Rote Hilfe zur Diskussion um die aktuelle Ausgabe ihrer Zeitung

Gemeinsame Erklärung des Bundesvorstands der Roten Hilfe e.V. und des Redaktionskollektivs der Rote-Hilfe-Zeitung zur RHZ Ausgabe 1/2019

Seit die aktuelle Ausgabe der Rote-Hilfe-Zeitung (RHZ) „Wenn wir brüderlich uns einen … – Repression gegen linke Oppositionelle in der DDR“ erschienen ist, haben wir eine Vielzahl von Rückmeldungen erhalten, sowohl positive als auch negative. Das veranlasst uns, nochmal ausführlicher zur Wahl des Schwerpunkts dieser Ausgabe Stellung zu beziehen.

Mitglieder und Leser*innen haben beispielsweise die Befürchtung geäußert, dass wir uns vor dem Hintergrund von Verbotsdrohungen von sozialistischen/kommunistischen Teilen unserer Geschichte lossagen, um die Repressionsorgane zu besänftigen. Das Gegenteil ist der Fall. Wir führen eine unbequeme und selbstkritische Diskussion, um aus unseren Fehlern zu lernen und gemeinsam gestärkt daraus hervorzugehen. Und das ist auch der wirkliche Grund, warum uns die Repressionsorgane ebenso wie reaktionäre Politiker*innen nach wie vor und derzeit verstärkt angreifen: Es passt ihnen nämlich nicht, dass wir gegenseitig solidarisch füreinander einstehen, Aufklärungsarbeit leisten, Prozesse gegen unterschiedlichste Aktivist*innen politisch begleiten, Genoss*innen im Knast betreuen und finanzielle Unterstützung für von Repression Betroffene auf die Beine stellen. Das ist nun seit über 40 Jahren Kern unserer Arbeit, die wir ständig verbessern und ausweiten.

Bereits 2016 haben wir uns mit dem RHZ-Schwerpunkt „Siegerjustiz – Verfolgung und Delegitimierung eines sozialistischen Versuchs seit 1990“ mit der Verfolgung von zehntausenden Funktionsträger*innen und anderen Bürger*innen der ehemaligen DDR durch die BRD befasst und mit den Betroffenen in dieser Frage solidarisiert – dieser Schwerpunkt war keine Glorifizierung der DDR und auch keine sonstige allgemeine Positionierung der Roten Hilfe e.V. zur DDR. Und auch der letzte, lange angekündigte und für alle Autor*innen offene Schwerpunkt der RHZ befasste sich mit einem konkreten, klar abgegrenzten Aspekt unserer Geschichte und ist ebenfalls keine wie auch immer geartete, allgemeine Positionierung der Roten Hilfe e.V. zur DDR als solcher. Das wird nicht zuletzt daran deutlich, dass ein Großteil der Beiträge von ihren Autor*innen namentlich gezeichnet und somit bewusst nicht im Namen der Roten Hilfe e.V. veröffentlicht wurde. Ebenso klar ist, dass beide Schwerpunkte nur einzelne, unvollständige Schlaglichter werfen und keine abschließende Bewertung darstellen können.

Beide genannten Schwerpunkte haben einen Bezug zur DDR – und haben doch völlig unterschiedliche Fragestellungen. Die einmalige Besonderheit des letzten Schwerpunkts ist, dass wir staatliche Repression gegen Genoss*innen behandeln – die von Genoss*innen ausgeübt wurde. Das ist eine extrem schwierige Aufgabe im Rahmen der Roten Hilfe e.V.

Einigen Genoss*innen haben wir mit diesem Thema aus der Seele gesprochen, andere haben wir damit verärgert oder gekränkt. So haben viele Leser*innen kritisiert, dass in einem Artikel ein bis heute in der Linken aktiver Genosse namentlich genannt und beurteilt wurde. Tatsächlich sind die in dem Beitrag geschilderten Vorgänge und Einschätzungen aus unserer Sicht für die Auseinandersetzung wichtig. Die Art und Weise, in der über den Genossen geschrieben wurde, war dagegen unnötig polemisch und sicher verletzend. Das bedauern wir.

Wir haben eine kontroverse und für viele Genoss*innen schmerzhafte Debatte angestoßen. Sie ist aber wichtig für eine solidarisch gestaltete Zukunft. Sie muss solidarisch, kritisch und selbstkritisch weiter geführt werden – und in einem anderen Rahmen als dem der Roten Hilfe e.V. mit ihrem klar begrenzten politischen Auftrag.

Gerade angesichts der jüngsten staatlichen Angriffe auf die gesamte Linke und nicht zuletzt auch auf die Rote Hilfe e.V. ist es von enormer Bedeutung, dass sich Linke jeglicher Strömung in unserer Organisation wiederfinden und solidarisch zusammenarbeiten können. Denn als strömungsübergreifende Solidaritätsorganisation haben wir in Zeiten des Rechtsrucks alle Hände voll zu tun. Reihenweise werden Antifaschist*innen verurteilt, die kurdische Freiheitsbewegung angegriffen, soll sozialen Organisationen wie attac oder VVN/BdA die Gemeinnützigkeit entzogen werden, wird Seenotrettung kriminalisiert, drohen Klimaaktivist*innen drakonische Strafen, werden Polizeigesetze verschärft, …

Nach unserem Verständnis ist die Rote Hilfe e.V. der richtige Platz für alle Linken, die verschiedene Ausrichtungen und Schwerpunkte haben, sich leidenschaftlich streiten, aber im Fall von staatlichen Angriffen zusammenstehen wollen. Dieser Anspruch ermöglicht es uns, eine große Bandbreite an Unterstützung zu organisieren. Dieser pluralistisch linke Ansatz bleibt uns erhalten, wenn wir alle daran arbeiten. Daran ändern auch Differenzen in der laufenden Debatte nichts. Diese kann uns im Gegenteil stärken, wenn wir lernen, sie solidarisch zu führen.

Quelle:

Rote Hilfe e.V.