11. Oktober 2024

Was machen K.I.Z und DKP im Görli?

Seit etwa einem halben Jahr spitzt sich die öffentliche Auseinandersetzung um den Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg zu. Vor allem die Berliner CDU und ihr Regierender Bürgermeisters Kai Wegner nutzen den Park und die Zustände dort für eine populistische Kampagne. Man wolle, so Wegner und seine CDU-Kollegen, das Grünanlagengesetz ändern und einen Zaun um den Park herum bauen. Der Kriminalitätsschwerpunkt solle nachts für Besucher gesperrt werden. Das werde die Kriminalität stoppen, vor allem den Drogenhandel, und das Problem sei erledigt, weil dann der Görlitzer Park sicher sei.

Diese Töne werden weit über die Stadtgrenzen hinaus wahrgenommen und sollen die CDU als wahre Verfechterin der gesetzlichen Ordnung erscheinen lassen. Die CDU buhlt damit vor allem um Stimmen jener, die nicht in Kreuzberg wohnen und von der realen Situation vor Ort keine Ahnung haben. Gegen diese Pläne gibt es Widerstand von Vertretern der Kulturszene, Anwohnern und politischen Gruppen. Das Bündnis „Rave against the Zaun“, in dem auch die DKP aktiv ist, hat bereits mehrere Protest- und Konzertveranstaltungen organisiert (UZ berichtete am 28. Juni und 5. Juli). Gemeinsam mit weiteren Bürgerinitiativen ruft das Bündnis für den „Tag X“, an dem die Bautätigkeiten starten, zu Protest auf. Treffpunkt ist um 18 Uhr auf dem Spreewaldplatz in Kreuzberg.

Die Situation vor Ort

Auch wenn das genauso für viele weitere Orte in Berlin gilt, ist die Situation rund um den Görlitzer Park nicht unproblematisch, auch wenn die überwiegende Mehrheit seiner täglichen Besucher „normale“ Parkbesucher sind. Das fängt damit an, dass Passanten ständig angesprochen werden: Möchte man etwas kaufen, braucht man nicht vielleicht noch Koks? Die meisten Anwohner nervt das und für zartbesaitete Zeitgenossen ist es möglicherweise ein Grund, die Gegend zu meiden. Aber dass von Seiten dieser Straßendealer Gewalt droht, ist eher unwahrscheinlich. Das würde ja potentielle Kundschaft abschrecken.

Wirklich schlimm sind eher die Begleiterscheinungen, die Dealerei und Drogengebrauch mit sich bringen. Die vielzitierten Spritzen auf Kinderspielflächen sind sicherlich ein gewichtiger Aspekt, aber es geht weiter mit zugedröhntem Publikum, Junkies, lauten Streitereien, Stress, Dreck sowie Camps von Obdachlosen. Das alles gibt es im Görlitzer Park. Dem allem muss begegnet und abgeholfen werden. Mit geeigneten Mitteln, die Senat und Bezirk jedoch Geld kosten würden, und das wollen beide nicht berappen.

Berliner Politik seit 1989

Dabei sind die Zustände im Görlitzer Park kein „Zufall“ und dürften eigentlich niemanden verwundern. Sie resultieren aus der Berliner Senatspolitik der letzten 35 Jahre. Berlin sei „arm, aber sexy“, sagte Ende 2003 der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Er umschrieb damit auch die wirtschaftspolitische Situation der Hauptstadt, die seit dem Ende der DDR vor allem durch eine radikal-kapitalistische Zurichtung aller Lebensbereiche und eine umfassende Deindustrialisierung gekennzeichnet war – zuvor hatte Berlin einiges an Industrie vorzuweisen. Den Wegfall hunderttausender industrieller Arbeitsplätze versuchen die bürgerlichen Regierungen seitdem zu verschleiern und schönzureden, indem stolz auf die kulturelle Vielfalt, Weltoffenheit, die „Szene“ und das umfangreiche Angebot in diesem Sektor verwiesen wird. Da entsteht zwar wenig Mehrwert, das Land Berlin gilt als Niedriglohnzone, aber dafür ist es doch schön bunt hier.

Vor allem in Kreuzberg, wo zunächst auch die Mieten noch relativ günstig waren. Der Lifestyle, der noch in den 1980er Jahren von wenigen in der damals noch politisch fortschrittlichen „Szene“ Westberlins gelebt worden war, wurde popularisiert und zum Mainstream erhoben. Wenn Schlabberlook, unkonventionelles Wohnen und Arbeiten, freie Liebe aller Art, „Party“ und übermäßiger Drogenkonsum zum Trend werden, kostet das nichts – nur das Leben derjenigen, die hängen bleiben, der Fertigen und Junkies.

Wenn Drogenhandel ermöglicht, geduldet oder gar gefördert wird, ist klar, dass auf den Straßen Dealer unterwegs sind. Dann ist ebenso klar, dass sich „Hotspots“ in der Stadt bilden, an denen diese Drogen erhältlich sind. Berlin gilt weltweit als billige Partystadt und wirbt damit um Touristen. Und so machen angeblich „alternative“ Reiseführer die Feierwütigen aus aller Welt darauf aufmerksam, wo man denn vor einem „gelungenen“ Party­wochenende noch günstig Aufputschmittel einkaufen kann. Der Görlitzer Park ist da die mittlerweile wohl bekannteste Adresse.

Ein Zaun ist keine Lösung

In der aktuellen Auseinandersetzung ist eines klar: Der Zaun würde Drogenelend und alle anderen Probleme zunächst vom Park in die umliegenden Straßen, Hinterhöfe und Grünflächen verlagern und die Anwohner noch stärker damit konfrontieren. Nicht nur die Ex-Hausbesetzer, mittlerweile oft Hausbesitzer, aus den Reihen der Grünen und Linken müssten erhebliche Einschnitte in ihrem alltäglichen Komfort hinnehmen. Würde am Ende nicht gar der Wert der örtlichen Immobilien sinken? Die unschönen Begleiterscheinungen des „linken“ Lifestyle sind da aus Sicht aller Kreuzberger, von Öko-Juppie bis Malocher, am besten im Park aufgehoben.

Erstaunlicherweise sehr wenig in die Kritik kommen die Rauschgifthändler. Damit sind an dieser Stelle nicht die kleinen Straßenverkäufer oder Dealer gemeint, sondern deren Hintermänner, die am Gifthandel den großen Reibach machen. Bei ihnen handelt es sich vermutlich nicht um Migranten mit dunkler Hautfarbe, die den Polizeischikanen zum Opfer fallen, sondern um smarte „weiße“ Geschäftsleute im Business-Anzug.

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Protest gegen den Zaun (Foto: @bizimkiez via X)

Die zumeist jungen Straßendealer haben mit ihrer Tätigkeit wahrscheinlich eine relativ unkomplizierte und verhältnismäßig gut bezahlte Möglichkeit gefunden, sich das nötige Geld für den Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Umso mehr, als sie vermutlich mehrheitlich Flüchtlinge mit unklarem Aufenthaltsstatus und unsicherer Zukunft sind. Wir wissen es nicht genau, aber vermutlich sind viele von ihnen „unpolitisch“, haben Illusionen über Staatlichkeit und Gesellschaft der BRD und hoffen möglicherweise auf den Sprung „vom Tellerwäscher zum Millionär“. Andere werden sich wahrscheinlich ein realistischeres Bild ihrer Lage erschlossen haben. Ansätze einer politischen Organisierung von Flüchtlingen in Kreuzberg aus der Vergangenheit lassen vermuten, dass Verbindungen zu fortschrittlichen politischen Kräften existieren. Für uns Kommunisten aber ist dieser Teil des „Görli-Publikums“ eine Art „Black Box“.

Die Straßendealer haben sich mit der derzeitigen Situation des geduldeten Drogenverkaufs arrangiert. Die Zaunbaupläne gefährden den Status Quo – die von uns unterstützten politischen Großveranstaltungen, die „Raves against the Zaun“ vom 1. Mai und 21. Juni, stehen zunächst einmal für dessen Erhalt.

Die DKP Friedrichshain-Kreuzberg ist aus wohlüberlegten Gründen Unterstützer dieses Bündnisses, das Gratis-Konzerte mit politischer Information und Agitation kombiniert. Wir haben dahingehend selbst Erfahrungen bei unseren UZ-Pressefesten gemacht – auch hier sind nicht alle Konzertbesucher politisch, viele kommen zum Feiern vorbei. Aber sie sehen doch unsere Fahnen und Parolen, kommen mit unseren Inhalten in Berührung. Es ist gut, wenn prominente Künstler wie K.I.Z mit ihren klugen Texten den Protest unterstützen. Die Berliner Jugend ist begeistert. Zur Kultur gehört auch die Möglichkeit zu Feiern und dem stressigen Alltag und seinen Zukunftssorgen einmal entfliehen zu können. So gesehen sind auch vordergründig unpolitische Veranstaltungen in unserem Sinn.

Der Platz der Kommunisten

Unsere Forderungen gehen weit über das Bündnisziel „Stoppt den Zaunbau“ hinaus. Anders als der „Tagesspiegel“ (siehe UZ vom 28. Juni und 5. Juli) meint, passen wir als „Mauerbau-Befürworter“, also als Verteidiger der sozialistischen DDR mit all ihren positiven Errungenschaften, sehr gut in das Lager der Gegner kapitalistischer Law-and-Order-Politik. Trotz oder gerade wegen der Schnappatmung einiger Schreiberlinge über uns Kommunisten im Bündnis „Rave against the Zaun“ wollen wir die Gelegenheit nutzen, um für eine Gesellschaft ohne harte Drogenszene – ohne harte Drogen überhaupt –, ohne die Profiteure und ohne Obdach- und Arbeitslosigkeit zu werben.

Wir erinnern dabei an den ehemals real existierenden solidarischen Internationalismus des Friedensstaats DDR. Die DDR unterstützte nicht nur die antiimperialistischen Befreiungskämpfe in aller Welt. Sie ermöglichte vielen Herkunftsländern heutiger Migranten durch die qualifizierte Ausbildung ihrer Jugend Perspektiven. Das ist das Gegenteil dessen, was die BRD heute mit dem Abwerben und Ausbeuten von Fachkräften aus aller Welt tut.

Wir weisen die Spaltungsversuche jener zurück, die den migrantischen Kleindealern die Schuld an den katastrophalen Zuständen im Görlitzer Park in die Schuhe schieben wollen und vertreten eine klassenbewusste, solidarische Position.

Quelle: Unsere Zeit

BerlinUZ - Unsere Zeit