Haftstrafe für Protest

In den USA ist die 80-jährige Friedensaktivistin und ehemalige Nonne Elisabeth „Liz“ McAlister zu einer Haftstrafe und Schadenersatzzahlungen verurteilt worden, weil sie am 4. April 2018 in den Militärstützpunkt Kings Bay in Georgia eingedrungen war, um gegen das US-Atomwaffenprogramm zu protestieren. Die Basis der US-amerikanischen Kriegsmarine beherbergt mindestens sechs U-Boote mit ballistischen Atomraketen. Liz hatte mit den Mitgliedern der christlichen Friedensorganisation „Schwerter zu Pflugscharen“ Clare Grady (60), Patrick O‘Neill (60) und Carmen Trotta (56), Pater Steve Kelly (70), Mark Colville (57) und Martha Hennessy (62), die sich zusammen die „Kings Bay Plowshares Seven (#KBP7) nennen, am 50. Jahrestag der Ermordung von Martin Luther King das Militärgelände aufgesucht und dort mehr als zweieinhalb Stunden gewaltfrei gegen die Massenvernichtungswaffen protestiert, bis sie festgenommen wurden. Sie hatten mit Hämmern die symbolträchtig am Eingang aufgestellten Raketen bearbeitet, Graffiti gesprüht und Blut verspritzt.

Am 24. Oktober 2019 waren die sieben Aktivisten in Brunswick im US-Bundesstaat Georgia vor einem Geschworenengericht in allen Anklagepunkten für schuldig befunden worden: „Verschwörung“, „Zerstörung“ von Eigentum an der Kings-Bay-Marinebasis und „Verwüstung von Staatseigentum“ sowie das geringere Vergehen „Unbefugtes Betreten“ eines Militärgeländes. Die Verkündung des Strafmaßes sollte eigentlich bis Januar erfolgen und war wiederholt verschoben worden. Mit Blick auf die Corona-Pandemie ist es jetzt gegen Liz in einer Online-Schalte verkündet worden.

Die gute Nachricht: Von der möglichen Maximalstrafe von 25 Jahren hat das Gericht abgesehen. Liz wurde am 8. Juni zu 17 Monaten und 9 Tagen Gefängnishaft verurteilt – das entspricht der Zeit, die sie nach ihrer Verhaftung in Untersuchungshaft genommen worden war. Das heißt, sie muss nicht noch einmal ins Gefängnis. Allerdings steht sie für drei Jahre unter Aufsicht, das heißt, sie muss sich bei einem Bewährungshelfer melden, wenn sie ihren Bezirk verlassen will. Zusammen mit den anderen Verurteilten der „Plowshares Seven“ muss sie der Kriegsmarine zudem einen angeblich entstandenen Schaden in Höhe von über 33.000 US-Dollar begleichen. Obwohl Liz praktisch mittellos ist, muss sie bis zur Begleichung der Summe monatlich 25 US-Dollar an die Staatskasse abdrücken. Das Gericht hat es sich auch nicht nehmen lassen, der Friedensaktivistin das Tragen einer Waffe zu untersagen. Liz selbst steht weiter zu der gewaltfreien Aktion. Nach der Verkündung des Strafmaßes bekräftigte sie: „Ich werde mich nicht entschuldigen. Ich denke, die Waffen sind absolut lebensvernichtend.“

Kurz vor dem Gerichtstermin hatte der Jurist und Friedensaktivist Ramsey Clark, von 1967 bis 1969 unter Lyndon B. Johnson Justizminister der USA, an Richterin Lisa Wood appelliert, gegen die Plowshares Seven keine Gefängnisstrafen zu verhängen. Deren Anliegen seien moralisch bewundernswert und die Gruppe gewaltlos und „friedliebend“. Die Plowshares Seven hätten sich für die Einhaltung internationaler Vereinbarungen eingesetzt, die die Entwicklung und den Einsatz von Waffen mit der Fähigkeit zur unterschiedslosen Massenvernichtung verbieten. „Das Vorgehen der sieben entsprach moralisch und rechtlich den Nürnberger Prinzipien, die besagen, dass der Einzelne die Pflicht zum Handeln hat, um Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verhindern. Als Veteran der US-Marine, der am Ende des Zweiten Weltkriegs in Westeuropa stationiert war und an den Nürnberger Prozessen teilgenommen hat, kann ich bezeugen, wie entscheidend es für Einzelpersonen und Regierungen ist, sich an die Lehren von Nürnberg zu halten. Die sieben glauben aufrichtig, dass sie gehandelt haben, um das größte Verbrechen gegen die Menschheit zu verhindern: die weltweite nukleare Vernichtung.“

Das Strafmaß gegen die anderen verurteilten Aktivisten der Plowshares Seven soll Ende Juni verkündet werden, wenige Tage nach der Aufnahme von Gesprächen zwischen den USA und Russland zur atomaren Abrüstung, denen die Trump-Regierung doch noch zugestimmt hat. Die Unterredungen sollen am 22. Juni in Wien auf Ebene der Außenministerien beginnen. Der New-Start-Vertrag zur Begrenzung strategischer Atomwaffen läuft am 5. Februar 2021 aus.

Quelle:

UZ – Unsere Zeit