Der Bauernkrieg in Österreich und Michael Gaismair (Ein Beitrag zum 500. Jahrestag, Teil I)
Übernommen von KOMintern:
Am heutigen 9. Mai im Jahre 1525, vor genau 500 Jahren, entzündete sich im Windschatten des großen deutschen Bauernkriegs, in Tirol auch der alpenländische Bauernkrieg. Obschon natürlich zugleich unter dem Eindruck und ideologischen Einfluss der Bauernaufstände und Erhebungen in Deutschland stehend, aber auch inspiriert von den Hussitenkriegen und dem frühsozialistischen Gedankengut der Taboriten, gilt es mit Hans Hautmann gesprochen gleichviel festzuhalten: „Der alpenländische Bauernkrieg besaß stark eigenständigen Charakter.“
Der Päßler-Prozess in Brixen als letzter Anstoß zu Aufstand
Ähnlich den deutschen Landen gärte es auch in Österreich schon länger. Den letzten Anstoß und Funkensprung zum Aufstand gab ein Ereignis in Brixen. Dort wurde gerade gegen einen Bauern, Peter Päßler,verhandelt, der die neuen Fischerei-, Wald und Weidenutzungsrechte – oder anders gesagt: neue Eigentumsordnung, die der Familie die Fischereirechte entzog – nicht anerkannte und von Michael Gaismair im Gerichtssaal verteidigt wurde. Am eingangs genannten 9. Mai wurde Päßler, dessen Familie schon seit Jahren um ihr altes Fischereirecht kämpfte, zum Tode verurteilt und sollte am Domplatz von Brixen hingerichtet werden. Hunderte Bauern aus den Tälern strömten daraufhin nach Brixen. Und noch am selben Tag befreiten rund 300 Bauern und einige Handwerker der Stadt den Bauern aus dem Pustertal aus seiner Gefangenschaft, was zugleich das Fanal zum allgemeinen Aufstand markierte. Die Kunde der Erhebung verbreitete sich in Windeseile und am 13. Mai wählten die aufständischen Bauern der 35-jährigen Michael Gaismair zu ihrem Anführer.
Der Obrist der Tiroler Bauern: Michael Gaismair, „ein Müntzerscher“ (Friedrich Engels)
Michael Gaismair, nach dem Studium in Padua ab 1518 Schreiber in den Diensten des Tiroler Landeshauptmanns und Burggrafen von Völs, der sich offensichtlich bereits aus den hierbei gewonnenen Einsichten in die politischen, sozialen und ökonomischen Verhältnisse auf die Seite der Bauern und einfachen Leute schlug, wurde Anfang 1525 aus dieser Stellung entfernt und fand danach nur mit Mühe den Posten eines Schreibers bzw. Sekretärs des Bischofs von Brixen. Mit seiner Wahl zum Obristen des Bauernaufstandsdurch die Bauernhauptleute, avancierte er im Anschluss zu einem der bedeutendsten Bauernführer und einem der herausragendsten Vertreter des radikalen Flügels der 1525er-Revolution. Friedrich Engels nannte ihn hochachtungsvoll einen „Müntzerschen“ und attestierte ihm „das einzige bedeutende militärische Talent unter sämtlichen Bauernchefs“ gewesen zu sein.
Ein Urteil, das bis heute nichts an Gültigkeit verloren hat. Michael Gaismair war ein entschiedener Repräsentant des linken Flügels der Bauernbewegung und vertrat mit seiner parallel verfassten „Tiroler Landessordnung“ ein weitreichendes demokratisch-sozialrevolutionäres Kampfprogramm, das neben der Selbstregierung der freien Bauern und Städte, sowie der Gleichheit aller vor dem Gesetz, auch die Eigentumsordnung aufs Tapet brachte. Das Jagd- und Fischereirecht sollte aus dem adeligen Privileg wieder an die Bauern übertragen werden, der Kirchenbesitz an die Gemeinden überführt oder an Bedürftige verteilt werden. Mehr noch: Auch die Adeligen sollten nur so viel Land besitzen dürfen, wie sie durch eigene Arbeit bewirtschaften können und die Macht der Bergwerksbetreiber eingeschränkt werden. Belehrt von den noch zu schildernden weiteren Erfahrungen, verfasste er in Zürich ein dreiviertel Jahr später (Februar/März 1526) eine nochmals weiterentwickelte und wesentlich radikalisierte Version seiner „Tiroler Landessordnung“, „das hervorragendste revolutionäre Programm des gesamten deutschen Bauerkrieges“ (Hans Hautmann), das wir mit Andreas Pittler und Helena Verdel sowie Hans Hautmann hier verdichtet zusammenfassen:
Gaismairs „Tiroler Landesordnung“: Das hervorragendste revolutionäre Programm des gesamten deutschen Bauerkrieges
Tirol sollte nun eine freie Bauernrepublik (bzw. genauer noch: eine freie Republik von Bauern, Bergleuten und Handwerkern) werden, in der Monarchie ein für alle Mal abgeschafft ist. Adel und Klerus (mit Ausnahme der Dorfpfarrer) sollten gleichfalls der Geschichte angehören. An ihre Stelle sollte eine direkt vom Volk gewählte Regierung treten, die jedoch ihre Funktion ehrenamtlich neben ihrem eigentlichen Beruf ausübt. Die Ackerböden und Weinberge sollten den Bauern gehören, die sie bewirtschaften. Zugleich sollte die Landesregierung dafür Sorge tragen, die landwirtschaftliche Nutzfläche zu erweitern und der Grundsatz der Intensivierung und Verbesserung der Landwirtschaft und des Weinbaus Einzug halten. Die Bergwerke, Banken und Handelsgesellschaften sollten entschädigungslos konfisziert und verstaatlicht, Klöster in Krankenhäuser umgewandelt werden. Die Erlöse aus den Erträgnissen der Bergwerke sollten zur Deckung der Staatsausgaben verwendet und nach Möglichkeit neue Gruben erschlossen werden. Das handwerkliche Produktion sollte verstaatlicht und lokal konzentriert werden. Die für die Produktion der nötigen Güter gebrauchten Arbeiter und Handwerker sollten vom Staat bezahlt werden, ihre Waren dafür vom Staat in einem weitverzweigten Netz von staatlich kontrollierten Läden direkt zum Selbstkostenpreis an die Verbraucher abgegeben werden. Alle Funktionsträger werden vom Volk alljährlich für zwölf Monate in ihr Amt gewählt. Ihre Aufgabe ist es, die gesellschaftlichen Beziehungen zu regeln und die Wirtschaft zentral zu lenken, um keine Unter- oder Überproduktion zuzulassen.
Quelle: KOMintern