Hauen und Stechen in Washington

In jedem normalen Land der Welt würde man spätestens nach dem Dienstag dieser Woche von einer handfesten Regierungskrise sprechen. In jedem normalen Land, nicht jedoch in Trumps USA.

Wahrlich, die USA unter dem Präsidentendarsteller Donald Trump scheinen sich von Woche zu Woche und neuerdings sogar von Tag zu Tag immer mehr als unregierbar herauszustellen. Was soll man von einem Präsidenten halten, der sich in einem Jahr Amtszeit mehr als 100 Tage auf irgendwelchen Golfplätzen aufhält, von dem bekannt ist, daß er einen Großteil seines »Arbeitstages« vor dem Fernseher verbringt, und der seine Umgebung und Millionen »Follower« täglich mit Twitter-Nachrichten verwirrt? Was soll man von einem Präsidenten halten, der in reichlich einem Jahr einen Großteil der ihn umgebenden hochrangigen Beamten entweder eingebüßt oder gefeuert hat?

Es war bereits vor über einem Jahr abzusehen, daß dieser Milliardär und Möchtegern-Politiker nicht nur keine Ahnung von der Lenkung eines Staates hat – noch dazu eines Staates mit dem politischen, wirtschaftlichen und militärischen Gewicht der USA – sondern diese Regierung – wenn man sie überhaupt als solche bezeichnen kann – leiten würde wie eines seiner Unternehmen: mit spontanen Entscheidungen, die jeweils von ad-hoc-Überlegungen über eine höchstmögliche Profitrate bestimmt sein würden. Dieser Mann hat keinerlei politische Linie, die seinen Entscheidungen zugrunde liegt. Sein Verhalten gegenüber seiner engeren Umgebung erinnert an seine frühere TV-Show, in der es darum ging, bestimmte Leute für bestimmte Aufgaben anzuheuern und dann nach Belieben wieder zu feuern.

Der Satz »you are fired« – du bist gefeuert – hat ihn einst bekannt gemacht. Seit seinem Wahlkampf glänzt er mit Sätzen wie »Make America great again« und neuerdings mit seinem Wahlslogan für 2020 »Keep America great« – laßt Amerika großartig bleiben – denn er ist davon überzeugt, daß »Amerika« dank seines Tuns seit einem Jahr absolut großartig geworden ist.

In Wirklichkeit ist so gut wie keines seiner Wahlvorhaben umgesetzt worden, auch mangels geeigneten Personals. Viele Posten in der Administration sind unbesetzt, vor allem im Außenministerium. In etlichen durchaus wichtigen Ländern der Welt gibt es seit über einem Jahr keinen USA-Botschafter. Wenn es überhaupt die Andeutung einer Außenpolitik gab, dann dank des früheren Ölmanagers Rex Tillerson. Aber auch mit Tillerson blieb die Außenpolitik des mächtigsten westlichen Landes unberechenbar, und das wird nicht besser, nachdem der Minister per Twitter von seiner Ablösung unterrichtet wurde. Und schon gar nicht, wenn demnächst der Tea-Party-Hardliner und bisherige CIA-Chef Mike Pompeo das State Department übernehmen wird.

Was wir im Moment in den USA erleben müssen, ist ein wildgewordener radikaler Kapitalismus, eine Entwicklung, bei der nur noch das Wachstum der Bankkonten des Präsidenten und der Eigentümer der großen Banken und Konzerne das einzig ausschlaggebende Kriterium für jegliche Politik ist. Donald Trump hat das Grundprinzip dieser Gesellschaft, laut dem ein Kapitalist nur dann etwas unternimmt, wenn er sich davon einen entsprechenden Gewinn versprechen kann, auf die Spitze getrieben. Dieser Radikalkapitalismus mit all dem Hauen und Stechen in Washington und weit darüber hinaus bedeutet eine ungeheure Gefahr nicht nur für die USA, sondern für die gesamte Welt.

Uli Brockmeyer

 

Aus: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek