Interview des stellvertretenden Außenministers Russlands, Sergej A. Rjabkow, für die Nachrichtenagentur TASS, 15. April 2018

Frage: Die Chefin des Pressedienstes des US-Außenministeriums Heather Nauert hat erklärt, dass Russland die 2013 übernommenen Verpflichtungen, zur Vernichtung der C-Waffenvorräte in Syrien beizutragen, nicht eingehalten hätte. Wie könnten Sie dies kommentieren?

Antwort: Der Vernichtungsprozess erfolgt im Regime einer engen Zusammenarbeit der involvierten Länder, darunter der USA, und die unter strengster internationaler Kontrolle. Die Koordinierung zwischen Moskau und Washington erfolgte in bestimmten Etappen im Real-Time-Regime, durch Telefonschaltkonferenzen. Es gab ständige Kontakte auf verschiedensten Ebenen.

Die Amerikaner haben einen bestimmten Beitrag zur Liquidierung der syrischen C-Waffen geleistet, durch die Liquidierung von Kampfstoffen, darunter des Präkursors DF, an Bord des Spezialschiffs „Cape Ray“.

All dies war recht effektiv und transparent, obgleich wir bestimmte Fragen hinsichtlich der DF-Rezeptur und so weiter hatten. Russland stellte seinerzeit Fragen in Bezug auf bestimmte weitere Handlungen der US-amerikanischen Seite, bereits nachdem die Liquidierung dieses Präkursors abgeschlossen worden war.

Daher sind mit die endlosen, primitiven und auf nichts beruhenden Informationssalven absolut unverständlich, die abgefeuert werden, darunter durch sehr hochrangige Vertreter in den USA, wonach Russland angeblich irgendetwas nicht erfüllt habe. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie etwas hochgepusht wird, was heutzutage als Hashtag bezeichnet wird, und alle drum herum, alle Verbündeten der USA fangen an, dies zu wiederholen. Alles wird aus einer Zeitung in eine andere übernommen, aus einem Blog in einen anderen, und dann verwandelt sich dies in etwas Selbstverständliches.

Die USA sind heute der einzige Signatarstaat der Konvention über das Verbot chemischer Waffen, der sein Arsenal nicht vernichtet hat, wobei die Menge der Kampfgiftstoffe in den USA tausende Tonnen ausmacht. Anstatt Russland dessen zu bezichtigen, was es einfach nicht gibt und nicht sein kann, sowie schamlose und dreiste Lügen zu wiederholen, sollten sich die USA besser auf die Vernichtung ihres C-Waffenarsenals konzentrieren.

Frage: Vertreter der USA habe erneute Schläge in Syrien nicht ausgeschlossen. Wie wird in solch einem Falle die Antwort Russlands aussehen? Gibt es Informationen über sich in Vorbereitung befindliche neue Provokationen mit chemischen Angriffen?

Antwort: Wir wenden bestimmte Zeit auf, in Washington und in New York befassen sich unsere Leute damit, um die offiziellen Statements der US-amerikanischen Vertreter zu verfolgen. So sehen wir, was man im Pentagon nach den Schlägen sagte, was andere Vertreter erklärten. Sie sagten, dass man dem chemischen Militärarsenal Syriens durch diesen unrechtmäßigen und ungesetzlichen, das Völkerrecht verletzenden aggressiven Raketenschlag ein vernichtender Schaden zugefügt hätte, dass man einen „unersetzlichen“ oder „übernatürlichen“ Schaden zugefügt hätte.

Erstens, wo haben sie dieses Arsenal gefunden? Ich wiederhole: Alles wurde unter internationaler Kontrolle unter Beteiligung eben jener Amerikaner vernichtet. Zweitens: Wenn ein Arsenal geblieben ist, wo ist dann diese gepriesene Effizienz der US-amerikanischen Militärs und ihrer Schläge? Und drittens: Wenn die USA trotzdem ungeachtet des Ausbleibens von Antworten auf die erste Frage, die zweite oder auf jegliche andere Frage weiter davon reden, dass Russland da irgendetwas nicht zu Ende geführt habe, und erneut Stärke, Schläge anwenden werden, wo ist dann überhaupt die Grundlage für diese Schläge?

Man sagt uns, dass die Stärke am 14. April angewandt wurde, um der Regierung in Damaskus die Möglichkeit zu nehmen, Giftstoffe bei Gefechtshandlungen zu nutzen. Jetzt erklärt man, dass die Schläge fortgesetzt werden können. Dann werden wir sehen, was für Erklärungen sie noch erfinden, wenn sie sich überhaupt um irgendetwas Derartiges für die weiteren Schläge kümmern.

Ein recht besorgniserregender Trend in der US-amerikanischen Außenpolitik wird da fortgesetzt, bei dem sich die Leute, die tatsächlich über sehr ernsthafte Möglichkeiten im militärischen Bereich verfügen, einfach keine Mühe machen, nicht um sich etwa mit irgendwem über irgendetwas zu einigen, sondern einfach darüber nachzudenken, auf welchen Grundlagen und aufgrund welcher Ursachen sie solch weitreichende Entscheidungen treffen. Es sei erneut unterstrichen: Dies ist eine der bedenklichsten und besorgniserregendsten Erscheinungen in den gegenwärtigen internationalen Beziehungen.

Frage: Der Botschafter der USA hat erklärt, dass Washington vor den Schlägen gegen Syrien zwecks Minimierung der Opferzahl mit Moskau in Kontakt getreten sei. Wird tatsächlich irgendeine Koordinierung zwischen Russland und den westlichen Ländern in Bezug auf Syrien bewahrt?

Antwort: Ich weiß nicht, was die amerikanischen Kollegen in das Wort „Koordinierung“ legen, wie ich auch schon seit vielen Jahren nicht begreifen kann, wo jene überaus feine Grenze ist, die die Auslegungen des Wortes „Zusammenarbeit“ durch die verschiedenen Vertreter in Washington trennt. Für mich ist das unverständlich, wie auch nie begreifbar war, worin das Problem bei der Abgrenzung terroristischer Gruppierungen von der bewaffneten Opposition usw. besteht.

Ich möchte jetzt aber nicht für die Amerikaner eine Analyse dieser verschlagenen schelmischen Semantik beginnen, in der sie sehr stark Erfahrungen gesammelt haben, während sie hinsichtlich ernster Fragen mit immer primitiveren Losungen reden.

Die Nachrichtenkanäle und Kanäle für einen Informationsaustausch, für einen Austausch von Mitteilungen, die erlauben, sich im Geschehen besser zu orientieren und – wie ich hoffe – dennoch genauer die Absichten des anderen zu beurteilen…, diese Kanäle funktionieren.

Gestern erregte die unglaubliche Schnelligkeit Aufmerksamkeit, mit der unsere britischen Kollegen die Mitteilungen Moskaus dementierten, wonach Russland mit allen Beteiligten der von den USA angeführten Koalition im Kontakt gestanden hätte. Speziell für die britischen Kollegen unterstreiche ich, dass die Moskauer Mitteilungen zu diesem Thema keine Konkretisierung dessen enthielten, zu welchen Themen, zu welchen Sujets, zu welchen Aspekten und besonders – wo, an welchem Ort geografisch – wir in einem Kontakt standen. Daher würde ich gern dieser „Liebhaber von Genauigkeit“, von denen es so viele in London gibt, aufrufen, doch nicht das, was man in Moskau sagt und tut, mit ihren eigenen Interpretationen zu vermischen.

Frage: Der russische Resolutionsentwurf, der die Syrien-Schläge verurteilt, wurde im UN-Sicherheitsrat abgewiesen. Hat Russland den Resolutionsentwurf erhalten, den die USA, Frankreich und Großbritannien unterbreiten wollen?

Antwort: Wir schauen uns diese Vorschläge an. Natürlich, der Kurs der westlichen Troika ist verständlich. Das ist ein Kurs auf die Gewährleistung einer völligen widerspruchslosen politischen Unterordnung aller Übrigen unter sich.

