Wir bleiben dabei: Konsum statt Gedenken? Niemals!

Die Erinnerung an den Faschismus und die Auseinandersetzung damit sind gesellschaftliche Aufgaben und gehören in den öffentlichen Raum

Unser gemeinsames Ziel ist eine Sichtbarmachung des Ortes als zentrale Stätte des Nazi-Terrors und als würdiger Dokumentations- und Erinnerungsort an den antifaschistischen Widerstand in Hamburg

Mitten in Hamburgs Innenstadt befindet sich der ehemalige Sitz der Ordnungspolizei, der Gestapo, der Kriminal- und Sicherheitspolizei und weiterer Polizeidienststellen des 3. Reiches. Von 1933 bis 1943 war hier für Hamburg und weite Teile Norddeutschlands die Zentrale des Nazi-Terrors.

Im Jahr 2009 stellte der Senat endlich fest, welch große Bedeutung dieses Gebäudeensemble an der Stadthausbrücke für die Gedenkstättentopografie der Stadt hat, und formulierte ausdrücklich die Notwendigkeit, hier „ein würdiges Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherr- schaft in Hamburg“ zu etablieren.

Bedauerlicherweise haben die politisch Verantwortlichen beim Verkauf des Gebäudes jeglichen Gestaltungsanspruch für einen würdigen Gedenk- ort ohne Not aus der Hand gegeben.

Als der Immobilieninvestor Quantum das Gebäude 2009 erwarb, musste er sich im Kaufvertrag lediglich dazu verpflichteten einen „Lernort mit unterschiedlichen Inhalten (Ausstellung, Seminare, Veranstaltungen, Inszenierungen, Dokumentationen)“ zu realisieren (Drs. 19/4555). Hierfür war lt. Kaufvertrag eine Ausstellungsfläche von etwa 750 qm vorgesehen.

Wer nun am 2. Mai 2018 zur Stadthausbrücke 8a kommt und die Ladenfläche betritt, die einst ein Gedenkort an Widerstand und Verfolgung in Hamburg werden sollte, findet sich in einer Buchhandlung mit angeschlossenem Café und einer 70 qm-Gedenkecke wieder.

In dieser Ecke haben 40 Stühle Platz, als Ausstellungsfläche bleiben 13 laufende Meter Wandfläche. Wie hier die verschiedenen Aspekte der Verfolgung angemessen dargestellt und darüber hinaus ein angemessenes Gedenken an den Hamburger Widerstand ermöglicht werden soll, bleibt unvorstellbar.

Trotzdem behaupten sowohl Quantum als auch die Behörde für Kultur und Medien als Vertreterin der Stadt Hamburg, der Investor habe seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag – einen würdigen Gedenkort an Verfolgung und Widerstand zu errichten und zu betreiben – erfüllt.

Mit dieser peinlichen Provinzposse bleibt Hamburg deutlich hinter anderen Städten zurück: Münster, Nürnberg, Köln, Düsseldorf, München, Berlin, … Nach Jahrzehnten des Verdrängens und Beschweigens wurden dort in den letzten dreißig Jahren in Gebäuden, die ähnlich wie das Stadthaus in Hamburg, Hauptquartiere des organisierten Nazi-Terrors waren, moderne und angemessene Dokumentations- und Erinnerungsorte geschaffen.

In Hamburg entsteht nun in dem Gebäude, wo sich einst Hamburgs NS-Terror-Zentrale befand, der wohl luxuriöseste Konsumtempel der Stadt, der unter dem Motto „Hommage an das Leben“ vermarktet wird.

  • Hier wurden die Hamburger Polizeibataillone aus Hamburg, Bremen und Lübeck für den Einsatz im Vernichtungskrieg organisiert und eingesetzt
  • Hier wurden die Deportationen der Hamburger Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma geplant und vorbereitet
  • Hier wurden unzählige mutige Menschen, die sich der Nazi-Herrschaft entgegenstellten, brutal gefoltert
  • Hier begann der Leidensweg politischer Gegner_innen, Zeugen Jehovas, Homosexueller und als Asoziale Stigmatisierter in die Konzentrationslager

Doch all das taucht in der Quantum-Image-Kampagne auf der Seite www.stadthoefe.de nach wie vor mit keinem Wort auf. Neben peinlichen plattdeutsch-französischen Textpassagen, die das heran- nahende „Unendliche Plaisir“ ankündigen, finden sich zur Geschichte des Hauses nur dürre Worte wie: „Die Gebäude sind in den Jahren 1888 bis 1916 als Sitz der Hamburger Verwaltung entstanden – bis zum Sommer 2013 wurden diese von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt genutzt.“

Ein solcher Umgang mit dem historischen Erbe bedeutet eine unerträgliche Banalisierung von Terrorherrschaft, Vernichtungskrieg und Völkermord und eine Verhöhnung der Opfer.

Die Initiative Gedenkort Stadthaus ist empört, dass weder dem von der Kulturbehörde geladenen „Runden Tisch“ noch der danach erfolgten Berufung eines “Beirats“ die Bereitschaft zugrunde lag, an dem unwürdigen Konstrukt eines „Dreiklangs aus Buchhandlung, Café und Ausstellung“ noch irgendetwas Substanzielles zu ändern.

Wir bleiben dabei: Hamburg braucht einen zentralen Dokumentations- und Erinnerungsort an Verfolgung und Widerstand in der zentralen Stätte des Nazi-Terrors.

Diese Forderung werden wir auch weiterhin an die Stadt, an den Investor und Projektentwickler Quantum sowie an die inzwischen zu Mehrheitseigentümern gewordenen Ärztlichen Versorgungswerke von Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt richten und erwarten entsprechende Entscheidungen.

Wir nehmen den Triumph des Kommerzes über die Erinnerung nicht hin:

Konsum statt Gedenken? Jamais!

ErstunterzeichnerInnen für die Initiative Gedenkort Stadthaus:

Arbeitskreis ehemals verfolgter und inhaftierter Sozialdemokra- ten (AvS); Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein e.V.; Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V.; City-Hof e.V. – Für gelebte und gebaute Kultur; FG Sozial-, Kinder- und Jugendhilfe – ver.di Hamburg; AK Anti- rassismus – ver.di Hamburg; Förderkreis Gedenkstätte und Lern- ort Stadthaus; Freundeskreis KZ-Gedenkstätte Neuengamme e.V.; Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.; Hamburger Bündnis gegen Rechts; Initiative Gedenktafel Stadthaus 1981; Landesjugendring Hamburg e.V.; Netzwerk Recht auf Stadt Hamburg; Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen; Stolper- steine Hamburg e.V.; Hein Pfohlmann, 1. Vorsitzender des Kuratori- ums der Gedenkstätte Ernst Thälmann Hamburg.; Dr. Sigrid Curth, Geschichtswerkstatt Wandsbek; Stephan Kaiser, Süderelbearchiv; Detlef Baade; Rolf Becker; Esther Bejarano; Norbert Hackbusch; Ulrich Hentschel, Pastor i.R.; Barbara Hüsing; Michael Joho; Siri Keil; Bernhard Nette; Peggy Parnass; Bernhard Stietz-Leipnitz; Sönke Wandschneider, Pastor; Sylvia Wempner

Quelle:

VVN-BdA Landesvereinigung Hamburg