Es bleibt noch viel zu tun

Die vielen Arbeitsunfälle, die alljährlich bei der Unfallversicherung gemeldet werden, sind ein Beleg dafür, dass es in punkto Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz noch große Defizite gibt. Zwar ereignet sich heutzutage rund ein Fünftel der gemeldeten Unfälle auf dem Weg zur oder von der Arbeit, doch werden die meisten Arbeitsunfälle nach wie vor durch die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes oder die Arbeitsbedingungen verursacht.

Nun, für die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz ist laut Gesetz das Patronat verantwortlich. Dies sollte man Betriebsinhabern und Managern stets vor Augen halten. Zumal diese keine sich bietende Gelegenheit auslassen, um gegen die in ihren Augen zu vielen Fehlstunden (absentéisme) – übrigens die niedrigsten in der Großregion – zu stänkern. Deshalb sollten auch wir sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit daran erinnern, dass es allein mit guten Absichtserklärungen oder dem Abdrucken von Broschüren, in denen auf Unfallgefahren hingewiesen wird, nicht getan ist, dass beispielsweise ordnungsgemäße Absicherungen von Baustellen nicht nur auf farbigem Glanzpapier abzubilden, sondern »um Terrain« vorschriftmäßig anzubringen sind und dass es die Sicherheit am Arbeitsplatz nicht zum Nulltarif gibt.

Über Sicherheitsvorkehrungen darf nicht nur diskutiert werden, sie müssen umgesetzt werden. Egal ob es sich dabei um die Bereitstellung von Schutzkleidung und adäquatem Werkzeug oder um Schutzmaßnahmen gegen Hitze, Kälte, Feuchtigkeit oder unzureichendem Licht handelt. Eine Aufzählung, die man im Sinne der Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz problemlos fortsetzen könnte.

Von der ständig wachsenden psychischen Belastung am Arbeitsplatz ganz zu schweigen. Eine gesetzliche Regelung gegen Überbelastung, Druck, Stress oder Mobbing gibt es jedoch nicht. Dies obwohl eindeutig nachgewiesen ist, dass es sich hierbei allesamt um Faktoren handelt, die der Gesundheit massiv schaden.

Wetten, dass die Einführung einer solchen Regelung beim Patronat auf großen Widerstand stoßen würde? Schließlich bestünde die Gefahr, dass ein Gesetzestext zu dieser Thematik festhalten könnte, dass Personalmangel, zunehmende Flexibilisierung und Deregulierung der Arbeitszeitorganisation – längere Arbeitszeiten, zu kurze Ruhepausen oder gestrichene freie Tage sind meist die Folge – nicht vereinbar wären mit der angestrebten Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz.

Sorgen braucht sich das Patronat in dieser Hinsicht jedoch keine zu machen. Denn für eine Gesetzesreform, die zum Schutz der arbeitenden Menschen festhalten würde, dass den Unternehmern bei Verstößen gegen die Sicherheitsbestimmungen so richtig auf die Pfoten geklopft wird, ist keine der Parteien, die derzeit die Regierung bilden (oder künftig bilden wollen), zu haben.

Gepfefferte Geldtrafen bei schwerwiegenden Verstößen, welche die Betriebe finanziell schwerer belasten würden als Investitionen in die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, und Teile des Patronats in Sicherheitsfragen somit zu einem Umdenken bewegen könnten, dürfte es auch künftig nicht geben. Schließlich darf an der Vorgabe, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmer nicht zu gefährden, nicht gerüttelt werden.

Da fällt es schon einfacher, bei Arbeitsunfällen nach eventuellem menschlichen Versagen zu forschen, um, wie meistens der Fall, beim Festlegen der Unfallursache mit dem Finger auf das schwächste Glied in der Reihe – also auf das Unfallopfer – zeigen zu können.

gilbert simonelli

 

Aus: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek