Türkischer Anwalt nach Hungerstreik freigelassen

Der türkische Anwalt und Menschenrechtsaktivist Aytaç Ünsal, der sich seit 213 Tagen im Hungerstreikt befand, wurde am vergangenen Donnerstag aus der Haft entlassen. Zuvor hatte die 16. Strafkammer des Kassationsgerichts der Türkei – zuständig für die höchst- und letztinstanzliche Überprüfung straf- und zivilrechtlicher Urteile – die Freilassung verfügt, da Ünsal haftunfähig sei. Daher müsse er auf freien Fuß gesetzt werden.

Die Vollzugsbehörden entsprachen dieser Aufforderung umgehend und der gesundheitlich schwer gezeichnete Jurist konnte das Sultan-Süleyman-Krankenhaus von Istanbul, in das er verlegt worden war, verlassen. Trotzdem handelt es sich lediglich um einen Teilerfolg: Denn die Haftentlassung hat nur vorübergehenden Charakter, wie das Gericht feststellte. Sobald sich Ünsal physisch erholt hat, muss er seine zehneinhalbjährige Gefängnisstrafe wieder antreten. Zu dieser war er in einem politischen Schauprozess aufgrund angeblicher „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“ verurteilt worden.

Der Hungerstreik hatte daher den Zweck, gegen das Urteil zu protestieren und ein neues, faires, rechtsstaatliches Verfahren zu fordern – ein solches ist jedoch weiterhin nicht in Sicht, zumal die Verurteilung Ünsals und weiterer Kollegen den Zielen von Machthaber Erdoğan dient, die Bewegung für Demokratie, Freiheit und Emanzipation in der Türkei zu kriminalisieren und zu zerschlagen. Und in diesem Kampf ist das AKP-Regime von Ankara rücksichtslos und zu allem bereit: Erst vor wenigen Tagen war Ebru Timtik, eine ebenfalls inhaftierte Anwaltskollegin Ünsals, während ihres Hungerstreiks verstorben. Darüber hinaus befindet sich eine Reihe weiterer Juristen des „Rechtsbüro des Volkes“ in türkischen Gefängnissen, da sie es gewagt hatten, linke Oppositionelle und politisch Verfolgte bei deren Prozessen zu verteidigen. Die nunmehrige Freilassung Ünsals aus akuten gesundheitlichen Gründen, ist insofern nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, der jedoch als erfreulicher Erfolg der Protest- und Solidaritätskampagnen bewertet werden kann. Es müssen aber unweigerlich weitere folgen.

Quelle: BIA News Desk

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Zeitung der Arbeit