Chronik eines Treffens an der Front

Uns wurde am es Samstag den 2. Februar bestätigt, und am Sonntag reisten wir nach Caracas, um am Internationalen Aktionstag für Demokratie und Frieden in Solidarität mit der Bolivarischen Revolution teilzunehmen. Zu der Delegation, die vom Direktor des Büros des Martianischen Programms Abel Prieto angeführt wurde, gehörten auch die Vorsitzende von OCLAE, die Studentin Mirtia Brossard und der junge Dramaturg und Vorsitzender der Hermanos Saíz Gesellschaft Rafael González. Der Historiker und Abgeordnete Elier Ramírez war noch bis zum Abend vor der Abreise mit dem Aufsammeln von Trümmern und der Hilfe für die Betroffenen des Tornado beschäftigt, der die kubanische Hauptstadt vor kurzem heimgesucht hatte. Auch der Schriftsteller Omar González, der in Kuba das Netz zur Verteidigung der Menschheit koordiniert, der in Mexiko wohnende Journalist Angel Guerra waren Teil der Delegation, die von den Trovadores Karel García und Danilo Vázquez vervollständigt wurde. Mir meinerseits wurde mein sehnlichster Wunsch erfüllt, dort, an der wichtigsten antiimperialistischen Front der Amerikas zu sein.

Es war nur eine kurze Reise, aber die Medienkampagne ist so intensiv, dass ein Sohn anruft um zu sagen „ich möchte, dass du weißt, dass ich dich gern habe“, ganz so, als ob ich in einen Krieg zöge, den es nicht gibt, der aber in Stunden oder Tagen provoziert werden kann und der laut den hegemonialen Medien bereist im Gange ist. „Ich auch“, antworte ich gerührt. Aber in Venezuela gibt es über 20.000 Kubaner, die im Gesundheitsbereich arbeiten oder als Lehrer, Trainer, Ingenieure, Fachleute in verschiedenen Sektoren, in abgelegenen Orten der Geographie des Landes, die den heroischen Alltag eines Volkes miterleben, das auch das ihre ist, deren Daseinsberechtigung die Solidaridät ist.

Die Luftfahrtgesellschaft Copa schließt sich dem psychologischen Krieg an. Hat sie eine Anweisung aus Washington erhalten oder ist sie Opfer von fake news?) Sie reduziert die nächtlichen Flüge und erklärt den Reisenden, dass „die soziale und politische Lage“ Venezuelas es ratsam erscheinen lassen, nur tagsüber zu fliegen. Die letzten Erklärungen des Imperiums und seiner Lakaien in Amerika und Europa scheinen den Krieg anzukündigen: Ultimaten, Warnungen, Drohungen. In den nächsten Stunden, so heißt es, werden nicht autorisierte ausländische Kräfte das Land betreten, um eine „humanitäre Hilfe“ zu verteilen, die völlig jeden Sinnes entbehren würde, wenn man die Konten der bolivarischen Regierung freigeben und die Finanzblockade beenden würde.

In einer in den Netzen aufgetauchten Ankündigung wird präzisiert, dass diese Sache in der Nacht vor dem Event stattfinde. Meine Freundin, die Historikerin Carmen Bohorquez sagte mir, dass sie bis in die frühen Morgenstunden wach geblieben sei, um zu sehen, ob sich die Drohung bewahrheite. Ziel ist Verwirrung und Ungewissheit zu stiften. Der Putschist Guaidó ist virtuell, er ist von eilig geschriebenen Tweets „beauftragter“ Präsidenten anerkannt worden, die dem Signal des Imperators folgen. „Es ist ein Präsident 2.0, er ist real, aber er existiert nicht“, sagt der Argentinier Marco Teruggi. Er ordnet das an, was sie ihm sagen

über die Netze und in heimlichen Ausflügen auf die Straßen, bevor er wieder hinter den Mauern der Yankee Botschaft verschwindet. Aber Teruggi warnt: Sie wollen uns diesen Moment als den der „Schlussoffensive“ präsentieren.

