Russlands Außenminister Sergej Lawrow zu den Vorwürfen Großbritanniens

Frage: Sie haben gesagt, dass Russland keine Motive hat, und bezeichneten die Vorwürfe Großbritannien gegen Russland als Blödsinn. Wie meinen Sie, welche Schritte kann Russland in dieser Situation unternehmen? Was kann Russland machen, damit die Wahrheit festgestellt wird?

Sergej Lawrow: Russland macht wohl mehr, als jemand anderer, darunter Vereinigtes Königreich. Großbritannien erklärte, dass dieses Geschehen (als der Mann mit seiner Tochter entdeckt wurden) das Ergebnis einer Vergiftung war, dass sie selbst eine Untersuchung machten und beschlossen, dass der Giftstoff in der Sowjetunion hergestellt wurde und sich bei den Russen erwies, weil nicht alle Vorräte der chemischen Waffen vernichtet wurden.

Deswegen bleibt keine andere Variante außer dass von Russland entweder auf Auftrag der Staatsführung oder wegen Verlust der Kontrolle über die Vorräte von chemischen Waffen gemacht wurde. Doch auch in diesem Fall ist Russland schuld, weil es die ganzen C-Waffen hätte vernichten müssen.

Fast jedes Wort bei der Aufzählung dieser Vorwürfe soll widerlegt werden. Niemand zeigt jemandem etwas. Als im britischen Parlament diese Frage besprochen wurde, hat der Labour-Chef Jeremy Corbyn gebeten, dem Parlament die Ergebnisse der Untersuchung vorzulegen. Ihm wurde das ebenfalls verweigert. Das soll Fragen in traditionellen und etablierten Demokratien auslösen.

Was das Andere betrifft, erwarten wir vom Vereinigten Königreich eine offizielle Anfrage, Einsatz der Verfahren der Chemiewaffenkonvention (dort sind alle diesen Verfahren festgeschrieben). Uns wird aber gesagt, dass die Erklärung der Regierungschefin Theresa May im Parlament und die Vorladung unseres Botschafters zum Außenminister Boris Johnson, bereits eine offizielle Anfrage ist. Das stimmt nicht, das ist eine absolut falsche Erklärung.

Gemäß der Konvention soll eine Seite, die etwas klären soll, was auf ihrem Territorium geschah, das offiziell, schriftlich machen. Ich habe keine Zweifel daran, dass unserer britischen Kollegen alles sehr gut wissen – dort sitzen ja kluge Menschen. Dass sie sich kategorisch weigern, eine offizielle Anfrage zu machen und bewusst und arrogant die Entfachung der antirussischen Rhetorik im öffentlichen Raum bis zur Hysterie anstreben, bedeutet, dass sie sehr gut verstehen, dass sie keinen formellen Anlass haben, den juridischen Weg zu gehen. Sie versuchen, alles in den Bereich der politischen Rhetorik, Russlandhass in der Hoffnung zu bringen, dass sich die westliche Welt in eine Reihe stellt, zumal haben die USA erklärt, dass sie die Position Großbritanniens vollständig unterstützen.

Wir stellten mehrere Fakten bereit, die nicht ignoriert werden sollen, darunter aus den westlichen Wissenschaftsmagazinen der letzten 15 Jahre, ich wiederhole nochmals, die westlichen Artikel über die Arbeit am Giftstoff, der in Großbritannien Nowitschok bezeichnet wird. Nachdem C-Waffen in der Russischen Föderation vernichtet worden waren, wurden diese Arbeiten in den USA, Großbritannien, Tschechien, Schweden fortgesetzt, so Medienangaben. Das alles begann 1991-1992, als die Sowjetunion zerfiel und de Labore zur Herstellung der Giftstoffe dieser Kategorie in mehreren Ländern neben der Russischen Föderation blieben, darunter Baltikum-Länder, Usbekistan. Das usbekische Labor, usbekische Lager wurden gerade unter Teilnahme der Spezialisten aus den USA beseitigt. Jetzt ist es also sehr schwer zu klären, wer, was gesehen und was mitnehmen konnte. Doch der Fakt bleibt bestehen – der bekannte Chemiker, der aus der Sowjetunion ausreiste und jetzt in den USA wohnt, Will Mirsojanow (er war nicht alleine, es waren mindestens zwei-drei Chemiker) wurde zusammen mit Dokumenten in den Westen ausgeführt. Wir haben alle diesen Fakten vorgelegt. Dass sie sich weigern, das anzuerkennen, und das nicht besprechen wollen, bringt zu Gedanken.

Solches Fakt – Sergej Skripal und seine Tochter sind am Leben. Anscheinend wenn sie gesund werden, ich hoffe so, können sie über das Geschehene berichten. Niemand will darauf warten. Alles ist schon beschlossen, und wie britische Kollegen sagten, wird uns nichts gezeigt, sie wissen alles und wir sollten ein Geständnis ablegen, wonach wir bestraft werden. Das ist eine Übersetzung vom Englischen davon, was sie sagen.

Dabei sagen sie dazu, inwieweit sie sich darin sicher sind – „highly possible“. Doch angesichts der Flexibilität der englischen Sprache, ist für die Vorwürfe, absolut provokative Handlungen, darunter Auslieferung der Diplomaten und Drohung der weiteren Verschlechterung der Beziehungen, „highy possible“ nicht sehr ernsthaft.

Der Exekutivrat der OPCW hatte gestern eine Sitzung in Den Haag. Wir schlugen erneut vor, die Verfahren einzuleiten, die in der Konvention über das Verbot chemischer Waffen festgeschrieben sind. Der britische Vertreter sagte arrogant, dass Großbritannien das nicht machen muss. Im Prinzip hat ein Mitgliedsland der Konvention wohl die Möglichkeit zu sagen, dass es sich an dieses Organ nicht wenden will. Doch sie haben das doch gemacht! Da man sich an diese Organisation wandte, muss man sich nach Punkten der Konvention richten, die eine Anfrage vorsieht, weil wir verdächtigt werden, dass wir das Land der Herkunft und sogar des Einsatzes dieses Giftstoffs sind. Dieser Stoff sollte bereitgestellt werden, damit wir zusammen mit OPCW-Experten seine chemische Zusammensetzung analysieren. Danach haben wir nach dem Eingang der Anfrage von der britischen Seite zehn Tage gemäß dieser Konvention, um eine Antwort zu geben. Falls diese Antwort der britischen Seite nicht passen würde, hat sie gemäß dieser Konvention ein Recht, sich mit dem Vorschlag der Einberufung einer Sondersession des Exekutivrats der OPCW zu wenden, der entsprechenden Beschluss fassen wird. Die Engländer wollen nichts davon nutzen, sie haben das auch gesagt. Falls einige Länder nach solchem Verhalten sagen können, dass sie mit London solidarisch sind, wissen sie, das ist Verzerrung des gesunden Verstandes.

Es gibt auch andere Methoden. Falls ihnen die OPCW und die Konvention nicht passen, die ihre Grundlage bildet, gibt es noch die europäische Konvention über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen 1959. Man kann auch diesen Mechanismus einsetzen. Doch der ganze Pathos der britischen Reden und Rhetorik besteht darin, dass sie uns überhaupt nichts zeigen müssen. Sie beschlossen, dass sie keine Zweifel haben, und fordern die Bestrafung der Russischen Föderation. Das ist lächerlich.

Sie erwähnten das Fehlen von Motiven. Ehrlich gesagt, gibt es sie tatsächlich nicht. Im Prinzip kann man in keiner Situation sich vorstellen, dass sich die Russische Föderation damit befassen wird. Doch auch wenn man hypothetisch diese kranke verzerrte Logik der westlichen Kollegen betrachtet: Wer kann im gesunden Verstand vermuten, dass die Russische Föderation kurz vor der Präsidentschaftswahl, der Fußball-WM plötzlich sich selbst solche Probleme bereitett? Es gibt keine Motive. Motive haben jene, die uns weiterhin unter Druck setzen, nach neuen Anlässen suchen, die Austragung der Fußball-WM zu erschweren. Das ist allen bekannt. In Bezug auf die Motive der britischen Regierung, Regierung der Konservativen (das war wohl indirekt in Kommentaren vieler Autoren westlicher Medien zu hören), ist wohl klar, dass sich London in einer sehr schweren Situation bei den Brexit-Verhandlungen mit der EU erwies. Die Popularität dieser Regierung sinkt. Es wurde nicht geschafft, das aus Brüssel zu holen, was dem Volk versprochen wurde, und das ist der öffentlichen Meinung Großbritanniens bekannt. Solcher Schritt mit der Provokation um Sergej Skripal lenkt die Aufmerksamkeit ab. Ein weiterer Grund (vielleicht ist das meine subjektive Meinung, ich kenne ein bisschen Briten) ist ihr Wunsch nicht vergessen zu werden, ihr Streben nach der Führungsrolle. In diesem Fall wurde zum Instrument des Russlandhasses gegriffen, weil es wohl immer weniger Plattforme gibt, wo Großbritannien bewusst die Führungsrolle spielen kann. Ich wiederhole, wir sind offen zum Dialog, wir haben das in Den Haag, im OPCW-Exekutivrat gesagt, indem vorgeschlagen wurde, alle Möglichkeiten zu nutzen, die die Konvention für die Analyse und Untersuchung dieser Frage bietet. Wir haben gestern im UN-Sicherheitsrat vorgeschlagen, die Erklärung des Vorsitzenden des Sicherheitsrats anzunehmen, die alle Seiten zur Kooperation aufrufen würde, um die Wahrheit festzustellen. Diese Erklärung wurde von unseren britischen Kollegen blockiert, was erneut bestätigt, was ich bereits gesagt habe – sie streben nicht die Feststellung der Wahrheit an, sondern dass alle das annehmen, was sie in der Welt als „Wahrheit“ verbreiten. Ich denke nicht, dass sie das schaffen werden.

Quelle:

Außenministerium der Russischen Föderation