Protest gegen G20: Uni Marburg besetzt!

Besetzte Fakultät der Uni Marburg. Foto: Unsere PhilFakStudierende halten seit Montag die Philosophische Fakultät der Philipps-Universität Marburg besetzt. Die Aktion richtet sich gegen den bevorstehenden G20-Gipfel, der am 7. und 8.Juli in Hamburg stattfindet. Die Studierenden rufen dazu auf, sich zahlreich den Protesten und Aktionen dagegen anzuschließen. Wir dokumentieren nachstehend die Erklärung der BesetzerInnen.

Das Chaos des kapitalistischen Normalzustandes tritt immer gravierender zu Tage. Kriege, Umweltzerstörung, postkoloniale Ausbeutung und Flucht treten als Ergebnis dessen immer stärker auf. Der Kapitalismus befindet sich dabei in einem ihm inhärenten Krisenzustand, der seine Gewalt immer offener werden lässt. Viele sehnen sich in dieser Phase nach Sicherheit und Stabilität und suchen diese in reaktionären Lösungen wie Nationalismus, welcher in vielen Regionen der Welt erstarkt.

So baut Erdogan seine faschistische Alleinherrschaft aus, indem der türkische Staat abertausende Regierungskritiker*innen verhaften lässt, womit versucht wird, die Opposition auszuschalten. Dies äußert sich mitunter in militärischer Gewalt gegen demokratische Bewegungen und Bestrebungen innerhalb der Türkei.

Ein rechtspopulistischer, rassistischer Troll gewinnt die Wahlen in den USA, erlässt Gesetze gegen die Einwanderung von Muslim*innen, äußert sich am laufenden Band sexistisch und steigt aus dem Pariser Klimaabkommen aus.

Nun treffen sich unter anderem diese Anfang Juli in Hamburg um als G20, den selbsternannt mächtigsten 19 Staats- und Regierungsschefs und der EU, um über die globalen Krisen zu beratschlagen. Dabei blenden sie jedoch aus, dass die Krisen systemimmanent sind und Lösungen daher nur in der Überwindung des bestehenden Systems zu finden sind. Natürlich ist das G20- Treffen kein demokratischer Rahmen, doch können wir von tatsächlicher Demokratie in Bezug auf die herrschenden Verhältnisse sowieso nicht sprechen.

Auch hier in Marburg schlagen sich diese Zustände nieder und treten offen zu Tage. Die Stadtregierung führt drastische Kürzungen im sozialen und kulturellen Bereich durch, die unter anderem viele selbstverwaltete alternative Kulturorte betreffen. Gleichzeitig scheinen für den Bau von Repräsentativbauten wie einer neuen Stadthalle aber plötzlich enorme Summen vorhanden zu sein. Die Mietpreise in der Universitätsstadt steigen unaufhaltsam, da die Stadt auf bezahlbaren sozialen Wohnungsbau verzichtet undan Stelle dessen den großflächigen Bau von Luxuswohnungen in der Nordstadt zulässt. Der von der CDU hofierte Christustreff will auf dem Gelände des ehemaligen Lokschuppen einen weiteren Ort schaffen um sein reaktionär-religiöses Weltbild zu verbreiten. Dabei würde ein weiterer Raum zur Missionierung und Multiplizierung von LGBTIQ*/Feindlichkeit entstehen.

Es reicht! Wir haben dieser Tage die Philosophische Fakultät besetzt, um einen Raum zu schaffen um uns zu bilden und zu vernetzen, zu diskutieren und alternative Kultur zu genießen! Wir eignen uns diesen Raum wieder an, um ihn selbstverwaltet und basisdemokratisch zu gestalten und zu nutzen. Wir wollen diskutieren und Strategien entwickeln, um Utopien zu erdenken und umsetzbar zu machen! Wir beziehen uns dabei solidarisch auf die vielen Kämpfe, Aktionen und Organisierungen vonMenschen weltweit, die ähnliche Ziele verbindet: zum Beispiel in Argentinien gegen den heteronormativen Normalzustand, in Frankreich gegen die Sozialgesetze, in den USA gegen sich immer weiter ausbreitenden Rassismus und Sexismus und in Kurdistan für den Aufbau demokratischer, ökologischer, geschlechterbefreiender Selbstverwaltung. Auch in Deutschland werden Jugendproteste durch die aktuell stattfindenden Besetzungen wie in Bochum, Münster, Berlin, Hamburg und zuletzt in Kassel und Frankfurt sichtbar.

Die Universität ist ein Ort der Wissensproduktion für die kapitalistische Verwertung. Sie hat einen zentralen Stellenwert in der Gesellschaft und übt viel Einfluss auf sie aus. Wir sollten daher nicht zulassen, dass sie für die Fortführungen von zerstörerischen Strukturen genutzt wird, sondern sie für gemeinschaftliche solidarische Kämpfe nutzen. Wir nehmen uns nun diesen Raum für andere Formen der Bildung, Debatte und Kultur.

Mit euch möchten wir Visionen von Bildung und Wissenschaft entwickeln und leben, die der Befreiung von Individuum und Gesellschaft dienen, die Menschen befähigen sich und ihre Umwelt gemeinsam nach ihren Bedürfnissen zu gestalten, um voranschreitender Entdemokratisierung die Stirn zu bieten! Indem wir das Ruder selbst in die Hand nehmen, kehren wir in diesen Tagen bestehende Verhältnisse um!

Dabei möchten wir der Vereinzelung etwas entgegensetzen, unsere Leben repolitisieren und einen Ort schaffen in dem Erfahrungen von Kollektivität, Gemeinschaftlichkeit und Zusammenhalt gemacht werden können. Dafür grundlegend ist, dass wir versuchen, Unterdrückungs- und Ausgrenzungsmechanismen jeglicher Art reflektieren und thematisieren, um deren Reproduktion zu vermeiden. So wollen wir einen Raum schaffen der frei von Hierarchie, Diskriminierung und Grenzüberschreitungen ist.

Für die nächsten Tage haben wir ein offenes Kultur- und Bildungsprogramm mit Vorträgen, Workshops und Konzerten entwickelt, das darauf wartet je nach Interessen der Menschen ergänzt zu werden! Ein Fokus soll auf die kollektive Vorbereitung auf die Aktionen gegen den G20-Gipfel in Hamburg gelegt werden. Zwischen den Veranstaltungen wird es Gelegenheit zum Diskutieren, Wohnen, Quatschen und kollektiven Leben geben. Auch für die Verpflegung während der Besetzung ist gesorgt, denn ohne Mampf kein Kampf!

Kommt in die PhilFak! Wir möchten mit euch gemeinsam einen Raum gestalten, der sich basisdemokratisch selbstverwaltet. Die Besetzung ist für alle offen, die sich beteiligen und einbringen möchten! Lasst uns in den nächsten Tagen über ein schönes Leben diskutieren und es erproben! Denn um nichts weniger geht es!

Quelle: Unsere PhilFak / RedGlobe