Eine zum Scheitern verurteilte Bildungspolitik

Zeitung vum Letzebuerger VollekZu den gestern in Bezug auf die Spielschule (heute Zyklus 1) aufgezählten Problemen ist noch nachzutragen, daß im laufenden Schuljahr noch eine Aufgabe draufgesattelt wurde: das spielerische Lernen des Französischen durch gezielte Aktivitäten. Es ist dies wieder eine Aufgabe mehr, ohne daß es dafür auch Mittel gäbe. Wobei natürlich keine der vorherigen Lernziele gestrichen wurde. Verlangen kann ein Ministerium natürlich alles, was dem Minister und seinen parteipolitisch Eingefärbten einfällt, bloß verwirklichen läßt sich mehr nicht mit weniger!Ein Minister braucht sich auch nicht zu überlegen, wie riskant es ist, heute mit 18 Kindern aus dem Schulhof hinauszumarschieren für ein Projekt, den Besuch eines Schauspiels, Konzerts oder Museums oder einen Ausflug.

Die Lage würde sich für ihn auch nicht bessern, müßte er mit zwei solcher Klassen losgehen, zusammen mit seiner Pressesprecherin. Von Lehrkräften aber wird das verlangt, auch wenn die Sicherheit so nicht zu garantieren ist. Auf das Herausgehen aus der Schule zu verzichten wäre aber ein trauriger Rückschritt, hält das Mitbestimmungskomitee fest. Die Möglichkeit Neues zu entdecken, zu experimentieren, und das verbunden mit mehr Bewegung als im Klassensaal bringt nämlich enorm viel fürs Lernen aber auch fürs Klassenklima.

Das ist aber die konkrete Lage in Dommeldingen, wo die Klassen durchschnittlich 18,3 Kinder zählen, oder in Beggen, wo es deren 17,5 sind. Sonderbarerweise sind es im Belairer Nobelviertel in der Schule Aloyse Kayser nur 13,2 im Durchschnitt pro Klasse. Die anderen Schulen liegen zwischen diesen Extremwerten, die aber nicht deutlicher zeigen könnten, daß da Bessergestellte für Bessergestellte sorgen!Insgesamt kommt die Hauptstadt dieses Jahr auf einen Klassendurchschnitt von 15,8, nächstes Schuljahr müssen dann 16 erreicht sein. Zur Zeit der Primärschule lag der Durchschnitt in der Hauptstadt zwischen 12 und 13, wobei die Klassen seither keinen Deut homogener wurden.

Der Fluch der bösen (Spar-)Tat

Das zeigt sich dann auch inzwischen deutlich am sinkenden Anteil jener, die ins klassische Lyzeum orientiert werden, und am steigenden Anteil, der in den Modularklassen endet, weil die zu erreichenden Kompetenzsockel eben nicht erreicht wurden – etliche kommen gerade noch auf das Wissen, das sie eigentlich nach dem dritten Grundschuljahr hätten erreicht haben soll. Das waren ehedem krasse Einzelfälle, und der Vergleich von heute zu damals sollte sicher machen und für eine rasche aber grundlegende Änderung der Politik sorgen. Tut es aber nicht!

Minister mit gespaltener Zunge

Das hauptstädtische Mitbestimmungskomitee hält fest, daß die Kommunikation zwischen Ministerium, Inspektorat, Gemeinden und Schulen nicht mehr funktioniert. Der Minister weigert sich Überlegungen jener in Betracht zu ziehen, die in den Schulen in direktem Kontakt mit den Kindern sind. Dafür multipliziert er Pressekonferenzen, Gesetzesprojekte und Reglemente. Herauskommt regelmäßig eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, mehr Verwaltungskram und schlechtere Lernbedingungen.

Ein Musterbeispiel ist da der Wechsel vom Schulerfolgsplan zum Schulentwicklungsplan, wozu sowohl die Schulorganisation, der Plan der außerschulischen Betreuung, die Evaluierung von Lehrkräften und Schule wie auch die Zusammenarbeit mit den Eltern gehört. Das »bürokratische Monster« führt zu einer zweiten Informatik-Plattform namens EDVANCE (neben SCOLARIA), die regelmäßig zu aktualisieren ist. Das kostet Zeit und Arbeit, von denen die Schulkinder nichts haben, die aber eine Kontrolle aus der Ferne über die Schule ermöglicht. Die Zeit, die den Kindern gestohlen wird, ist also fürs Ministerium da!

Wobei es höchst unvorsichtig ist, glaubt man Versprechen des Ministers in positiven Dingen. Um die Neuankömmlinge zu betreuen, waren übers Kontingent hinausgehende Zusatzstunden versprochen worden. Da es wegen der Flüchtlinge mehr Kinder gibt, die keine der Unterrichtssprachen beherrschen, hatte im März der städtische Schuldienst gemeinsam mit dem Inspektorat 27 Posten begründet beantragt. Erst kurz vor Schulbeginn gab’s die Bewilligung für 17,75 Posten – ohne Begründung, warum die restlichen 9,25 Posten nicht bewilligt sind. Es gab weder davor noch danach eine Diskussion. Es soll also nach dem Prinzip gehen: »Führer befiehl, wir folgen Dir!« … in den Mißerfolg.

Geld wäre schon da!

Jetzt komme bitte niemand daher mit der Meldung, angesichts des Budgetdefizits müsse gespart werden. Wenn schon das Kriegsbudget nicht gekürzt werden darf, warum greift man dann nicht kurz in die Portokasse der Fonds? Die 0,01% Abonnementstaxe bringen über eine Milliarde ins Budget. Bei 0,02% wäre das projizierte Defizit 2018 weg (2017 hätten dafür sogar 0,015% gereicht, gibt es doch nur eine halbe Milliarde Defizit und nicht die ganze projizierte). Mit 0,03%, folglich immer noch im Bereich der Portokasse, hätten wir schon eine ganze Milliarde, die wir gar nicht komplett im Schulwesen brauchen! Wobei: Luxemburg hatte auch schon mal einen Höchststeuersatz von 56%. Geld ist also da, man muß es nur abholen wollen, doch die, die jetzt am Krautmarkt sitzen, wollen das nicht. Nicht vor und nicht nach den Wahlen!

jmj

 

Aus: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek