Sollen die Lohnabhängigen wieder die Verlierer der Krise sein?

Nicht alle negativen Erscheinungen, die gegenwärtig im Wirtschaftsbereich zu beobachten sind, sind auf die Auswirkungen der Gesundheitskrise zurückzuführen, auch wenn die Folgen der Pandemie dazu beitragen, die Wirtschaftskrise zu verschärfen.

Lange bevor die ersten Lohnabhängigen positiv auf Covid-19 getestet wurden, befand sich die Wirtschaft bereits in einem Konjunkturabschwung, verbunden mit einer Zunahme der Arbeitslosigkeit und der Armut.

Allerdings sorgte dies nicht für allgemeine Unruhe, da die kapitalistischen Funktions- und Ausbeutungsmechanismen generell als gottgegeben angesehen werden und die finanziellen und propagandistischen Möglichkeiten des Kapitals und seiner Staathalter hierzulande so groß sind, dass die negativen Folgen der Krise während der vergangenen Jahrzehnte immer noch in Grenzen gehalten werden konnten.

Ob das auch weiterhin der Fall sein wird, muss sich erst zeigen, unabhängig davon, dass bereits Ende März ein Finanzpaket von nahezu zehn Milliarden Euro geschnürt wurde, darunter direkte finanzielle Hilfen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro, und dass nun weitere Direkthilfen von mehr als 700 Millionen Euro folgen sollen.

Eine wichtige Maßnahme war ohne Zweifel die Verallgemeinerung der Kurzarbeit, welche von 32.000 Betrieben in Anspruch genommen wurde, mit der aber nicht beabsichtigt war, die bisherige Kaufkraft der Lohnabhängigen zu erhalten, denn ihnen werden nur 80 Prozent des bisherigen Lohnes bezahlt, statt 100 Prozent, wie das die KPL fordert und der OGBL mittelfristig anstrebt. 325.000 Beschäftigte sind damit die ersten Opfer der Krise.

Obwohl die Verlängerung der Kurzarbeit bis Jahresende eigentlich eine gute Sache ist und vor Arbeitslosigkeit schützen sollte, werden viele Lohnabhängige bis zu jenem Zeitpunkt, sofern sie zwischendurch nicht wieder Vollzeit arbeiten, bis zu anderthalb Monatslöhne verlieren und damit einen Kaufkraftverlust hinnehmen müssen wie zu Zeiten der Austeritätspolitik. Ein Einfrieren der Mieten bis zum Jahresende wird in vielen Fällen nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein.

Erschwerend kommt hinzu, dass Betriebe, die staatliche Unterstützung bekommen, nicht daran gehindert werden, bis zu 25 Prozent der Beschäftigten zu entlassen.
Tatsächlich besteht die Gefahr, dass eine Reihe Unternehmer während der nächsten Monate die Gelegenheit nutzen werden, um strukturelle und konjunkturelle Probleme aus der Zeit vor der Pandemie mit Hilfe von Entlassungen aus der Welt zu schaffen. Und da das Insolvenzgesetz noch immer nicht reformiert wurde, bedeuten Konkurse in der Regel zusätzliche finanzielle Schwierigkeiten für die Familien der Beschäftigten, die auf die Straße gesetzt werden.

Ganz real besteht die Gefahr, dass die Gesundheitskrise noch in einem weit größeren Maße als 2008, als die Profite von mehreren Großbanken über Nacht gerettet wurden, für eine Umverteilung zugunsten des Kapitals genutzt wird. Dann werden die öffentlichen Hilfen von heute die Profite von morgen sein, die allerdings in Privattaschen von Unternehmern und Bankern landen werden, während die Regierung zu Steuererhöhungen und Sozialabbau zu Lasten der Lohnabhängigen greifen wird, um die klammen Staatskassen bis zur nächsten Krise erneut aufzufüllen.

Um das zu unterbinden und zu verhindern, dass sie erneut die Verlierer sein werden, müssen die Lohnabhängigen bereits heute deutlich machen, dass sie eine solche Krisenlösung nicht hinnehmen werden.

Ali Ruckert

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek