Erklärung zur Wahl in der Türkei

Gestern haben in der Türkei sowohl Parlaments- als auch Präsidentschaftswahlen stattgefunden.

Ursprünglich waren beide für November 2019 angesetzt, doch die türkische Regierung unter Erdoğan ließ im April verkünden diese bereits für Juni 2018 vorzuziehen. Dieser Schritt erfolgte vor allem aus der Absicht heraus das 2017 eingeführte autoritäre und antidemokratische Präsidialsystem zu zementieren und der Regierung einen Zuschuss von politischer Legitimität zu verleihen. Denn derzeit kriselt es. Es wächst nicht nur der Unmut gegenüber dem AKP-Regime, sondern die derzeit einsetzende wirtschaftliche Krise in der Türkei dürfte in absehbarer Zukunft noch weitaus größere Maßstäbe erreichen. Die Lira hat seit Jahresbeginn gut 20% des Wertes eingebüßt, die Inflation liegt aktuell bei 12% und der Interantionale Währungsfonds (IWF) bereitet sich auf ein

Je später die Wahlen, desto knapper hätte es für Erdoğan und seine islamisch-nationalistische Partei werden können.

Andererseits ging es aber ebenso darum zu verhindern, dass sich die Opposition auf Wahlen entsprechend gut vorbereiten kann. Teils willkürlich gesetzte Hürden erschwerten die Beteiligung und der Wahlkampf musste im Eiltempo erfolgen. Unseren GenossInnen von der Türkischen Kommunistischen Partei (TKP) beispielsweise wurde die Teilnahme an den Wahlen als eigenständige Partei von staatlicher Seite verwehrt. Eine Tatsache die die Genossinnen und Genossen jedoch nicht entmutigte, sondern dazu veranlasste trotz der widrigen Umstände mithilfe einer unabhängigen Plattform unter dem Namen „Diese soziale Ordnung muss sich ändern!“ Direktkandidaten für die Parlamentswahlen aufzustellen.

Dass die Wahlen wohl kaum irgendwelchen bürgerlich-demokratischen Standards entsprechen würden, stand schon im Vorfeld fest. Noch immer sitzen zehntausende Menschen in der Türkei unter fadenscheinigen Vorwürfen in Haft. Unter ihnen Oppositionelle, Beamte, Journalisten, aber auch Personen die aufgrund der Äußerung einzelner Sätze oder gar Wörter als Terroristen gebrandmarkt wurden. Der Präsidentschaftskandidat der prokurdischen HDP, Selahattin Demirtaş, musste seinen Wahlkampf sogar aus dem Gefängnis heraus führen. Einem deutschen parlamentarischen Wahlbeobachter für die OECD wurde die Einreise verweigert. Es gilt außerdem weiterhin der Ausnahmezustand in der Türkei und der kurdische Südosten des Landes wurde in den vergangenen Jahren vom Militär mit dem Einsatz exzessiver Gewalt ruhiggestellt. In den letzten Jahren kam es immer wieder zu Wahlfälschungen auf lokaler oder regionaler Ebene. Dieses Mal wurde bereits wenige Stunden nach Beginn der gestrigen Wahl von Fälschungen berichtet, die das Ergebnis zugunsten Erdoğans und der regierenden AKP veränderten.

Bereits im Vorfeld wurde viel über die angeblichen Alternativen zu Erdoğan berichtet und diskutiert. Oft ging es dabei um Meral Akşener und ihre neugegründete İyi Parti. Dass Akşener vor zwei Jahren noch ein hochrangiges Mitglied der faschistischen MHP war, wurde dabei gerne übersehen. Ebenso dass sie als kurzzeitige Innenministerin in den 1990ern sowohl in den Krieg gegen die kurdische Bevölkerung als auch in die kriminellen Verflechtungen des türkischen Staates verwickelt war. Die von der größten Oppositionspartei CHP angeführte Allianz aus Parteien entpuppt sich bei genauerer Betrachtung ebenfalls wohl kaum als Hoffnungsträger. Im Falle der CHP blieb es letztlich immer nur bei kämpferischen Parolen. Nicht nur trug die CHP die Verfolgung der Opposition zu Anfang noch mit, auch unterstützte sie die türkischen Aggressionen in Syrien und im Irak und stellte sich direkt nach dem Putschversuch 2016 hinter die AKP-Regierung. Beide Parteien sind zudem bestens mit türkischen Unternehmern vernetzt und sprechen sich für den Verbleib der Türkei im Kriegsbündnis NATO aus. Man darf das Problem also nicht auf Erdoğan reduzieren. Er ist nur einer von verschiedenen autoritären Varianten Herrschaftsvarianten des türkischen Kapitals.

Egal ob hier in Deutschland oder in der Türkei, für unsere Interessen und die Verwirklichung unserer Bedürfnisse müssen wir selber kämpfen, das kann uns keiner abnehmen. Das gilt für den Kampf gegen Erdoğan und genauso darüber hinaus für eine andere, bessere Gesellschaft.

Auch wir in Deutschland können unseren Beitrag zur Unterstützung dieses Kampfes leisten. Die Bundesrepublik ist einer der wichtigsten Unterstützter des AKP-Regimes. Neben der politischen Rückendeckung für die türkische Regierung und der Bekämpfung türkischer Oppositioneller und kurdischer Aktivisten in Deutschland, unterstützt die Bundesregierung den türkischen Staat seit Jahren finanziell und mit Waffen. Wenn die Jugendlichen in der Türkei für ihre Rechte und gegen den reaktionären Staatsumbau kämpfen, dann gilt ihnen nicht nur unsere symbolische Solidarität, sondern ist es an uns die deutsche Regierung für ihre Kooperation mit dem AKP-Regime anzugreifen und die Interessen, die dahinter stehen, aufzuzeigen.

Solidarität mit den fortschrittlichen Kräften und unseren GenossInnen in der Türkei! Freiheit für alle politischen Gefangenen, für ein Ende des Krieges gegen die Kurden! Der Ausnahmezustand muss aufgehoben werden!

Gegen die Unterstützung Erdoğans durch die Bundesregierung! Schluss mit Waffenlieferungen, schmutzigen Flüchtlingsdeals und Kooperation in der NATO!

Schluss mit der Verfolgung türkischer und kurdischer Aktivisten in Deutschland!

AG Internationalismus beim Bundesvorstand der SDAJ

Siehe auch:

https://www.youtube.com/watch?v=H9Mnikz30to
https://www.youtube.com/watch?v=LCs7I0H-6Nw

Quelle:

SDAJ – Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend