Massenproteste gegen Kürzungspolitik

Seit letztem Jahr gehen die Menschen in Jordanien auf die Straße. Das arabische Königreich, welches neben Syrien, Irak und Israel liegt, ist hoch verschuldet und die Regierung kürzt an allen Ecken und Enden. Damit folgt sie der Empfehlung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Doch die Kürzungen treffen vor allem die kleinen Selbstständigen und angestellten Arbeitenden. Ihre öffentlichen Schulen sind in einem miserablen Zustand, das gleiche gilt auch für die Krankenhäuser, die umgangssprachlich auch als „Schlachthäuser“ bezeichnet werden.

Die Lebenshaltungskosten in der Hauptstadt Amman sind mit denen in einer teuren deutschen Stadt vergleichbar. Für Essen und Klamotten oder für Freizeitaktivitäten zahle ich hier weit mehr als in Deutschland und auch für die Miete muss man nicht gerade wenig auf den Tisch legen. Doch die Löhne hier sind niedriger als in Europa. Vergleicht man die Höhe der Einkommen und der Lebenshaltungskosten, so ist Amman die teuerste arabische Stadt und hier in der Hauptstadt lebt fast die Hälfte der jordanischen Bevölkerung.

GROSSE ANGRIFFE, KLEINE ERFOLGE
Nachdem letztes Jahr ein neues Steuergesetz eingeführt werden sollte, riefen über 30 Gewerkschaften zu einem Generalstreik im Mai auf. Seitdem gingen zehntausende Menschen im ganzen Land immer wieder auf Demonstrationen – unabhängig von der Jahreszeit und dem Wetter. Die Proteste gegen Sozialabbau, Preiserhöhungen, Sparmaßnahmen und die sich verschlechternden Lebensbedingungen konnten zumindest so viel Druck ausüben, dass eine neue Regierung im Königreich gebildet werden musste und das entsprechende Gesetz vorerst zurückgezogen wurde. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die durch den IWF unterstützen Maßnahmen trotzdem durchgesetzt werden. Denn das jordanische Parlament ist voll mit Unternehmern und eingekauften Politikern und der König und der bestehende Machtapparat hat in allen Fragen das letzte Wort.
Ob das weiterhin so akzeptiert wird, ist fraglich. Bei den Protesten, die die größten seit 2011 waren, wurden nach langer Zeit wieder Parolen gegen den König gerufen. Das ist wirklich untypisch für Jordanien, da die Königsfamilie – im Gegensatz zur Regierung – eigentlich nicht kritisiert wird. Anders ist auch, dass im Gegensatz zu anderen Ländern in der Region die Islamisten die Unzufriedenheit in der Bevölkerung nicht für sich nutzen konnten. Die Leute wissen schließlich, dass die Muslimbrüder immer wieder mit der Regierung dealen und zusammenarbeiten.

NICHT UNTERKRIEGEN LASSEN
Fortschrittliche Kräfte, wie die Kommunistische Partei, haben sich hingegen von Anfang an an diesen Protesten beteiligt und standen schon im Sommer in der vordersten Reihe. Dabei bekamen sie zu spüren, wie der Staat auf die Demonstrationen reagiert: Festnahmen und Verhöre durch den Geheimdienst gehören dazu aber auch Medienkampagnen gegen die Proteste. Diese seien von „ausländischen Kräften“ und „Krawallmachern“ organisiert.
Ende des Jahres haben die Proteste zwar neuen Aufschwung bekommen, denn die Menschen wollen sich nicht abfinden mit den bestehenden Verhältnissen. Doch mittlerweile ist von der Euphorie mit der die Sozialproteste starteten nicht mehr viel zu spüren. Aber zu spüren ist, was geblieben ist: Die Unzufriedenheit. Die Menschen in Jordanien wollen das IWF-Kürzungsprogramm nicht hinnehmen, nachdem es in den letzten Jahren schon eine Reihe von Kürzungen, Privatisierungen und einen großangelegten Sozialabbau gab.

[Leo, Amman]
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Quelle:

SDAJ – Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend