Aufräumen in Brasília

Putschversuch in Brasilien. Screenshot: Telesur
Putschversuch in Brasilien. Screenshot: Telesur

Nach dem gescheiterten Putschversuch in Brasilien hat die Aufarbeitung der Ereignisse begonnen.

Schätzungsweise 4.000 Anhänger des abgewählten ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro waren am Sonntag gegen 17 Uhr Ortszeit in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia zusammengekommen. Sie trugen T-Shirts in den Farben Gelb und Blau, der brasilianischen Nationalflagge und hatten übergroße Fahnen dabei. Die Zusammenrottungen der Bolsonaro-Anhänger endeten wenig später in der gewaltsamen Erstürmung von Kongress, Präsidenten-Palast sowie Oberstem Gerichtshof und stürzten die brasilianische Hauptstadt für Stunden ins Chaos. Die wenigen Sicherheitskräfte der Parlamentspolizei konnten den Mob selbst mit Gasgranaten zunächst nicht stoppen. Diese drangen in die Regierungsgebäude ein und hinterließen eine Spur der Zerstörung. Die Regierungen lateinamerikanischer Länder, aber auch UN-Generalsekretär Guterres verurteilten den antidemokratischen Putschversuch.

Präsident Lula da Silva, der sich während der Ausschreitungen nicht in Brasilia, sondern in der Provinz Araraquara befunden hatte, um den dort von heftigen Regenfällen betroffenen Familien Solidarität und Unterstützung zuzusagen, äußerte sich via Twitter und im Staatsfernsehen zu den Ausschreitungen. In einem von Lula unterzeichneten Dekret erklärte er die bundesstaatliche Intervention im Zentraldistrikt Brasilia bis Ende Januar, um die Sicherheit dort wiederherzustellen. Damit fällt die Kontrolle der regionalen Polizei- und Sicherheitsbehörden vorübergehend der Zentralregierung zu. Desweiteren warf der neue Präsident den zuständigen Behörden im Zentraldistrikt Inkompetenz vor, da nichts unternommen worden sei, um die Ausschreitungen frühzeitig zu beenden.

Das sieht Alexandre de Moraes, Magistrat am Bundesgerichtshof, ähnlich und entschied, den Gouverneur des Bundesstaates Brasilia, Ibaneis Rocha, für drei Monate von seinem Amt zu suspendieren. Er betonte dabei, dass die Putschpläne bekannt waren und Presseorgane bereits darüber berichtet hatten. Richter Moraes zufolge habe der Gouverneur des Zentraldistrikts, in dem die Hauptstadt liegt, von den Vorbereitungen wissen müssen. Solche Ereignisse seien nur mit der Zustimmung und effektiver Beteiligung der zuständigen Sicherheitsbehörden in Brasilia möglich gewesen, zitiert der lateinamerikanische Sender Telesur Moraes weiter.

In einer Fernsehansprache im Staatssender TV Brasil verurteilte da Silva, zu dieser Zeit noch in Araraquara, die Ausschreitungen auf die drei Staatsgewalten und die Demokratie in Brasilien. Die Anführer und Verantwortlichen würden gefunden und bestraft werden. Es handele sich um fanatische Faschisten, so da Silva weiter. Die Linke sei in Brasilien immer wieder Ziel von Attacken auch durch den Staat geworden. Es seien Linke inhaftiert, geschlagen und ermordet worden. Dennoch habe man noch nie von einer Attacke einer linken Partei auf den Kongress gehört.

In seiner Kritik an den lokalen Sicherheitsbehörden wies der neue Präsident auch auf die vielen Äußerungen seines Vorgängers hin, der damit genau wie dessen Partido Liberal direkt für die gewaltsamen Ausschreitungen mitverantwortlich sei.

Von Jair Bolsonaro war die gesamte Zeit über nichts zu hören. Erst später äußerte sich dieser via Twitter und verurteilte in einem Lippenbekenntnis die Attacken, verglich diese jedoch mit Protesten der Linken in den vergangenen Wahljahren. Dabei kam es allerdings nicht zu vergleichbaren Ausschreitungen.

In den vergangenen Tagen hatte der abgewählte Präsident, der sich mutmaßlich seit zwei Wochen in den USA aufhält, die angeblichen Errungenschaften seiner Regierung in den vergangenen Jahren hochgelobt, um damit die Mär von der Wahlfälschung zu befeuern. Was nicht in seinen Aufzeichnungen auftaucht: die verkorkste Covid-Politik seiner Regierung, der Tausende Brasilianer zum Opfer fielen. Über die Hälfte der Bevölkerung fiel darüber hinaus in seiner Amtszeit unter die Armutsgrenze. Bolsonaro beförderte auch die illegale Abholzung des Regenwaldes und scherte sich keinen Deut um internationale Klimaschutzabkommen. Nicht ohne Grund erklärte Präsident Lula da Silva deshalb, dass seine Regierung in den kommenden vier Jahren mehr arbeiten müsse als die vorigen, da die Herausforderungen für Brasilien gravierend seien.

Erst Stunden danach zeigt sich das ganze Ausmaß der Gewalt. Der Minister für soziale Kommunikation des Präsidenten, Paulo Pimenta, wies in der Nacht darauf hin, dass aus den Räumen der Sicherheitskräfte im Präsidentenpalast Palacio del Planalto Waffen durch Bolsonaro-Anhänger entwendet wurden. Darüber hinaus seien auch Kunstwerke und unschätzbare Kulturgüter durch die Eindringlinge zerstört worden. Um die Schäden zu begutachten, reiste Lula da Silva am späten Abend zurück in die Hauptstadt.

Der eigentliche Schaden ist noch viel größer. Und dennoch, wirklich überraschend waren die Bilder aus Brasilien nicht, ähneln sie doch dem Sturm auf das Capitol in Washington zwei Jahre und zwei Tage zuvor. Trump und Bolsonaro sind Brüder im Geiste. Die Mär von der Wahlfälschung und damit die Nicht-Anerkennung der Wahl da Silvas wurde von Rechtsextremen weltweit gestreut, darunter auch von der AfD.

Miguel Tilo