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Wer schützt uns Assyrer und andere Christen wirklich in Syrien?

Am 23. Juni veröffentlichten wir die Erklärung des syrischen Gewerkschaftsbundes GFTU zum Anschlag auf eine christliche Kirche in Damaskus. Zu diesem Thema erreichte uns heute nachstehender Beitrag von Charli Kanoun, Vorsitzender des Assyrischen Kulturvereins e. V. Saarlouis, mit der Bitte, ihn zu veröffentlichen, was wir gerne tun.

Wieder einmal ist das Blut Unschuldiger vergossen worden – mitten im Gebet, mitten in Damaskus. Der Anschlag auf die Mar-Elias-Kirche war ein Angriff auf das Herz unserer christlichen Gemeinschaft in Syrien. Und ja – die offizielle Erklärung spricht vom Islamischen Staat als Täter. Aber wir, als assyrische Christen, haben viele Gründe zu zweifeln.

Wir kennen die Geschichte. Wir haben sie erlebt. Der sogenannte Übergangspräsident, der jetzt in Damaskus das Sagen hat, ist nicht neu. Wir kennen seine Vergangenheit. Wir wissen, was er den Aleviten angetan hat, was er den Minderheiten angetan hat – und was er uns Christen nie gewährt hat: Schutz, Anerkennung, Respekt.

Auch dieses Mal zeigt sich wieder dasselbe Muster:
Kein Besuch bei den Angehörigen der Opfer.
Kein Wort des Trostes an unsere Gemeinde.
Kein einziger Schritt in Richtung unseres Patriarchen oder der Kirchenleitung.
Nicht einmal ein Symbol der Anteilnahme – nichts.

Und das, obwohl die Opfer im Haus Gottes ermordet wurden – während sie gebetet haben.

Was sagt das über die Haltung dieser Regierung zu uns aus?
Wie glaubwürdig ist ein Staat, der seine ältesten Bürger ignoriert, ihre Sprache verbietet, ihre Kirchen dem Verfall überlässt – und ihnen dann erklärt, sie wären gleichberechtigt?

Die neue syrische Verfassung ist ein weiteres Beispiel: Sie erkennt uns nicht an. Sie schützt uns nicht. Sie schreibt unsere Unsichtbarkeit fest.
Ein Volk mit 6000 Jahren Geschichte – reduziert auf eine Randnotiz, wenn überhaupt.
Ein Glaube, der über Jahrhunderte durch Verfolgung getragen wurde – heute schutzlos in seinem eigenen Herkunftsland.

Wir haben genug von Symbolpolitik. Wir wollen keine falsche Sicherheit – wir wollen echte Rechte.
Das Mindeste, was ein Staat tun muss: seine Bürger beschützen – besonders jene, die immer wieder Ziel solcher Anschläge sind.

Wir haben gesehen, wie Christen in Syrien ermordet, verschleppt, vertrieben wurden.
Wir haben gesehen, wie ganze Dörfer verschwunden sind.
Und wir haben gesehen, wie die Welt geschwiegen hat – zu oft, zu lange.

Jetzt ist es genug.
Wir fordern:

  • Eine internationale Untersuchung des Anschlags auf die Mar-Elias-Kirche.
  • Anerkennung der assyrischen Christen als eigenständiges Volk mit politischen und kulturellen Rechten.
  • Schutz unserer Kirchen, Sprache, Schulen und Gemeinden – in Syrien wie in der Diaspora.
  • Eine echte Teilhabe an der Zukunft Syriens – nicht als Bittsteller, sondern als gleichwertige Bürger.

Und wir sagen offen, was wir in unserer alten Heimat oft nicht laut sagen dürfen:
Wir träumen von einer international geschützten Autonomie für unser Volk.
Von einer sicheren Region im historischen assyrischen Dreieck im Irak – zwischen Duhok, und Ninive.
Einem Ort, wo unsere Kinder ohne Angst leben und unsere Kultur überleben kann.
Nicht als Minderheit im eigenen Land, sondern als ein freies Volk – in Würde, Verantwortung und Frieden mit unseren Nachbarn.

Wir sind keine Gäste in Syrien – wir sind das Fundament.
Wir haben Syrien mit aufgebaut, verteidigt, mitgeprägt – und wir bleiben, solange wir atmen.
Aber wir brauchen eine Stimme. Wir brauchen Schutz. Wir brauchen Gerechtigkeit.

Wer unsere Kirchen nicht schützt,
wer unsere Kinder nicht betrauert,
wer unsere Gemeinden ignoriert –
der kann kein Garant für Frieden sein.

Und wer uns assyrische Christen nicht sieht,
der will uns vielleicht auch nicht mehr haben.

Doch wir werden nicht gehen.
Wir werden nicht schweigen.
Wir werden für unser Volk sprechen – und wir werden weiterleben, trotz allem.

Denn unsere Hoffnung ist größer als ihre Gleichgültigkeit.
Unsere Liebe zum Leben ist stärker als ihr Hass.

Charli Kanoun
Vorsitzender des Assyrischen Kulturvereins e. V. Saarlouis
Aktivist in der Assyrische Autonomie Bewegung e. V. Saarlouis

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