IALANA zum Strafverfahren gegen Hermann Theisen wegen Aufforderung zum Whistleblowing

friedenstaubeNicht nur Herr Erdogan macht Kritiker seiner Politik mundtot. Auch in Deutschland stehen diejenigen mit einem Bein im Gefängnis, die es wagen, die Mitarbeiter einer Rüstungsfirma aufzufordern, die illegalen Kriegswaffenexporte und die dafür verantwortlichen Manager der Öffentlichkeit zu offenbaren.

Weil er die Mitarbeiter der Fa. Heckler & Koch mit einem Flugblatt aufgefordert hat, die Öffentlichkeit umfassend und rückhaltlos über die firmeninternen Betriebs- und Prozessabläufe ihres Arbeitgebers zu informieren, aus denen sich die illegalen Waffenexporte, die damit im Zusammenhang stehenden Schmiergeldzahlungen und das Eingebundensein des Managements in diese Handlungen ergeben, ist der Friedensaktivist Hermann Theisen von der Staatsanwaltschaft wegen Verstoßes gegen § 111 StGB angeklagt worden. Er habe zum Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gem. § 17 UWG aufgefordert.

Seit Jahrzehnten ist Deutschland einer der weltweit führenden Waffenexporteure (aktuell Platz 5 der Weltrangliste). Laut Rüstungsexportbericht der Bundesregierung hat das BMWi 2016 Einzelausfuhrgenehmigungen für Kriegsgerät im Wert 6,85 Mrd € erteilt. Dabei entfielen 54 Prozent der Rüstungsexportgenehmigungen (3,69 Mrd Euro) auf Drittländer außerhalb von EU und NATO, obwohl nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und nach EU-Recht Exporte an solche Länder nur in Ausnahmefällen genehmigt werden sollen.

Ein großer Teil der Kriegswaffen gelangen in Drittländer, in denen die Gefahr besteht, dass sie zur inneren Repression benutzt werden, in denen das Risiko schwerer Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht besteht, in denen bewaffnete Konflikte ausgelöst oder verlängert werden oder bestehende Konflikte verschärft werden oder in denen die Waffen zur gewaltsamen Durchsetzung von Gebietsansprüchen benutzt werden – also in Länder, bei denen nach verbindlichem EU-Recht Ausfuhrgenehmigungen zu verweigern sind. Zum Beispiel ist der Export von Kriegswaffen in Länder, die im Jemen Krieg führen (Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und Ägypten), in Staaten, die ihre schiitischen Bevölkerungsteile gewaltsam unterdrücken (Saudi-Arabien, Bahrain) oder in Bürgerkriegsregionen von Mexiko nach den EU-Regeln nicht zu rechtfertigen.

Die von Hermann Theisen an den Pranger gestellte traditionsreiche Waffenschmiede Heckler & Koch steht im Verdacht, unter Verstoß gegen Exportverbote Kriegswaffen in Krisenländer zu liefern. Das zeigt die Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen sechs ehemalige Beschäftigte (darunter zwei ehemalige Geschäftsführer) wegen bandenmäßiger illegaler Kriegswaffenexporte. Das Landgericht Stuttgart hat die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet.

Diese illegalen Praktiken sind bislang von der verbreiteten Auffassung im juristischen Fachschrifttum geschützt worden: Das Offenbaren von illegalen Waffenexporten sei ein strafbarer Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen! Begründung: Auch illegale Geheimnisse stellten bei wirtschaftlicher Betrachtung einen Wert dar! Diese Auslegung der Strafvorschrift des § 17 UWG ist jedoch mit der rechtsverbindlichen „Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016“ überholt. Demnach ist der Schutz zu versagen, wenn das Geschäftsgeheimnis in Ausübung des Rechts der freien Meinungsäußerung oder zur Aufdeckung einer illegalen Tätigkeit aufgedeckt worden ist. Nichts anderes hat Hermann Theisen mit seiner Flugblatt-Aktion vor der Fa. Heckler & Koch getan.

IALANA erwartet deshalb den Freispruch von Hermann Theisen und fordert von der Bundesregierung die strengere Anwendung und Überwachung der verbindlichen Gesetze für Kriegswaffenexporte. Auch der Verbleib der gelieferten Kriegswaffen muss umfassend kontrolliert werden, um den Weitertransport in Krisengebiete wirksam zu verhindern.