Schuldigkeit getan

Wer für die Partei „Die Linke“ stimmte, wusste seit Längerem, was daraus folgte. Regierungsbeteiligung war das Hauptziel, also: Kein Versprechen vor der Wahl gilt danach. Musterfall Berlin: Vor den Wahlen zu Bundestag und Abgeordnetenhaus tat der Landesverband so, als sei der Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ seine Idee. Als sich herausstellte, dass mehr als die Hälfte der Wähler für Vergesellschaftung war, wechselte die Partei ins andere Lager. Nun wird gebremst, dass es quietscht.

Der Vorgang ist repräsentativ für die Rolle, die diese Partei in der Bundesrepublik gespielt hat. Die Großbourgeoisie sah es gern, dass der SPD durch eine zweite sozialdemokratische Formation Stimmen abgenommen wurden. Das machte die SPD noch zahmer, als sie ohnehin sein will. Auf „Die Linke“ wirkte das Wohlwollen der Klassenobrigkeit wie eine Droge: Die Krisen des Kapitalismus interessierten sie nicht, die Interessen derjenigen, die deren Lasten tragen sollen, wenig. Im Sommer 2021 ging die Parteiführung zudem offen auf NATO-Positionen über und hält das im Ukrainekrieg konsequent durch. Die Wähler liefen davon und dem deutschen Kapital ist klar: Die haben ihre Schuldigkeit getan.

Der Rest ist eine Kaskade von Zerstörung und Selbstzerstörung. Eine Konsequenz aus dem miesen Ergebnis bei der Bundestagswahl gab es nicht. Wer Bedenken gegen Anpassung äußert, wird mit Intrigen fertiggemacht, wie der Ältestenrat, Hans Modrow eingeschlossen, oder der Berliner Landesverband der Jugendorganisation. Parteiaustritte wie die der ehemaligen Ministerin in der Modrow-Regierung Christa Luft oder der früheren Thüringer Landtagsabgeordneten Johanna Scheringer-Wright werden mit einem Achselzucken quittiert. Letztere erklärte nun: „Der fest etablierte rechte Flügel ist nicht mehr bereit, eine linke Opposition zu dulden.“

Wie gewohnt wird mit Hilfe der Kapitalpresse gesäubert. Der „Spiegel“ gab den Anstoß, eine Ko-Vorsitzende ist weg, der Parteivorstand wird im Juni neu formatiert. Das Debakel im Saarland wird sich offenbar in Schleswig-Holstein, NRW und im Herbst in Niedersachsen fortsetzen.

Die Partei werde gebraucht, meinte die Ko-Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali am Montag im „Deutschlandfunk“. Falsch: Weder die unten noch die oben sind noch dieser Meinung.

Quelle: Unsere Zeit