Trotz allem scheint in Caracas die Sonne. Ich gehe auf die Straße, kaum dass ich ankomme. Zu meiner Überraschung treffe ich auf eine entspannte Stadt, in völliger Ruhe. Es ist Sonntag und wie immer sind weniger Menschen als normalerweise auf dem Boulevard der Sabana Grande, einem Viertel der Mittelschicht. Einige Kinder spielen unbesorgt, drei Breakdancer treten vor einer Gruppe von Fußgängern auf und einige Meter weiter führt eine Magier seine Zauberkunststückchen vor. Sehr nah, auf demselben Boulevard, versuchen zwei als Mickey Mouse Verkleidete die Kinder dazu zu ermuntern, sich mit ihnen fotografieren zu lassen.

Eine lange Schlange von Eltern wartet, bis sie an der Reihe sind, Eis zu kaufen. Die Verknappung in Venezuela wird absichtlich erzeugt und ist selektiv: Die Produzenten und Händler der Opposition treffen die Bevölkerung in jenen Bereichen, die ihre wichtigsten Bedürfnisse beeinträchtigen. Der Wirtschaftskrieg hat nach Aussage der herausragenden venezolanischen Ökonomin Pasqualina Curcio drei Aspekte: die Hortung von den Produkten, die von der Bevölkerung am meisten konsumiert werden, die herbeigeführte Geldentwertung und die Finanzblockade.

Aber im großen Geschäftszentrum El Recreo kommen und gehen die Leute. Es gibt mehr Besucher als Käufer, was bei solchen teuren Einrichtungen normal ist. Mehr als zu den Boutiquen gehen die Leute zu kleinen Schnellimbissrestaurants, die sich im Innern des Zentrums befinden, wie das von Mc Donald und einige mit italienischer oder japanischer Küche.

Ich entdecke den Torso der Freiheitsstaue aus Karton, die zwischen den Rolltreppen von der Decke hängt. Ich erinnere mich, dass ich sie vor fast 14 jahren schon gesehen habe, als ich an meinem Buch über Barrio Adentro gearbeitet habe. Das Symbol der Freiheit, in das Symbol des Imperialismus verwandelt, der darauf herumtrampelt. Ich denke, dass es vielleicht die ist, die die oppositionellen Escualidos zum Erstaunen der Welt in die venezolanische Flagge gewickelt haben. Diese Demonstranten tragen ohne rot zu werden auch das Sternenbanner und bitten Trump, dass er in das Land einfällt, in dem sie geboren wurden. Es geschieht nicht im Geheimen, der Krieg wird offen geführt. Die Möglichkeit einer imperialistischen Invasion und die Unverforenheit, mit der die Söldner sie fordern, bringt die weniger politisierten dazu, das Vaterland zu verteidigen, lässt in allen die patriotische Begeisterung anwachsen.

Die Geschichte wiederholt sich, die „pitiyankees“ – ein Begriff, den die Venezolaner benutzen, um die Kolonisierten zu bezeichnen, diejenigen, die das Vaterland als Sockel benutzen und nur ihre eigenen Interessen kennen, ohnmächtig angesichts einer Revolution des Volkes, die sie aus eigener Kraft nicht besiegen können, werfen sich vor einer ausländischen Macht nieder, die ihnen Schutz verkauft. Das taten und tun die Annexionisten und Autonomisten in Kuba immer noch, in alten und in neuen Versionen. Die von hier und die von dort sind die gleichen.

Am Montag dem 4. Februar ist der Tag der Nationalen Würde und wir kamen in der Casa Amarilla zusammen. Es ist ein Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, das als Haus der Regierung diente, Zwischen diesen Mauern gibt es viel Geschichte. Angesehene Intellektuelle aus Lateinamerika, Kanada und Europa sind gekommen. Außenminister Jorge Arreaza erklärte in seiner kurzen Einführungsrede energisch: „ Die einzige Anerkennung, die uns interessiert, ist die des Volkes und die der Solidarität aller Völker der Welt“. Adam Chávez gibt seiner Überzeugung Ausdruck, dass angesichts einer militärischen Intervention des Imperialismus „Millionen lateinamerikanische Brüder kommen werden, um mit uns zu kämpfen“.

