Will die Regierung Verschlechterungen mit dem Brecheisen erzwingen?

Obwohl das Reformvorhaben schon einen langen Bart hat, wissen viele Menschen noch gar nicht, wie groß das Ausmaß der Verschlechterungen bei der Pflegeversicherung sein könnte, sollte die Luxemburger Regierung ihr Vorhaben in die Tat umsetzen können. Da war es keineswegs verwunderlich, dass die Rentnerinnen und Rentner der Sektion Differdingen des »Lëtzebuerger Rentner- an Invalideverband« in helle Aufregung gerieten, als ihnen vergangene Woche anlässlich ihrer Generalversammlung das Ausmaß der beabsichtigten Verschlechterungen bewußt gemacht wurde.

Das Stufensystem, das eingeführt werden soll und das 1999, als die Pflegeversicherung das erste Mal in Kraft trat, ausdrücklich verworfen wurde, weil es auf mittleren Werten beruht, kann den individuellen Bedürfnisse der pflegebedürftigen Personen gar nicht gerecht werden. Manche Pflegebedürftigen müssten demnach Verschlechterungen befürchten.

Absicht der Regierung es ist weiter, die spezialisierten Fördermaßnahmen erstens um zwei Drittel zu kürzen und zweitens sie nicht mehr zu bezahlen, wenn sie bei einer Person nicht mindestens dreieinhalb Stunden in der Woche betragen.

Die Fördermaßnahmen zu kürzen, käme einer regelrechten Katastrophe gleich, da es sich hier um Vorbeugemaßnahmen handelt, die dazu da sind, die noch vorhandene Unabhängigkeit der betroffenen Personen so lange wie möglich zu erhalten. Fallen sie weg, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass diese Menschen schneller pflegebedürftig werden, was natürlich auch zu Mehrkosten führen wird. Im Falle der Reduzierung der Vorbeugemaßnahmen kommt hinzu, dass zahlreiche Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren werden.

Geradezu schäbig, beziehungsweise herzlos ist, dass die Regierung bei der Hauspflege die zwei Stunden pro Woche für administrative Hilfe und Hilfe beim Einkaufen streichen will. Für die pflegebedürftigen Menschen wird das zu einer ernsthaften Verschlechterung ihrer Lebensumstände führen, während 160 Beschäftigte von Arbeitslosigkeit bedroht sein werden.

Im Gesetzesprojekt, das die Dreierkoalition zurückziehen sollte, wenn es nach der KPL geht, gibt es noch mehr solcher negativen Veränderungen, die von den Gewerkschaften, der »Patiente Vertriedung« und den Dienstleistungsbetrieben aus dem Pflegebereich angeprangert wurden. Aber es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Regierung, die mit dem neuen Gesetz die Pflegeleistungen von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig machen will, auf diesem Ohr taub ist.

Weil die Pflegebedürftigen, die Beschäftigten aus dem Pflegebereich und die Rentner und Lohnabhängigen insgesamt (die bekanntlich den größten finanziellen Beitrag zur Pflegeversicherung leisten), keine Reform brauchen, die ihnen erhebliche Verschlechterungen bringen wird, werden sie nicht daran vorbeikommen, sich solidarisch gegen das Gesetzesprojekt zur Wehr zu setzen und gemeinsam auf die Straße zu gehen. Sie sollten der Regierung und den Parteien unmißverständlich klar machen, dass ihre Zeit demnächst abgelaufen ist, sollten sie keine Einsicht zeigen und stattdessen Verschlechterungen mit dem Brecheisen erzwingen wollen.

Ali Ruckert, Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek