Übernommen von Cuba heute:
Kubas Nationalversammlung hat den Kurs für das zweite Halbjahr abgesteckt. Auf der dreitägigen Sommertagung des Parlaments, die am Freitag zu Ende gegangen ist, stand erneut die extrem angespannte Lage der Wirtschaft im Zentrum der Debatten. Wie Premierminister Manuel Marrero ankündigte, wird es ab September eine umfangreiche Reform der Währungspolitik geben, um den Mechanismus der Devisenzuteilung in der Wirtschaft zu verändern. Neben mehreren Gesetzesprojekten wurde eine Erhöhung der Renten ab dem 1. September beschlossen und die Altersobergrenze für die Wahl des Präsidenten abgeschafft. Überschattet wurde die Tagung von der unerwarteten Entlassung der Arbeits- und Sozialministerin, die mit Äußerungen über Bettler für Empörung sorgte (Cubaheute berichtete).
Lage der Wirtschaft
Wirtschaftsminister Joaquín Alonso Vázquez hatte keine leichte Aufgabe. Ein Jahr nachdem sein Vorgänger Alejandro Gil wegen Korruptionsvorwürfen geschasst wurde, musste Alonso den Abgeordneten ein ähnlich düsteres Panorama wie zuletzt Gil vorlegen, ohne große Spielräume für kurzfristige Verbesserungen. Dafür hatte das Finanzministerium Positives zu berichten.

- Kubas Wirtschaft ist weiter in der Rezession. Vergangenes Jahr schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um 1,1 Prozent – etwas weniger als der Rückgang von 1,9 Prozent, der für 2023 gemeldet wurde. Die Landwirtschaft brach um 17,9 Prozent ein, während die Industrieproduktion um drei Prozent zurückging. Die Dienstleistungsexporte (vor allem Telekommunikation und Tourismus) konnten ein leichtes Wachstum von 0,9 Prozent verzeichnen, während soziale Dienste (vor allem der Bildungssektor) um zwei Prozent einbrachen. Ursprünglich war letztes Jahr ein Wachstum von zwei Prozent geplant.
- Die Inflation hat sich auf 14,75 Prozent halbiert, bleibt damit aber auf hohem Niveau. Die rückläufige Tendenz hält jedoch an.
- Als Gründe für die anhaltende Rezession nannte der Minister neben der US-Blockade, den Spätfolgen der Covid-Pandemie und der weltweiten Wirtschaftskrise „Fehler, Abweichungen und negative Tendenzen“ bei der Steuerung der Wirtschaft. „Im Jahr 2025 haben wir eine hohe Auslandsverschuldung, die zwar unter Kontrolle ist, aber dennoch die wirtschaftliche Entwicklung belastet“, sagte Alonso.
- Als die wichtigsten Ziele des diesjährigen Wirtschaftsplans nannte er die Fortsetzung der makroökonomischen Stabilisierung, die Steigerung der externen (Devisen)-Einnahmen, die Ankurbelung der Lebensmittelproduktion und ausreichend Ressourcen für Verteidigung und innere Sicherheit bereitzustellen. Während die anderen Prioritäten bekannt sind, ist letztere neu.
- Die Deviseneinnahmen blieben im ersten Halbjahr neun Prozent unter dem Plan und sind damit im Vergleich zum letzten Jahr um sieben Prozent zurückgegangen. Positiv entwickelt haben sich Exportprodukte wie Tabak, Langusten und andere Fischereierzeugnisse, die allerdings nicht die Einnahmerückgänge bei Produkten wie Nickel, Honig, Kohle und Medikamenten ausgleichen konnten. Bei den Nickelexporten sorgt der (zu) niedrige Weltmarktpreis für ausbleibende Gewinne.
- Die Exporte haben im ersten Halbjahr nur 62 Prozent des Plansolls erreicht (2023: 78 Prozent). Zur Ankurbelung der Exporte wurden 29 neue Finanzkreisläufe in Devisen genehmigt, mit denen sich entsprechende Betriebe rekapitalisieren können. Positiv ausgewirkt haben sich hier die neuen Internetpreise: Statt bislang 10.000 US-Dollar pro Tag konnte ETECSA die täglichen Einnahmen (v.a. durch Aufladungen von Handyguthaben) auf 570.000 US-Dollar steigern. In den 46 Tagen seit Inkrafttreten der neuen Preise wurden 24,8 Mio. US-Dollar eingenommen. Präsident Díaz-Canel mahnte in der Arbeitstagung zur Wirtschaft dazu, die Produktion über neue Devisenkreisläufe zu erhöhen und „wettbewerbsfähige Exportprodukte“ zu entwickeln.
- Die Importe erreichten im ersten Halbjahr 67 Prozent des geplanten Niveaus, etwas mehr als im Vorjahr. Dabei liegt der Schwerpunkt auf „Lebensmitteln, Treibstoffen, Medikamenten und medizinischen Hilfsgütern“, erklärte der Minister.
- Der Tourismus ist weiterhin im Abwärtstrend. Bis zum Ende des ersten Halbjahrs besuchten fast genau eine Million Touristen die Insel, was 71 Prozent des Plans entspricht (2024: 77 Prozent).
- Der Privatsektor wächst langsam, aber kontinuierlich. Bis dato wurde die Gründung von 11.745 kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) genehmigt (von denen sich 11.369 bereits konstituiert haben). Die Zahl der Selbstständigen ist leicht auf 496.535 Personen gesunken. Hinzu kommen 5106 Kooperativen und 110 Joint-Ventures und 100 Prozent ausländische Firmen. Insgesamt macht der Privatsektor (inklusive Landwirtschaft) derzeit rund 50 Prozent der Wirtschaft aus und trägt mit 15 Prozent zu den Staatseinnahmen bei. Die Exporte des Privatsektors beliefen sich im ersten Halbjahr auf 21 Millionen US-Dollar, rund 30 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. 85 Prozent der Privatsektorexporte entfallen auf klassische Handelswaren wie Holzkohle. Die Importe durch den Privatsektor wuchsen um 34 Prozent und überschritten bereits im ersten Halbjahr eine Milliarde US-Dollar.
- Das Haushaltsdefizit ging vergangenes Jahr deutlich zurück: von 10,9 Prozent (2023) auf 6,5 Prozent (2024) des BIP. Wie Finanzminister Vladimir Regueiro Ale berichten konnte, tragen die Bemühungen zur makroökonomischen Stabilisierung und Haushaltskonsolidierung damit erste Früchte. Das Verhältnis von Ausgaben und Einnahmen entwickle sich in Richtung eines gesünderen Gleichgewichts, was die Notwendigkeit zur Aufnahme neuer Schulden reduziert habe und den Rückgang der Inflation begünstigt. Möglich wurde dies durch Preisanpassungen (wie beispielsweise beim Kraftstoff) und stärkere Kontrolle der Ausgaben. 64 Prozent der Haushaltseinnahmen wurden vergangenes Jahr durch Steuern erzielt, insgesamt lagen die Einnahmen 10 Prozent über dem Plan. Dies konnte durch die Erweiterung der Steuerbasis und die Abschaffung einiger steuerlicher Vergünstigungen erreicht werden. Zum ersten Mal seit über 10 Jahren hat das laufende Konto des Staates einen positiven Saldo.
- Top-Priorität bleibt die Energieversorgung. Im Juni wurden durchschnittlich 20 Stunden Stromausfälle pro Tag gemeldet. Mit der Wiederinbetriebnahme der Kraftwerke Céspedes, Santiago de Cuba und Santa Cruz soll es für den restlichen Sommer eine leichte Verbesserung geben, allerdings würden die Stromabschaltungen noch länger zum Alltag der Kubaner gehören. „Es gibt eine tragfähige Strategie zur Wiederherstellung des nationalen Stromsystems. Wir sind auf dem Weg zur Unabhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen“, versprach Energieminister Vicence O’Levy gegenüber den Abgeordneten. Derzeit gehen jeden Monat durchschnittlich fünf neue Solarparks ans Netz (bislang: 22), allerdings gebe es weiterhin keine nachhaltige Lösung in Bezug auf den Import von Brennstoffen, erklärte der Minister. Von den ehemals acht schwimmenden Kraftwerken des türkischen Anbieters Karpowership sind noch drei im Einsatz, für die „Mindestzahlungen“ geleistet worden seien, um deren Betrieb bis Ende August aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig sei der Bedarf um 524 Megawatt gestiegen, insbesondere aufgrund der Zunahme von Elektrogeräten, fehlenden Flüssiggasimporten (was die Haushalte zu elektrischem Kochen zwingt) und „Tarifen, die keinen Anreiz zum Sparen setzen“. Die Produktion von heimischem Rohöl ist in den letzten Jahren von 3,6 Millionen auf 2,1 Millionen Tonnen gefallen, der Rückgang konnte jedoch gestoppt werden. Die installierte Solarleistung soll bis Dezember von derzeit 481 auf 1115 Megawatt ansteigen, womit sich das Defizit um die Mittagszeit um 400 Megawatt reduzieren lasse. Bis Jahresende sollen zudem 850 Megawatt an Leistung durch dezentrale Generatoren und 1400 Megawatt bei den thermischen Kraftwerken wiederhergestellt werden.
Ein anhaltendes Problem sei der Diebstahl von Leitungen, Transformatoren, Treibstoff und weiterem Zubehör, erklärte O’Levy. Darüber hinaus fehlt es dem Land an Geld für den Erwerb neuer Transformatoren, von denen jedes Jahr rund 12.000 benötigt werden. - Die staatliche Industrieproduktion befindet sich weiter im Krisenmodus und liegt 37 Prozent unterhalb des Plans, erklärte Minister Eloy Álvarez Martínez. 587 staatliche Unternehmen kommen für 85 Prozent der Warenzirkulation Kubas auf. Von denen schrieben zwar einige geringere Verluste als zuvor, jedoch nicht aufgrund von Produktivitätssteigerungen, sondern Preiserhöhungen. Die vom Minister vorgestellte Industriepolitik beschränkt sich derzeit auf Vorschläge zur Ausweitung des Recyclings und Verzahnungen mit dem Privatsektor. Die Lebensmittelindustrie blieb im ersten Halbjahr 17 Prozent unter dem Plan (-2,9 Prozent im Vergleich zu 2024). Besonders drastisch sind die Einbrüche bei der Konservenherstellung (51,5 Prozent unterhalb des Plansolls), Milchproduktion (45,9 Prozent unter Plan) und Mehl (45,6 Prozent unter dem Plan). Lediglich bei der Bierproduktion wurde der Plan übererfüllt.
- Die Lage der Landwirtschaft bleibt angespannt, jedoch scheint nach Jahren der Produktionsrückgänge in vielen Bereichen der Boden erreicht worden zu sein. Bei Reis, Gemüse- und Knollenfrüchten wurde der (moderate) Plan im ersten Halbjahr erfüllt und damit die Produktion von 2024 übertroffen, die Produktion von Eiern und Milch ging weiter zurück. Insgesamt ist die Produktion weit davon entfernt, die hohe Importquote von rund 80 Prozent signifikant zu reduzieren. Kritisch ist die Lage im Zuckersektor, wo nur 50 Prozent der geplanten Flächen ausgesät werden konnten. Analysten rechnen dieses Jahr mit einer historisch niedrigen Zuckerproduktion von unter 200.000 Tonnen. Ein Wachstum der Zuckerproduktion über das jetzige Niveau hinaus sei aufgrund der Ausgangsbedingungen auch in den Jahren 2026 und 2027 nicht zu erwarten, erklärte der Minister.
Neue Wirtschaftsmaßnahmen und Reformen
Premierminister Marrero skizzierte auf der Tagung am Mittwoch in einer knapp zweistündigen Rede den Fahrplan für das zweite Halbjahr. Dabei kündigte er größere Reformen an, die ab September umgesetzt werden sollen:
- Anhebung des Rentenniveaus: Rentner, die weniger als 4000 Pesos Rente (ca. 30 Euro gemäß dem offiziellen, 10 Euro gemäß dem informellen Wechselkurs) pro Monat beziehen, können ab dem 1. September mit mehr Geld rechnen. Davon profitieren 1,32 Millionen Personen (79 Prozent aller Rentner). Die Mindestrente wird von derzeit 1528 Pesos auf 3056 Pesos verdoppelt, was 438.572 Rentner betrifft. Wer zwischen 1528 und 2472 Pesos erhält, bekommt eine pauschale Aufstockung um 1528 Pesos. Wer mehr als 2472 Pesos erhält, dessen Pension wird auf 4000 Pesos erhöht. Der Staat wird für diese Reform 22 Mrd. Pesos (ca. 52 Mio. Euro) aufwenden.
- Hauptarbeitsfeld der Regierung ist weiterhin das „makroökonomische Stabilisierungsprogramm“, das seit seiner Ankündigung im Dezember 2023 mittlerweile in einer dritten Fassung vorliegt, erklärte Marrero. Damit will die Regierung „Verzerrungen“ der Wirtschaft beseitigen und Grundlagen für Wachstum schaffen.
- Kernelement ist die taktische Ausweitung der Teil-Dollarisierung der Wirtschaft, um langfristig wieder Entdollarisieren zu können. In diesem Rahmen sollen geschlossene Devisenkreisläufe im Exportbereich (darunter erstmals auch für die Landwirtschaft) geschaffen werden. Zudem steht im Herbst eine große Intervention in den Devisenmarkt bevor, die eine Anpassung des Wechselkursregimes und die Schaffung eines dynamischen Wechselkurses („tasa de cambio flotante“) umfassen soll. Damit sollen sämtliche Wirtschaftsakteure besseren Zugang zu Devisen erhalten, was Voraussetzung für deren rationales Funktionieren jenseits des informellen Devisenmarktes ist. Die entsprechenden Gesetze sollen im September veröffentlicht werden und im November in Kraft treten. Die Zeit dazwischen wird zur Schulung des Personals in Banken, Institutionen und Unternehmen genutzt. Zudem werde man dem Thema der (politischen) Kommunikation der Maßnahmen besondere Aufmerksamkeit widmen. Die Einführung bargeldloser Zahlungsmethoden („bancarización“) wird fortgesetzt.
- Die vergangenen Sommer eingeführten Preisobergrenzen für bestimmte Grundnahrungsmittel (verbunden mit Zollausnahmen für Importeure) sollen aufgrund der hohen politischen Sensibilität dieses Themas bestehen bleiben.
- Ausländische Investitionen sollen künftig flexibler und schneller genehmigt werden. „Es hat sich gezeigt, dass einige Geschäfte innerhalb von 30 Tagen abgeschlossen werden können, andere sind komplexer und benötigen mehr Zeit, aber der Prozess sollte nicht so ablaufen wie heute. Das ist eine berechtigte Forderung der Investoren“, sagte Marrero, der (erneut) die Restrukturierung des Ministeriums für Außenhandel ankündigte. Ziel ist der Abbau von Bürokratie und schnellere Entscheidungen. Zudem sollen Unternehmen, die Mietverträge im Tourismus abschließen, in Zukunft auch 100 Prozent ausländische Firmen sein können. Im Bereich der Landwirtschaft sollen erstmals „echte Rechte“ (z.B. zur Landnutzung und Anstellung von Arbeitskräften) an Investoren vergeben werden, was derzeit im Rahmen eines Pilotprojekts zum Reisanbau mit einer vietnamesischen Firma ausprobiert wird. In Baracoa soll ein neues Joint-Venture für die Schokoladenproduktion entstehen.
- Das 2023 vorgestellte und seitdem immer wieder verschobene Unternehmensgesetz („Ley de Empresas“) soll im Dezember verabschiedet werden. Damit soll die Autonomie der staatlichen Unternehmen erweitert werden und eine stärkere Nutzung von Marktsignalen in die Planwirtschaft Einzug halten. Marrero erklärte dazu: „Der Vorschlag und der Gesetzentwurf für das staatliche sozialistische Unternehmen wurden im Politbüro analysiert, und es gab eine heftige Debatte über die Reichweite dieses Gesetzes, über Hindernisse, die dessen Umsetzung einschränken würden. Es wird intensiv daran gearbeitet, und es steht auf der Tagesordnung des Gesetzgebungsprogramms für Dezember“. Er ergänzte, dass in mehreren Unternehmen Verstöße, wie ungerechtfertigte Sonderzahlungen, festgestellt worden seien: „[…] diese Schwierigkeiten wurden berücksichtigt, um die Erfahrungen in die neue Rechtsform einfließen zu lassen“.