Der Nachmittag hat zwei besondere Momente für uns parat. Der erste ist unbeschreiblich: auf der Plaza Bolivar im historischen Zentrum gibt es eine Bühne, wo Musiker und traditionelle Tanzgruppen zur Erbauung der dort versammelten Menschenmenge auftreten, die gekommen ist, um Präsident Maduro und der Bolivarischen Revolution ihre Unterstützung auszusprechen. Die kubanischen Trovadores Karel und Danilo tragen ihre Lieder vor und erhalten dafür Ovationen. Das Programm wird vom Enkel von Alí Primera geleitet. Aber sie rufen uns auf, wir gehen auf die Bühne, einer nach dem anderen, Gäste aus einem anderen Land. Was können wir sagen, wir die wir uns wohler hinter einem PC fühlen, wenn eine Menge von uns aus dem Stehgreif eine Rede fordert. Das ist eine Prüfung, die keinen intellektuelle Ton anschlagen darf. Vor uns, die Satue von Bolívar, die Martí ehrte, bevor er noch den Staub der Reise abgeschüttelt hatte. Aber wir stehen ihm nicht gegenüber sondern haben ihm den Rücken zugewandt. Jetzt gehen wir hinter ihn. Es ist ein magischer Moment. Die Gesichter vom Wetter gegerbt, braun, die der Chavistas, die zuhören und die Freundschaft zwischen Venezuela und Kuba und zwischen Chávez und Fidel hochleben lassen. Die historischen Bindungen der Kontinuität zwischen Bolívar und Martí werden immer im Herzen eingraviert bleiben. Brilliant die Redebeiträge von Elier, von Mirtía, von Rafael, den jüngsten der Gruppe.

Noch ganz bewegt kommt es zu einem zweiten Moment: Nicolás Maduro, der verfassungsmäßige Präsident Venezuelas, unterhält sich mit den Gästen. Er erzählt, dass sich bereits zwei Millionen Milizionäre eingetragen hätten, er spricht von dem Treffen mit über 300 Kriegspiloten, betont das Konzept, dass es im Falle der Aggression der Krieg des ganzen Volkes sei. „Glauben sie, dass niemand Venezuela verteidigt?“ und er versichert kategorisch: „Sie betreten nicht ungestraft das nationale Territorium“. Aber er wiederholt, dass er den Frieden wünscht und zum Dialog aufrufe: In Venezuela wird der Friede in Würde siegen“. Er kündigt an, dass man einen von 10 Millionen Venezolanern unterschriebenen Brief veröffentlichen werde, der an das Volk der Vereinigten Staaten gerichtet ist.

Präsident Maduro spricht zuversichtlich, von sich überzeugt, ohne Panikmache. An seiner Seite die Vizepräsidentin Delcy Rodríguez und Außenminister Arreaza. In der ersten Reihe weitere Minister. Die Venezolaner verstehen, dass die Schlacht über sie hinausgeht: sie findet nicht zwischen einer verschlissenen, moribunden Opposition und den revolutionären Kräften statt, sondern zwischen dem Imperialismus und dem Vaterland Bolívars. Es steht nicht nur die Bolivarische Revolution auf dem Spiel, sondern Venezuela, als juristische Einheit, als souveräner Staat. Die Gäste wissen dies auch: Wir sind gekommen, um das venezolanische Volk zu verteidigen und alle Völker des Kontinents. Wir werden nicht zulassen, dass sie ein Stück des gemeinsamen Vaterlands beschmutzen, wie sie dies in Libyen und im Irak getan haben und noch tun. „Wir sind im Epizentrum der Geopolitik der Welt. In Venezuela entscheidet sich das Schicksal der Region und der Welt“, sagt Maduro.

Einige sind von weit gekommen und sie bleiben noch etwas länger. Ich beneide sie. Aber wir wissen, welches unsere unmittelbare Aufgabe ist: eine mächtige Solidaritätsbewegung zu schaffen. Man spricht von Vietnam d.h. von der Niederlage, die die Invasoren erleiden würden, wenn sie es wagten, einzumarschieren. Lateinamerika ist bereit, wie wir, für Venezuela „den letzten Blutstropfen“ zu geben. Es ist nicht nur ein Land, das zum Kampf bereit ist, sondern ein ganzer Kontinent.

Quelle:

Granma Internacional