Arbeiter werden trotz gesetzlichen Feiertags entlassen

Die Industriezonen der Toskana sind immer wieder Schauplatz dreister Ungerechtigkeiten bei der Einhaltung grundlegendster Arbeitsrechte. Wie so oft steht auch in diesem Fall die Textilindustrie im Mittelpunkt, die von chinesischen Investoren dominiert ist. Am liebsten werden migrantische Arbeitskräfte angeheuert, die wenig Kenntnis über ihre Rechte aufweisen und sich im Regelfall auch nicht trauen, ihr Haupt gegen die skandalösen Zustände zu erheben.

In der toskanischen Gemeinde Campi Bisenzio wurden am Ostermontag fünf Arbeiter eines Textilunternehmens entlassen, weil sie an jenem Tag nicht zur Arbeit erschienen sind. Der Ostermontag, auf Italienisch „pasquetta“, ist in Italien wie in Österreich ein christlicher Feiertag, der sich auch über die Arbeitswelt erstreckt. Während ein Großteil der italienischen Arbeiterinnen und Arbeiter eine verdiente Ruhepause genießen konnte, mussten die Angestellten der Textilfabrik schuften wie an jedem anderen Tag.

Die fünf pakistanischen Arbeiter wurden nach Nichterscheinen am Ostermontag über Whatsapp in aller Kürze über ihre Entlassung informiert: „Wer heute (Ostermontag) nicht arbeitet, ist für immer weg“. Den Arbeitern, die nebenbei auch die Einhaltung des Achtstundentages gefordert hatten, wurde zusätzlich kommuniziert, dass sie, wenn sie nur acht Stunden arbeiten wollten, „sich woanders eine Arbeit suchen sollten“.

Fotos auf WeChat veröffentlicht

Nach der Entlassung und in Anbetracht der Forderungen der Arbeiter ergriff die Führungsebene des Textilbetriebes noch dreistere Vorkehrungen: Sie postete auf der App WeChat die Fotos der fünf Arbeiter, die „es gewagt hatten, acht Stunden und Urlaub zu fordern“, einerseits um die übrigen Arbeiterinnen und Arbeiter vor ähnlichen Forderungen abzuschrecken und andererseits, um Unternehmer in der Region vor diesen „aufmüpfigen“ Arbeitern zu warnen. Damit wäre den Arbeitern der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt verunmöglicht worden. Abgesehen von der unglaublichen Respektlosigkeit der Unternehmensherren bedeutete dieser Schritt somit auch einen massiven Eingriff in den Datenschutz am Arbeitsplatz.

Die Basisgewerkschaft Si Cobas, die sich dieses Falles annahm, organisierte am vergangenen Samstag einen Streik in der Via Carcerina, um auf diese Missstände aufmerksam zu machen:

„Nachdem sie jahrelang 12 Stunden am Tag gearbeitet haben, ohne Ruhetag, ohne Urlaub, ohne Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, ohne Rechte, haben sie sich am Ostermontag, einem Feiertag, geweigert zu arbeiten, und ihr Chef hat sie alle mit einer WhatsApp-Nachricht entlassen“, so Si Cobas-Gewerkschafter von Florenz und Prato. Selbst die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter von Si Cobas, die sich immer wieder mit solchen und ähnlichen Fällen der Textilindustrie konfrontiert sehen und sich mit dem Thema tagtäglich auseinandersetzen müssen, können nicht klar und eindeutig die Firma, in der sich diese Vorfälle abgespielt haben, benennen.

Firmenname wechselt, die Ausbeutung bleibt

„Im Laufe der Jahre hat sich hinter verschiedenen Namen und Mehrwertsteuernummern immer derselbe Unternehmer versteckt“, so Si Cobas. Die Firmennamen hätten gewechselt, da sich die Firma immer wieder neugegründet hätte, um Steuern und Abgaben an den Staat zu umgehen.

Die Arbeiterinnen und Arbeiter desselben Werks stünden demnach bei verschiedenen Firmen unter Vertrag: „Heute gibt es in demselben Werk Arbeiter, die formell bei verschiedenen Unternehmen beschäftigt sind: Feng Shouqing und Hu Qingong“. Die Arbeitsverträge indes seien nichts wert, da „einige seit drei Jahren mit befristeten Verträgen Teilzeit mit 20 oder 30 Stunden pro Woche, arbeiten“, während in Wirklichkeit „84 Wochenstunden“ geleistet würden für einen Lohn, der sich auf 500 bis 1300 Euro beläuft. Si Cobas betont, dass es sich hier um ein hauseigenes Problem handelt: „Es ist nicht Bangladesch, sondern Campi Bisenzio in der Provinz Florenz, wo sich das Textilviertel Prato mit seiner Superausbeutung befindet.“

Obwohl sich die Politik in den meisten Fällen von Ausbeutung am Arbeitsplatz in Prato und Umgebung raushält, erschien bei dem Streik am Samstag auch der Bürgermeister von Campi Bisenzio, Emiliano Fossi (PD – Partito Democratico), der den Arbeitern seine Solidarität zusicherte und die Situation ausnutzte, um sich ein wenig Reichweite zu erschleichen. Das Schicksal der pakistanischen Arbeiter ist trotz medialer Aufmerksamkeit also noch unklar – der PD ist seit Jahren bekannt dafür, jegliche Form des von Konzernen forcierten Sozialabbaues und der Entrechtung nicht nur mitzutragen, sondern auch selbst zu forcieren. Im Gegensatz dazu war es die basisgewerkschaftliche Organisierung der Arbeiter, die dazu verhalf, dass der Fall an die Öffentlichkeit gelangte. Es zeigt sich wie in so vielen anderen Fällen auch hier, dass nur der gemeinsame und organisierte Kampf gegen die immer dreister werdende Willkür der Unternehmer und Konzernherren etwas auszurichten vermag.

Quelle: www.ilfattoquotidiano.it

 

Quelle: Zeitung der Arbeit