- Privatsektor: Bei Verträgen zwischen Staats- und Privatsektor sei es zu einer Häufung von Korruptionsfällen gekommen, „auf deren Grundlage Maßnahmen ergriffen wurden, um diese unverzichtbaren und notwendigen Beziehungen zu stärken, die weiter ausgebaut werden müssen.“ Als neue Möglichkeit sollen im Herbst die bereits 2021 angekündigten rechtlichen Grundlagen für Joint-Ventures zwischen Staats- und Privatbetrieben geschaffen werden (bisher gibt es lediglich acht Pilotprojekte). Die Dezentralisierung der Genehmigungsprozesse für die Gründung von Privatunternehmen wird fortgesetzt. Bislang kam sie nur testweise in 16 Gemeinden zum Einsatz, deren Anzahl soll schrittweise weiter steigen und diese Kompetenz im nächsten Schritt auf 49 Kommunen erweitert werden.
- Ökonomische Dezentralisierung der Gemeinden: Um die Lebensmittelversorgung zu verbessern, sollen neue Agro-Industriesysteme auf kommunaler Ebene geschaffen werden, von denen es bislang 117 gibt. Der Prozess müsse fortgesetzt werden „[…] indem die Gemeinden zu deren Genehmigung, zur Verbesserung der Strukturen und Personalausstattung der Gebiete sowie zur Schaffung und Konsolidierung lokaler Systeme für den Wandel der kommunalen Produktionsstruktur ermächtigt werden“, sagte Marrero. Auch die Gründung von Lokalentwicklungsprojekten („proyectos de desarollo local“), von denen es bislang 2261 gibt, soll fortgesetzt werden. Aufgrund häufiger Normverstöße soll der rechtliche Rahmen jedoch überarbeitet werden.
- Weitere wirtschaftliche Neuerungen und Prozesse, die im zweiten Halbjahr umgesetzt werden sollen:
- 100 Prozent der Deviseneinnahmen durch den Export von Gesundheitsdienstleistungen und Produkten, sollen im Gesundheitsministerium verbleiben.
- Selektive Anwendung von Swap-Geschäften und den mit Immobilien verbundenen Geschäftsmodalitäten.
- Dem Staatsrat wird der Entwurf für die Gründung eines neuen Instituts vorgelegt, das sich um Staatsunternehmen kümmert (Teil der Unternehmensreform).
- Einführung einer neuen Lohnpolitik, die „zu einer Vereinheitlichung führen und dem kubanischen Unternehmenssektor sehr zugute kommen wird.“
- Fortschritte bei der „Redimensionierung“ des Staatssektors, inklusive Vorschlägen zur Reduzierung des Personals in Führungspositionen.
- Neue Maßnahmen zur Verringerung der sozialen Ungleichheit.
- Erweiterung der Modi und Möglichkeiten zum Empfang von Geldsendungen („Remesas“) aus dem Ausland.
- Neue Gesetze: Auf der Sitzungen wurden folgende Gesetzesvorhaben diskutiert und verabschiedet:
- Gesetzbuch für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene (Entwurf als PDF): Ersatz des alten Kodex von 1978 durch ein modernes Rahmengesetz, das auf der Verfassung von 2019 fußt. Mit dem Gesetz soll der Schutz von Kindern vor allen Gewaltformen gestärkt werden. Darüber hinaus beinhaltet es strikte Verbote gegen Kinderarbeit und garantierte Förderung von Bildung, Gesundheit und sozialer Teilhabe. Kinder, Jugendliche und Heranwachsende erhalten in dem Gesetz „progressive Autonomie“, d. h. altersgemäße Selbstbestimmungsrechte.
- Gesetz über das kubanische Sportwesen (Entwurf als PDF): Erstes eigenes Sportgesetz in der kubanischen Rechtsordnung; zuvor existierten nur sektorale Verordnungen. Mit dem Gesetz werden klar definierte Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten aller Akteure im kubanischen Sportsystem (von der Basis bis zu Spitzenathleten) geregelt. Zudem halten Antidiskriminierungsklauseln zu Homo- und Transphobie Einzug.
- Gesetz über das Personenstandsregister: Modernisierung des Personenstandsrechts, u. a. elektronische Verfahren, Vereinfachung von An- und Abmeldungen sowie Pass- und Ausweisangelegenheiten. Stärkung der Rechte von Transpersonen, die ihr Geschlecht unbürokratischer ändern können. Aufnahme von intersexuellen Geburten („Condición Intersexual“) und Lebenspartnerschaften („Pactos de Convivencia“) in Übereinstimmung mit dem neuen Familiengesetz von 2022.
- Allgemeines Ordnungswidrigkeitengesetz: Aktualisierung und Vereinheitlichung des Ordnungswidrigkeitenrechts (Regelung von geringfügigen Rechtsverletzungen und zugehörigen Sanktionen).
- Am 18. Juli beschloss die Nationalversammlung die Aufhebung des Höchstalters von 60 Jahren bei Amtsantritt eines Präsidenten. Die ursprünglich mit der neuen Verfassung von 2019 eingeführte Beschränkung schoss wohl übers Ziel hinaus und entspreche nicht mehr den „demographischen Gegebenheiten“, wie ein Abgeordneter erklärte. Damit „erweitert sich der Kreis“ derjenigen, die 2028 zum nächsten Präsidenten gewählt werden können, erklärte Díaz-Canel. Alle übrigen Bestimmungen, wie die Beschränkung auf zwei Amtszeiten oder das Mindestalter von 35 Jahren, bleiben bestehen. 440 von 462 Abgeordneten (95,2 Prozent) stimmten für die Verfassungsänderung.
Weitere Themen

- Trotz verschärfter US-Sanktionen gegen diesen Sektor, soll der Export medizinischer Dienstleistungen fortgesetzt und ausgebaut werden. Derzeit sind 24.000 kubanische Mediziner in 56 Ländern im Einsatz.
- Um den Wohnungsbau steht es schlecht. Der bereits stark zusammengekürzte staatliche Wohnungsbauplan wurde 2024 mit 2382 Neubauten nur zu 22 Prozent erfüllt. Das Wohnungsdefizit liegt bei 805.583 Einheiten, davon fehlen 94.421 in Folge von Hurrikanen und anderen Naturkatastrophen. Von den aktuell 4,09 Mio. Wohnungen in Kuba befinden sich 65 Prozent in gutem und 35 Prozent in regulärem oder schlechtem technischem Zustand. Es wurde kritisiert, dass die Qualität der im Land produzierten Baumaterialien nachgelassen habe.
- Derzeit haben 2,5 Millionen Personen mit Problemen bei der Wasserversorgung zu kämpfen. Eine wesentliche Ursache ist die instabile Stromversorgung. Bei 300.000 Personen sind die Probleme primär auf defekte Pumpen zurückzuführen. Das Nationale Institut für Wasserwirtschaft (INRH) verfügt nur über 37 Prozent des benötigten Treibstoffs, 10 Prozent weniger als im Vorjahr.
- Die Lage des Gesundheitswesens bleibt alarmierend. Nur 30 Prozent des Grundsortiments an Medikamenten sind verfügbar, in den Apotheken sind lediglich 32 Prozent der benötigten Medikamente vorrätig. Besonders Antibiotika sind knapp. Gesundheitsminister Portal Miranda kritisierte in diesem Zusammenhang die US-Wirtschaftsblockade, welche den Erwerb von Medizinprodukten erschwere. Die Säuglingssterblichkeit stieg auf 8,2 pro 1.000 Lebendgeburten (2024: 7,4). Die Müttersterblichkeit kletterte auf 56,3 pro 100.000 Geburten (2024: 37,4). Es gab dieses Jahr bislang 16 Sterbefälle von Müttern. Sechs Provinzen haben eine Säuglingssterblichkeitsrate unter 7. Neben der prekären Versorgungslage wurde die Abwanderung von Gesundheitsfachkräften als Hauptproblem genannt. Zwar sank die Kündigungsrate durch Gehaltsanpassungen um 25 Prozent, doch kritische Bereiche wie Operationspersonal sind weiter unterbesetzt. Zudem fehlt es an qualifiziertem Nachwuchs für die Besetzung von Führungspositionen. Eine weitere Herausforderung bleibt die demographische Situation: Kuba altert rasant. 25,7 Prozent der Bevölkerung (2.485.275 Menschen) sind über 60 Jahre alt. Gleichzeitig sinkt die Geburtenrate (28.400 Lebendgeburten bis 12. Juli, 6.738 weniger als 2024).
- Vieh- und Weidewirtschaft: Der Bestand an Milchvieh ist seit 2019 ebenso wie die Fleischproduktion stark rückläufig. Auf der Tagung der Fachkommission wurde die Lage der Viehwirtschaft in Kuba als „kritisch“ charakterisiert. Wenn sich die aktuelle Tendenz fortsetze, könnte die Viehwirtschaft in Kuba „bis zum Jahr 2030 vollständig verschwinden“, mahnte ein Abgeordneter. Ein anhaltendes Problem ist der niedrige staatliche Abnahmepreis für Milch, der aktuell bei 30 Pesos (ca. 7 Eurocent) liegt, während der Liter auf der Straße für 200 Pesos (ca. 50 Eurocent) gehandelt werde. Hinzu kommt, dass Zahlungen durch den staatlichen Abnahmemonopolisten Acopio oft nur mit starker Verspätung erfolgen – eine Kritik, die von Landwirten seit Jahren angebracht wird, ohne dass es zu wirksamen Lösungen kam. In einem Fall aus Camagüey wurde berichtet, dass eine Kooperative seit letzten September kein Geld für Milch mehr erhalten habe. „Ich habe 252 Rinder. Um sie zu versorgen, brauche ich fünf Arbeiter, deren Lohn die Viehzucht nicht deckt. Ich muss mit anderen Produkten dazuverdienen. Diejenigen, die heute noch Viehzucht betreiben, sind Helden: Ich schlafe mit einer Waffe neben mir und bewache die Herde rund um die Uhr. Das ist kein Geschäft, das ist Leidenschaft und Opferbereitschaft“, sagte ein Abgeordneter. 84 Prozent der 429.000 Kühe auf Kuba sind in den Händen von Kleinbauern.
- Ein anhaltendes Problem ist der Mangel an Personal im Staatssektor. Im Einzelhandel sind beispielsweise nur 64 Prozent der Stellen besetzt. Auch deshalb werden Gewerbeflächen teils nur unzureichend genutzt. In mehr als 6000 staatlichen Einrichtungen werden keine Flächen mehr ausgeschrieben.
- Auch der Transportsektor ist von der Energie- und Wirtschaftskrise massiv betroffen. Bis April wurden landesweit 894 Millionen Passagiere befördert, 32 Prozent weniger als geplant und 114 Millionen weniger als im selben Zeitraum 2024. Besonders schwierig ist die Lage bei den lokalen Busverbindungen, die 65 Prozent unter dem Plansoll liegen.
Schnelle Hilfe ist nicht in Sicht. Nur soviel: Der neu eingerichtete Fonds zur Refinanzierung des ÖPNV über Autoverkäufe hat dem Bereich in den letzten Monaten einen leichten Zufluss an Devisen verschafft, mit dem unter anderem die Herstellung und der Import einiger Mikrobusse, Elektro-Rikschas und anderer „kleiner Pflaster“ (wie der Verkauf von 10.000 Fahrrädern in Pesos) finanziert wird. Es fehlt weiterhin an Treibstoff und Devisen für Ersatzteile. - Am Donnerstag hat Kubas Außenminister Bruno Rodríguez Parrilla die außenpolitischen Prioritäten für 2025-2028 vorgestellt, die in der Nationalversammlung debattiert wurden. Im Mittelpunkt stehen der Schutz der Souveränität gegen US-Druck, die wirtschaftliche Erholung sowie eine stärkere Einbindung der Bevölkerung und der Diaspora in die Diplomatie. Die „wachsende Aggression der US-Regierung“ erfordere eine klare Ausrichtung auf die „Verteidigung der Unabhängigkeit, der Revolution und des Sozialismus“, sagte Rodríguez. Als zentrale Herausforderungen nannte er die seit über sechs Jahrzehnten bestehende US-Wirtschaftsblockade und die erneute Einstufung als „staatlicher Sponsor des Terrorismus“ durch die Trump-Administration. Beide Maßnahmen trügen maßgeblich zu „Leid und Mangel in kubanischen Familien“ bei. Ein Schwerpunkt liege darauf, neue Möglichkeiten für „Exporte, Importe, Investitionen, Finanzbeziehungen und internationale Zusammenarbeit“ zu erschließen, so Rodríguez. Die Teilnahme kubanischer Delegationen an internationalen Foren und bilateralen Besuchen diene der gezielten Vertiefung wirtschaftlicher Bindungen. Kuba wolle zudem seine Führungsrolle in Bündnissen des Globalen Südens – insbesondere der Gruppe der 77 plus China und der Bewegung der Blockfreien – ausbauen.
- Kampf gegen Kriminalität und Korruption: Laut Generalstaatsanwältin Yamila Peña Ojeda werde die Strafverfolgung „aufgrund weitverzweigter krimineller Netzwerke und einer steigenden Zahl an Strafanzeigen“ immer komplexer. Insbesondere Drogendelikte haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen, weshalb die Präventionsarbeit in Zusammenarbeit mit den Komitees zur Verteidigung der Revolution (CDR), der Polizei und Gesundheitsbehörden erhöht wurde. 94 Prozent der Drogen- und 100 Prozent der Korruptionsdelikte wurden vergangenes Jahr mit Gefängnisstrafen geahndet.
- Epidemiologische Situation: Dr. Gretza Sánchez Padrón, Direktorin für Hygiene und Epidemiologie, warnte vor einem „komplexen Szenario“ durch steigende Infektionskrankheiten bei gleichzeitig kritischen Hygienemängeln. Fünf Provinzen melden aktive Dengue-Übertragungen, mit Schwerpunkten in Havanna, Santiago de Cuba und Holguín. Bei der Umsetzung von Notfallplänen mit Insektiziden und Larvenbekämpfung behindern logistische Engpässe die Umsetzung. Hygienische Missstände wie Müllanhäufungen, schlechte Trinkwasseraufbereitung und mangelnde Lebensmittelhygiene haben die Inzidenzen von Tuberkulose und Hepatitis-A erhöht. Trotz wirtschaftlicher Einschränkungen hält Kuba seine Impfquoten auf über 95 Prozent. Dieses Jahr wurde ein neuer kubanischer Pneumokokken-Impfstoff für Kinder unter zwei Jahren eingeführt.
- Nachdem dieses Mal die Provinz Camagüey und das Transportministerium gegenüber den Abgeordneten Rechenschaft ablegen mussten, sind im Dezember das Justizministerium und die Provinz Ciego de Ávila dran.
Rücktritt von Marta Feitó Cabrera
- Sowohl Díaz-Canel als auch Marrero äußerten sich zum Rücktritt der Arbeitsministerin nach ihren Äußerungen über Bettler und vulnerable Gruppen, die für eine Welle der Entrüstung sorgten. Díaz-Canel nutzte seine Ausführungen, um grundsätzlich Haltung und Politik gegenüber allen Menschen in prekären Lagen zu verdeutlichen. Er betonte mehrfach, dass die Revolution niemanden zurücklasse und Verwundbarkeit nicht mit Konfrontation beantwortet werde. „Ich werde niemanden konfrontieren, der in einer vulnerablen Situation ist. Ich werde mich um diejenigen kümmern, die in einer Lage sind, für die die Revolution nicht geschaffen wurde“, sagte der Präsident und fügte hinzu: „Diese Personen sind nicht unsere Feinde. Wir werden uns um sie kümmern. Wir haben den Willen, sie nicht nur anzuerkennen, sondern ihren Zustand zu verändern – sonst wären wir keine Revolutionäre.“ Marrero ging Feiró direkter an. Es sei bekannt, dass die Äußerungen der Ministerin auf „großen und berechtigten Widerstand“ gestoßen seien. Auch er betonte nochmal den Unterschied zu den Grundsätzen der kubanischen Sozialpolitik: „Drogen und Kriminalität bekämpfen wir – Bettler hingegen werden nicht ‘bekämpft’, sie werden betreut. Und nicht nur betreut, sondern ihre Situation muss nachhaltig gelöst werden.“ Zu den Hintergründen ihres Rücktritts erklärte er: „Wir sind gestern beim Arbeitsministerium erschienen. Die Ministerin hat, wie in der veröffentlichten Mitteilung zum Ausdruck kommt, ihre Fehler eingeräumt. Sie ist eine Ministerin, die hart gearbeitet und sich für die Verabschiedung mehrerer Beschlüsse zu diesen politischen Maßnahmen eingesetzt hat. Sie hat eingeräumt, dass sie einen Fehler gemacht hat, und zwar, wie sie uns sagte, ‚in einer Sache, in der ich niemals einen Fehler hätte machen dürfen. Und ich sehe mich nicht in der Lage, weiterhin als Führungskraft an der Spitze eines Ministeriums zu bleiben.‘ Das war eine mutige Haltung der Genossin, die wir dort mit ihrem gesamten Führungsgremium geteilt haben, das ebenfalls Verständnis dafür hatte, dass diese Maßnahme notwendig war.“
Quelle: Cuba heute