Wenn eine vernünftige Alternative vorgeschlagen wird, wird sie von ihnen verworfen. Ohne mit den Augen zu zwinkern, fangen sie an, Erfindungen und politische Unterstellungen jeglicher Art zu wiederholen, und versteigern sich in eine leere unverhüllte Rhetorik. Wenn sie irgendetwas Eigenes vorantreiben, wohl wissend, dass diese, ihre Ideen dem Völkerrecht widersprechen und keine Möglichkeit schaffen, real zu einer Regulierung des sich in die Länge gezogenen blutigen Konflikts in Syrien zu gelangen, nicht erlauben, endgültig die Aufgabe zur Befreiung dieses Landes von der terroristischen Bedrohung zu lösen, eine Normalisierung der humanitären Situation stören, alle labeln, die real praktisch auf diesem Gebiet und im Format des Astana-Prozesses und in Sotschi arbeiten, sowie aus der Sicht der Gewährung humanitärer Hilfe als auch aus der Sicht einer Feststellung der Wahrheit hinsichtlich dessen, wurden chemische Waffen, wurden Giftstoffe eingesetzt oder nicht, und wenn ja, so durch wen wurde dies getan – da wird dies alles über den Haufen geworfen. Da wird ein anderes, ein völlig Pleite gegangenes politisches Schema aufgezwungen, dessen Ziel ein Machtwechsel in Damaskus ist.

Ich denke, dass dieser Geist eines imperialen Dominierens und der Versuche, der ganzen Welt die eigenen Modelle und eigenen Entscheidungen aufzuzwingen und dabei demagogisch über irgendwelche Zivilisationsmomente, über irgendwelche richtigen oder falschen Seiten der Geschichte Überlegungen anzustellen, als ob sie im Namen dieser eigentlichen Geschichte sprechen … All dies hat nichts mit dem gemein, wie der UN-Sicherheitsrat arbeiten muss.

Frage: Ist denn Russland in solch einem Falle bereit, mit dem durch diese Länder unterbreiteten Resolutionsentwurf zu arbeiten?

Antwort: Wir werden uns die Vorschläge der westlichen Troika kritisch anschauen. Wir schließen nichts für uns von vornherein aus. Wenn es da vernünftige Elemente gibt, werden wir daran arbeiten. Leider ist aber in der letzten Zeit das, was früher als Kultur des Kompromisses und gemeinsamen Nenners bezeichnet wurde, einfach rundweg durch die abschätzige arrogante Vorgehensweise, die buchstäblich das ganze Verhalten der Vertreter aus den USA, aus Großbritannien und Frankreich im UN-Sicherheitsrat und auf anderen Plattformen durchsetzt, vernichtet worden.

Ergo wird es äußerst schwer werden, irgendeinen vernünftigen Kompromiss, irgendeine Entscheidung zu diesem Entwurf zu erreichen. Ich möchte jetzt ungern etwas aus der Sicht dessen vorausgreifen, wie gegenwärtig diese Arbeit vorankommt. Man muss aber begreifen, dass es für uns bekannte rote Linien gibt. Sicherlich gibt es auch für die westliche Gruppe irgendwelche nicht aufzuhebenden roten Linien.

Früher gelang es gelegentlich, eine gewisse Route zwischen diesen roten Linien, einen gewissen Mittelweg auszuarbeiten. Obgleich gesagt werden, dass dies doch recht selten der Fall war.

Heute ist die Situation aus politischer Sicht eine äußerst angespannte. Die Atmosphäre ist außerordentlich aufgeladen. Daher werde ich nichts als Prognosen vorausgreifen. Wir werden ruhig methodisch und professionell arbeiten, wobei wir alle Chancen nutzen werden, um die Situation aus dem gegenwärtigen äußerst gefährlichen politischen Sturzflug herauszuführen.

 

Quelle:

Außenministerium der Russischen Föderation