Anmaßungen eines Welt-Gendarmen

Donald Trump erweist sich immer mehr als ein Typ, dem jeglicher Realismus in der Politik völlig fremd ist. Seine ständig wechselnden Manöver mit dem und gegen den NATO-Partner Türkei lassen erhebliche Zweifel daran aufkommen, ob der Präsident bei seinen Entscheidungen jemals eine Weltkarte zu Rate zieht, geschweige denn Informationen und Hinweise von Leuten, die sich in der Materie auskennen.

Die Anordnung zum Rückzug der USA-Truppen aus dem von kurdischen Truppen dominierten Gebiet im Norden Syriens war ganz offensichtlich vor allem dem Umstand zu verdanken, daß er im Wahlkampf um eine erneute Präsidentschaft keine Zinksärge mit toten Soldaten aus Syrien präsentieren möchte. Am Donnerstagabend lobte er sich in einer Wahlkampfrede dafür, daß er »das Problem« in Nordsyrien gelöst habe, »ohne daß ein Tropfen amerikanisches Blut vergossen wurde«. Daß seit dem Angriff der Türkei jede Menge syrisches, kurdisches und auch türkisches Blut vergossen wurde, ficht ihn nicht an.

Zuvor hatte er seinen Vize Mike Pence und seinen Außenminister Mike Pompeo wie Hilfssheriffs nach Ankara geschickt, um dort dem türkischen Machthaber ausrichten zu lassen, daß er einen Waffenstillstand in Nordsyrien wünsche. Womit dieser Wunsch untermauert wurde, bleibt wohl zunächst das Geheimnis der Teilnehmer des Treffens in kleinem Kreis. Und zur besten Haupt-Nachrichtenzeit in Europa konnte dann verkündet werden, daß die USA und die Türkei eine 120-stündige Waffenruhe vereinbart hätten.

Vizepräsident Pence nutzte dann einen Zwischenstopp seiner Maschine auf dem Stützpunkt der US Air Force im westdeutschen Ramstein, um dort wie ein Popstar aus dem Flugzeug zu hüpfen und zu verkünden, »dank der Führungsstärke des Präsidenten« sei eine Waffenruhe vereinbart worden. Daß das Schießen derweil weiterging, hatte er offenbar gar nicht bemerkt.

Was ist eigentlich eine Waffenruhe wert, die mit nur einem der Beteiligten ausgehandelt wird, noch dazu einem völlig unberechenbaren Herrscher wie Erdogan? Allein die Tatsache, daß Ankara und Washington die Details der Vereinbarung unterschiedlich interpretieren, spricht Bände. Vor allem aber erhebt sich die Frage, wer diesen Leuten das Recht gibt, überhaupt über Krieg und Frieden in einem anderen Land zu entscheiden.

Die Vereinbarung, wie sie Erdogan auslegt, ist nichts anderes als eine Aufforderung an die Kurden in Syrien, die Waffen zu strecken und gefälligst dem türkischen Despoten ein gehöriges Stück syrischen (!) Territoriums zum Geschenk zu machen.
Vor allem aber ignorieren Erdogan, Trump und Konsorten wieder einmal die Tatsache, daß auf dem Gebiet des syrischen Staates allein Syrien das Sagen hat. Abgesehen davon, daß bereits die Anwesenheit von Truppen der USA, Frankreichs und anderer Mitglieder und Freunde der NATO eine Verletzung des Völkerrechts darstellt, so haben diese Leute schon gar kein Recht, über syrisches Staatsgebiet zu verhandeln oder gar zu entscheiden. Und auch nicht, ob kurdische Milizen sich irgendwohin zurückziehen sollen.

Eine wirkliche Lösung kann es nur geben, wenn sich alle ausländischen Militäreinheiten, die sich ohne Einladung der syrischen Regierung – also völkerrechtswidrig – in Syrien aufhalten und dort agieren, bedingungslos aus Syrien zurückziehen und allein dem syrischen Volk die Entscheidung über seine Zukunft überlassen.

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek