinandersetzung. Die Polizei räumte im Herbst 2015 vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen die Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahmen gegen die Kletteraktivistin ein. Das Gericht hatte die Polizei zuvor darauf hingewiesen, dass es die polizeilichen Maßnahmen gegen die Klägerin für rechtswidrig und somit die Klage für begründet hielt. Das Aufhängen von Transparenten in einem Baum sei versammlungsimmanent und stelle keine grobe Störung dar.
Das Zugeständnis der Polizei reichte Cécile Lecomte nicht. „Ob bei Protestaktionen gegen E.ON oder gegen RWE, die Essener Polizei ist Wiederholungstäterin, sie geht immer wieder gegen Umweltaktivist*innen rechtswidrig vor.“ Damit spielt sie auf Protestaktionen an der Säulen des RWE-Towers an. Dort wurde sie nach einer Demonstration in luftiger Höhe 2015 ebenfalls festgenommen. Ein Jahr später wurden weitere Kletteraktivist*innen an gleicher Stelle erneut festgenommen. Ob die Staatsanwaltschaft ein Jahr zuvor bereits klar gestellt hatte, dass im öffentlichen Raum demonstriert werden darf und das Beklettern der Säulen kein Hausfriedensbruch darstellte.
„Es kommt mir so vor, als handele die Essener Polizei systematisch im Namen der Energie-Riesen. Grundrechte wie das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind ihr dagegen egal,“ stellt Cécile Lecomte fest. Dies bewegte sie dazu, sich mit dem Sieg vor dem Verwaltungsgericht im Falle ihrer Ingewahrsamnahme beim Protest gegen E.ON nicht zufrieden zu geben und die Polizei vor dem Landgericht zusätzlich auf Schmerzensgeld zu verklagen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes stellt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer polizeilichen Maßnahme keine ausreichende Genugtuung dar, so dass Anspruch auf Schmerzensgeld besteht. Die Essener Polizei, vertreten durch das Land NRW wollte von den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nichts wissen und ging auch nicht auf den richterlichen Vorschlag einer gütlichen Einigung ein, so dass das Landgericht schließlich ein Urteil sprechen musste. Das Landgericht hält 400 Euro für eine zweistündige Ingewahrsamnahme für angemessen.
Kletteraktivistin Cécile Lecomte ist zufrieden: „ Das Urteil entspricht meinen Erwartungen. Schöner wäre es natürlich, wenn die Polizei sich an die Grundrechte halten würde. Geld macht Willkür nicht wider gut. Auch werden die verantwortlichen Beamt*innen nicht zur Verantwortung gezogen. Das Geld muss das Land NRW zahlen, also der Steuerzahler.“