Ein Bericht aus dem Betrieb

Elke Heinrichs über Probleme im Landeskrankenhaus Graz

In Graz absolvierte ich meine Ausbildung und spezialisierte mich in den morphologischen Fächern Zytologie und Histologie und arbeite seit 38 Jahren als Diplomierte Biomedizinische Analytikerin in zytologischen Einrichtungen des Landeskrankenhauses (LKH) in Graz. Ich beschäftige mich in der Hauptsache mit der Beurteilung von Körperzellen im Rahmen der gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung.

Diese Befundung erfolgt in Routinelabors sozusagen am Fließband. Drei bis fünf Minuten sind für einen Befund vorgesehen, was – wie man sich vorstellen kann – nicht in jedem Fall einzuhalten möglich ist.

So verbringe ich seit bald 40 Arbeitsjahren mindestens acht Stunden sitzend hinter dem Mikroskop. Man hat errechnet, dass dieses täglichen Autofahrten von mindestens 600 km entspricht. Eine orthopädische Herausforderung. Abgesehen von der Konzentrationsfähigkeit für den Moment, an dem es kritisch wird: Man sucht ja in jedem Präparat akribisch nach Krebszellen.

Überhöhte Work Loads und Misserfolge

Während eines Arbeitstages kann man das Pech mit gehäuft auftretenden komplizierten Fragestellungen während der Befundung haben. Dann ist es nicht einfach das vorgegebene Pensum ohne weiteres zu schaffen, und man verschleppt auf die nachfolgenden Tage. In Spitzenzeiten waren über Jahre 380 Befunde pro Woche unbedingt zu erstellen. Diese weit überhöhten Work Loads werden seit der Zeit der PCs neben dem Mikroskop zwar nicht mehr eingefordert, dafür verschlingt nun die Dokumentation sehr viel Zeit neben der Befundung.

Ab den 1990er Jahren erhöhte sich der Arbeitsdruck zunehmend. Wir begannen uns zu erkundigen, wie es in puncto fixem Befundungspensum in anderen Instituten bestellt war. So zogen wir uns gehörigen Unmut seitens der Vorgesetzten zu. Der Betriebsrat musste bemüht werden. Gleichzeitig musste ich persönlich erkennen, wie Sorge vor ungemütlicher Stimmung und Angst vor Repressalien die Atmosphäre am Arbeitsplatz vergiften kann, wie leicht sich die Kollegenschaft in Grüppchen spalten lässt, Teile sicherheitshalber zurückgezogen abwarten, den Leidensdruck schönreden und somit die betriebsrätlichen Interventionen obsolet wurden. – Wenn es gelingt, Teile der Belegschaft zu verunsichern, zu verängstigen, dann ist es für zu wenige nicht möglich etwas für alle zu erreichen!

Es muss nicht bei Pleiten bleiben

Während meiner Dienstzeit am Pathologischen Institut des LKH Graz kam im Jahr 2010 eines Tages eine junge Kollegin aus dem Histologielabor zu mir in die Zytologie mit den Worten: „Du bist doch im Betriebsrat und im Berufsverband. Wir brauchen Hilfe bezüglich des gegenwärtigen, ungerechten Kollektivvertrages!“ Es ging damals um den KV an österreichischen Universitäten, mit komplizierter Einstufung in zwei verschiedene Gehaltsschemata je nach postsekundärer Akademie- oder FH-Ausbildung und unterschiedlichen Regelungen in Betriebsvereinbarungen, wonach „dreijährige praktische Erfahrungen gesammelt werden müssen“ um in den Genuss des günstigeren Gehaltsschemas gelangen zu können. Bei gleicher Leistung lag die Differenz bei 272,50 Euro. Gehaltsvorrückungen und die Anrechnung von Vordienstzeiten waren ausgesetzt. Der Rektor der MedUni Wien lenkte ein, die Rektoren von Innsbruck und Graz weigerten sich auf die betriebsrätlichen Forderungen einzugehen.

Nach unserer ersten Zusammenkunft – wir waren in einem viel zu kleinen Raum damals 115 (!) KollegInnen – organisierten wir Veranstaltungen, in die wir VertreterInnen des Betriebsrates, der AK, der GÖD, der AUGE und des GLB baten. Nach jahrelangem gemeinsamen Kampf (inklusive biomed austria und MTD-Austria) konnten auf dem gerichtlichen Klagsweg annehmbare Erfolge erzielt werden: Es kam zu Nachzahlungen im Bereich von 4.500 bis 15.000 Euro.

„Konspiration statt Transpiration“

An der Pathologie wurde eines Tages erwogen, das Arbeitsverhältnis zweier hörbehinderter KollegInnen nicht weiter zu verlängern. Der soziale Aspekt hat meinen Kollegen und mich während einer Kaffeepause dazu bewogen rasch zu handeln. Besser die Köpfe zusammenstecken als anschwitzen war angesagt. Wir erstellten rasch eine Unterschriftenliste für eine Petition die KollegInnen behalten zu wollen. Mit 96 Unterschriften der 98 Beschäftigten waren die Chefs zu überzeugen und die beiden KollegInnen wieder mit von der Partie. Ich bekam in der Folge einen Anruf des Vaters des hörbehinderten Kollegen, welcher mir unter Tränen sagte, dass die Familie Solidarität dieser Art schon früher nötig gehabt hätte damit viel Leid erspart geblieben wäre.

Während langer Dienstjahre kann es für uns alle zwischendurch eng werden. Die Kraft für Kämpfe nicht zu verlieren, gelingt nur in gut organisierten Verbänden. Mehr denn je werden wir Betriebsräte, Gewerkschaften, Berufsverbände und solidarische Kollegialität von Nöten haben. Mein Dank geht an den Rückhalt im Kollegenkreis, an den GLB und an meine Partei.

Elke Heinrichs, geb. 1958, ist seit 1999 Betriebsratsmitglied, seit 2013 KPÖ-Gemeinderätin in Graz und kandidierte 2014 bei der AK-Wahl für die Liste GLB-KPÖ (Foto: Elmar Ladstädter)

 

Quelle:

Gewerkschaftlicher Linksblock